Hochhäuser in München: Plan der "Isar-Skyline" in der Kritik
Thalkirchen - In der Gelatobi-Eisdiele in Thalkirchen kassiert Tobias Steichele (40) gerade eine Kugel Stracciatella-Eis ab. Der Konditormeister ist in Thalkirchen aufgewachsen, der "wunderschönen und ruhigen Stadt in der Stadt – mit Dorfcharakter", wie er sein Viertel beschreibt. Doch in den letzten 15 Jahren sei es spürbar voller geworden im Viertel, bemerkt der Gelatobi-Inhaber.
Das Wachstum von München macht auch vor Thalkirchen nicht Halt. Der Klinikcampus "Am Isarkanal" soll mit rund 170 Appartements und Wohnungen erweitert werden, die hauptsächlich für Klinikmitarbeiter reserviert sind. Die Rinecker-Villa an der Tierparkstraße wird abgerissen. Der Park wird für die Anwohner geöffnet. In den Garten sollen zwei circa 40 Meter-Wohntürme hineingebaut werden: Elf und 13 Stockwerke hoch.
"Isar-Skyline": Kliniken bauen mit Investor Wohnung fürs Personal
Die Artemed Klinik und die Internistische Klinik München Süd bauen mit einem privaten Investor hier Wohnungen für Personal. "Das finde ich sehr gut", sagt der Eismann Tobias Steichele.
Dass die neuen Gebäude die Grünkulisse am Isarkanal überragen werden, sieht er erstmal gelassen. "Richtung Zukunft tendiert alles zu höheren Häusern mit mehr Einheiten", meint er pragmatisch.

ÖDP schimpft: Verschandeln die Hochhäuser die Münchner Isar-Kulisse?
Die ÖDP-München Liste kritisiert die Bau-Planung am Isarkanal als "Verschandelung! Die Grünkulisse schrumpft". Muss eine Großstadt solche Bauten möglich machen oder werden die neuen Hochpunkte, vom Isarstrand gesehen, den Blick extrem stören?
"Sie stören eher nicht", sagt Steichele. "Daneben steht doch schon ein Hochhaus. Ich wäre nur gegen den Bau eines Bürokomplexes, Wohnungen brauchen wir dringend." Die Adresse Am Isarkanal wird ab etwa 2026 zur Großbaustelle werden: Der Abriss und der Neubau der Internistischen Klinik etwa ist bei laufendem Betrieb geplant.

Neue Hochhäuser an der Isar: Nicht jeder in Thalkirchen findet die Idee schlecht
Elvira Knürr kommt gerade von einem Termin auf dem Klinik-Campus, der jetzt bereits modernisiert wird. Sie sagt: "Baustellen stören natürlich immer. Aber die romantische Atmosphäre mit Schwänen und Enten am Isarkanal ist bezaubernd."
Die Flusslandschaft und die Erholung an der Isar hält sie nicht für gefährdet: "Ich habe nichts gegen höhere Bauten. Ich glaube nicht, dass die Höhe einen Riesenunterschied macht. Wenn ich an der Isar liege, schaue ich doch in den Himmel oder aufs Wasser", sagt die Frau aus der Maxvorstadt – und setzt ihren Weg Richtung U3-Station Thalkirchen fort.

Heizkraftwerk, Beton-Hochhaus: An der Isar ist eh "nichts mehr idyllisch"
Auf der anderen Seite der Thalkirchner Brücke, am Isarstrand, lässt die Geologin Pamela Itzelsberger Kinder Steine auseinanderklopfen, um Kristall-adern zu finden.
Zu den geplanten Neubauten meint die Münchnerin: "Mit dem fiesen Hochhaus und den Türmen des Heizkraftwerks ist es hier sowieso nicht mehr so idyllisch. Grundsätzlich finde ich es wichtig, bei den Bauplanungen am Isarufer um jeden einzelnen Baum zu kämpfen."

Das Büro Goergens Miklautz Architekten erklärt auf seiner Webseite, dass ihre beiden fünfeckigen Wohntürme an der Ecke Schäftlarnstraße/Tierparkstraße "den kleinstmöglichen flächenmäßigen Fußabdruck" im Park hinterlassen.
Sie sollen also eher schlank und hoch werden, um viele der alten Bäume zu erhalten.

Manche Münchner sagen: Zehn Meter weniger Hochhaus wären besser
Werden die neuen Häuser auf dem Klinikcampus den schönen Blick vom Isarufer auf die Grünkulisse zerstören? Für einen guten Kompromiss plädiert die Finanzfachfrau Katharina Pirnke, die seit sechs Jahren im Viertel wohnt. "Man könnte die Höhe der Häuser um zehn Meter verringern. Der Eingriff in die Isarkulisse wäre dann weniger massiv."
Sie ist mit dem Fahrrad unterwegs. Als begeisterte Radlerin hat sie eine wichtige Anregung: "Für die autofreien Haushalte sollte es Ladestationen geben, an denen auch Anwohner ihr Elektrobike laden können." Bauherren sollten unbedingt sicherstellen, dass in den neuen Wohnhäusern Fahrräder sicher und bequem abgestellt werden können.

Die "Isar-Skyline" sei eine Bedrohung für die grüne Lunge Münchens, sagt der Bund Naturschutz
Über die geplante "Isar-Skyline" will die Stadtratsfraktion aus ÖDP und München-Liste die Thalkirchner mit Flyern informieren.
Ihre Petition ist mit dem Satz "Das Bauprojekt Am Isarkanal bedroht die grüne Lunge Münchens" überschrieben, die zentrale Forderung darin: "Diese Bebauung muss verhindert werden." Kritisch äußern sich auch Bund Naturschutz, der Bezirksausschuss und das Münchner Forum. Alle plädieren für etwas niedrigere Gebäude am Isarufer, rund zehn Meter weniger stellen sie sich vor.
Wird die Isar-Skyline zum "groben städtebaulichen Fehler"?
Zumal der Klinikneubau ein neues Quartierszeichen wird: als Hochpunkt mit 48 Metern. Nur zum Vergleich: 53 Meter hoch ist "der Sündenbau" (ÖDP), das massive 16-stöckige Hochhaus am Isarkanal 24 aus den 60er-Jahren.
"Dieser grobe städtebauliche Fehler stellt drastisch die Unverträglichkeit derartiger Hochpunkte mit dem höchst schützenswerten Natur- und Erholungsbereich der Süd-Isar unter Beweis", erklärt Klaus Bäumler vom Münchner Forum der AZ.

"Dieser grobe Missgriff darf jetzt doch nicht der Maßstab für Neubauten an der vorbildlich erhaltenen natürlichen Flusslandschaft sein", gibt Klaus Bäumler weiter zu bedenken.
Über seine Unterschriftensammlung versucht ÖDP-Fraktionsvorsitzender Tobias Ruff die "schutzwürdige Grünkulisse" an der Isar zu erhalten.
Eine Befürchtung: Werden im obersten Stockwerk Luxuswohnungen gebaut?
Neben der "Verschandelung" sieht die ÖDP/München-Liste noch mehr Gründe, hier eine höhere Bebauung in sensibler Umgebung zu verhindern: Höhere Bauten können die Frischluftschneise stören. Und Johannes Bayerlein, Geschäftsführer vom Kiosk 1917, sagt: "Im Viertel gibt es die Befürchtung, dass auf dem Dach der beiden Wohntürme teure Penthouse-Eigentumswohnungen mit Isarblick entstehen."
Ingo Trömer, Sprecher des Referats für Stadtplanung und Bauordnung, bestätigt, dass über 500 kritische Stellungnahmen von Bürgern bei der Öffentlichkeitsbeteiligung der Stadt eingegangen sind. Erst im Jahr 2027 werde der Stadtrat voraussichtlich über die Neubauten an der Isar abstimmen.