Klare Worte auf Mittelstand-Demo in München – Teilnehmerzahl überrascht

München - In München wird derzeit so viel demonstriert wie schon lange nicht mehr. Erst gingen die Landwirte und Lkw-Fahrer auf die Barrikaden, vergangenen Sonntag versammelten sich Hunderttausende zwischen Odeonsplatz und Münchner Freiheit, um gegen rechts und die AfD zu protestieren. Und nun kam es zur nächsten Demonstration in der bayerischen Landeshauptstadt.
Unter dem Motto "Der Mittelstand steht auf" rief ein Bündnis namens "Hand in Hand für unser Land" – bestehend aus Unternehmern, Bauern, Wirten, Handwerkern, Senioren und Privatleuten – zu einer Großveranstaltung auf der Theresienwiese in München auf. Die Veranstalter haben dazu aufgerufen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen. Die Demo soll ohne Traktoren und Lastwagen stattfinden.

Mittelstand-Demo in München: Veranstalter rechneten mit bis zu 50.000 Teilnehmern
Die Veranstalter rechnen mit 35.000 bis 50.000 Teilnehmern. "Wir lassen aber diesmal Traktoren und Lastwagen daheim, weil es jetzt um den Menschen geht. Um die steuerzahlende Mitte der Gesellschaft und um Rentnerinnen und Rentner", so Markus Huber, Kran-Unternehmer aus Bad Feilnbach und einer der Organisatoren. Bis Donnerstagnachmittag sollen sich laut Huber bereits 300 Busse mit rund 20.000 Teilnehmer angemeldet haben, es wurde also eine volle Münchner Theresienwiese erwartet.
Der Protest am Sonntag richtete sich einerseits gegen einige Pläne der Ampelregierung (wie die Erhöhung der LKW-Maut, die Abschaffung der Agrardiesel-Subventionen, CO2-Steuern und die wieder erhöhte Mehrwertsteuer in der Gastronomie), aber auch um Themen wie Wohnungsnot, Altersarmut, Pflegenotstand, mangelnde Kitaplätze und zu viel Bürokratie.

Politiker durften zur Demo auf der Theresienwiese kommen, mussten aber schweigen
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) und Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) hatten im Vorfeld ihr Kommen laut Veranstalter zugesagt, Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wurde eingeladen. Sprechen durften Aiwanger und Kaniber auf der Kundgebung aber nicht. "Politiker haben diesmal kein Rederecht auf der Demo", erklärte Huber.
Gefeiert wurde der Freie-Wähler-Chef dennoch, als er auf dem Gelände erscheint, Applaus und Gejohle brandeten auf. Aiwanger ging winkend an der Bühne vorbei und lässt etwas abseits Gruppenfotos machen. Gegenüber der AZ wollte er sich nicht äußern, teilte aber auf dem Kurznachrichtendienst "X" (ehemals Twitter) Aiwanger ein Video von den Protesten und fügte an die Bundesregierung gerichtet hinzu: "Ampel, Ihr müsst mit diesen Leuten reden! Für niedrigere Steuern und Energiepreise, sonst gehen viele Betriebe kaputt!"
Auch Michaela Kaniber wurde ein warmer Empfang bereitet –zur AZ sagte sie: "Ich stehe seit Wochen an der Seite der Bauernschaft und habe absolutes Verständnis für die Wortmeldungen." Bei der Steuerlast und überzogenen Auflagen sei die Veranstaltung kein Wunder. Traurig sei es, dass die Bundesregierung es nicht schaffe, auf den Mittelstand zuzugehen und für Entlastung zu sorgen.
Der Münchner Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) war ebenfalls präsent. Allein schon als Verantwortlicher für die Theresienwiese sei das für ihn eine Pflichtveranstaltung. Für ihn sei es auch eine Gelegenheit gewesen, kompakt hineinzuhorchen. Dass es knirsche und nicht mehr rund laufe, sei keine Frage von Stimmungen, sondern Zahlen, von den Umsätzen bis zur Steuerlast. "Und da war es gut, heute einmal zuzuhören, worum es den Leuten geht. Es herrscht oft Existenzangst", sagte er.
Parteiboss Markus Söder hat es jedoch nicht zur Demo geschafft. Der CSU-Chef schickte jedoch ein ausführliches Schreiben an die Veranstalter. Diese zeigten Verständnis und verwiesen auf die recht kurzfristige Ansetzung der Demo. Jedoch werde man sich genau merken, welche Politiker die Einladungen beantwortet oder ignoriert haben, so Mit-Organisator Huber.

Der Demoveranstalter rief zum Beginn der Proteste derweil zu einer gesitteten Veranstaltung auf: "Ich bin stolz auf jeden einzelnen von euch, dass er uns unterstützt. Wenn ihr Symbole seht, die euch Bauchschmerzen bereiten, sagt den Ordnern Bescheid." Auf dem Gelände herrschte Glasflaschen- und Alkoholverbot – die Polizei war bei Verstößen berechtigt, Personen von der Theresienwiese zu verweisen.

"Wir sind die Mitte": Demo-Veranstalter in München mit klaren Worten
Überhaupt achteten die Veranstalter darauf, nicht in eine falsche Ecke gedrängt zu werden. "Wir bedienen keine Ränder, kommt bitte alle in die Mitte", heißt es zur Eröffnung der Demo. Auch an die Vernunft der Teilnehmer wurde noch einmal mit klaren Worten appelliert – die Ampel am Galgen zu zeigen, gehe beispielsweise überhaupt nicht.
Der Nachrichtensender NTV berichtete von einem "Bauernprotest gegen Rechts auf der Wiesn" – das wollten die Veranstalter so nicht stehen lassen: "Bite behandelt uns fair. Wir sind nicht rechts wir sind nicht links. Wir sind die Mitte!"

Dennoch schien die Mobilisierung der Massen nicht so funktioniert zu haben wie erhofft: Die Pressestelle der Polizei sprach circa eine Stunde nach Demo-Beginn von mindestens 7.000 und bis zu 10.000 Teilnehmern – inklusive 100 Bussen und 50 Traktoren. Am späten Nachmittag die Bestätigung: Mehr als 10.000 Menschen waren es nicht. Angesichts der von den Veranstaltern erwarteten 35.000 bis 50.000 Protestlern eine eher ernüchternde Zahl, auch wenn die Münchner Polizei eine endgültige Bilanz erst am späten Nachmittag ziehen will. Rund 50 Beamte sind vor Ort im Einsatz.
Proteste in München gegen die Ampel-Koalition – doch die Stimmung bleibt insgesamt friedlich
Viel zu tun hatten die Polizisten nicht, die Veranstaltung läuft ohne größere Vorkommnisse. Zwar wird auf den zahlreichen Schildern und Plakaten fleißig Stimmung gegen die Ampel-Koalition gemacht ("Die Ampel muss weg – sie saugt uns aus wie ein Zeck", "Grün Gelb Rot – machen unsere Wirtschaft tot", "Wir haben eure Regierung satt, sie hat die Wirtschaft plattgemacht"), doch die Stimmung bleibt friedlich.

Von den Rednern werden vor allem ein Umdenken und wahlweise das Abdanken der Ampel-Regierung, niedrige Steuern sowie weniger Bürokratie gefordert. In den Redebeiträgen wird zudem von persönlichen Schicksalen berichtet – Diagnose: "Die Politik ist krank". Immer wieder wird mehr Herz und Verstand von "denen da oben" gefordert. Nach rund zweieinhalb Stunden löste sich die Veranstaltung schließlich auf. Kleiner und unspektakulärer als erwartet war sie, die Demo. Aber das dürfte vielen in München auch ganz recht sein.