Kiosk-Betreiber an der Isar in München ist sauer: "E-Bike-Erotiker mähen alles platt"

An seinem Kiosk an der Wittelsbacherbrücke fühlt sich Betreiber André Löwig umzingelt von Rambos auf zwei Rädern, die auch auf Fußwegen rasen und sich an keine Regeln halten. Was sein Problem ist - und was er nun fordert.
Irene Kleber |
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Das blaue Fußgängerschild ist nicht zu übersehen. Trotzdem flitzen permanent Radfahrer um die enge Kiesweg-Kurve vor André Löwigs Kiosk.
Das blaue Fußgängerschild ist nicht zu übersehen. Trotzdem flitzen permanent Radfahrer um die enge Kiesweg-Kurve vor André Löwigs Kiosk. © Sigi Müller

München – An der Isar spazieren und an der Wittelsbacherbrücke hochschlendern, um sich an Münchens ältestem Standl von André Löwig ein Kaltgetränk zu holen - an Sommertagen wie diesen: der reinste Spießrutenlauf. Von hinten schießen Rennradler, Mountainbikerinnen und Lasten-E-Biker den Hügel bergauf, von vorne brettern sie bergab.

"Ohne Rücksicht auf irgendwas und irgendwen"

Ein paar Meter vor dem waldgrünen Standl oben wird es noch heikler, denn dann treffen Quer-Radler auf die Längs-Radler, und zwar unerwartet. Denn Letztere tauchen urplötzlich von links und rechts über die Kieswege auf, die ausschließlich für Fußgänger ausgeschildert sind. "Mir platzt jetzt echt langsam der Kragen", schnaubt André Löwig. 20Jahre betreibt er jetzt schon seinen Kiosk auf der Südseite der Brücke unter den alten Ahornbäumen, Linden und Kastanien am Schyrenplatz. "Aber so schlimm wie jetzt war der Radlwahnsinn noch nie."

André Löwig hat einen Baustellenzaun vor seinen Kiosk an der Wittelsbacherbrücke gestellt. "Damit da keiner mehr sein Radl hinschmeißt."
André Löwig hat einen Baustellenzaun vor seinen Kiosk an der Wittelsbacherbrücke gestellt. "Damit da keiner mehr sein Radl hinschmeißt." © Sigi Müller

Seit die Zufahrt zum Isarradweg von der Brücke aus nach unten asphaltiert worden ist, direkt vor seinem Minibiergarten am Standl, das es schon 1848 dort gab, werde nur noch gerast, "ohne Rücksicht auf irgendwas und irgendwen". Löwig hat sich sogar einen rotweißen Baustellenzaun gekauft und vor dem Kiosk aufgestellt. Damit da keiner mehr sein Radl hinwirft und Kioskgäste darüberfallen. "Eine ältere Dame", sagt er, "hat sich deswegen schon richtig schlimm verletzt."

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Überhaupt, Verletzungen: Er komme gar nicht mehr hinterher damit, neue Verbandskästen einzukaufen. "Sie glauben nicht", sagt Löwigs Mitarbeiterin Bella, "wie oft hier Leute vorbeikommen und nach Pflaster, Verbandszeug und Desinfektionsmittel fragen, weil schon wieder zwei Radler zusammengestoßen sind oder einer einen Fußgänger angefahren hat." Am schlimmsten, findet der Kioskbetreiber, seien die Fahrer der schweren Räder mit Elektromotor, von denen es jedes Jahr mehr gibt.

Zweirad-Chaos an der Isar: Unter der Wittelsbacherbrücke, die die Isarvorstadt mit der Au und Untergiesing verbindet, treffen Radlerinnen und Radler aus drei Richtungen zusammen. Und teils in hohem Tempo. Hier zu Fuß zur Wiese und zur Isar hinübergehen? Extrem schwierig.
Zweirad-Chaos an der Isar: Unter der Wittelsbacherbrücke, die die Isarvorstadt mit der Au und Untergiesing verbindet, treffen Radlerinnen und Radler aus drei Richtungen zusammen. Und teils in hohem Tempo. Hier zu Fuß zur Wiese und zur Isar hinübergehen? Extrem schwierig. © Sigi Müller

"Diese E-Bike-Erotiker mähen mit 25 oder 30 km/h alles um und weg, alte Frauen, Hunde, Kinder, Leute mit Kinderwagen." Rücksichtslos seien aber nicht nur die Jungen, "die sturköpfigen Alten sind fast noch schlimmer." Wer sich am Spätnachmittag vor seinem Kiosk umschaut, stellt fest, der Mann hat recht. Allein an der engen Kurve zum schmalen Kiesfußweg, der hinunter zur Isar führt, schießt im Sekundentakt ein Radl herunter oder rauf. Obwohl man gar nicht sehen kann, ob sich hinter der Kurve eine Hundeleine spannt oder jemand für einen Ratsch stehengeblieben ist.

Auch hier, entlang des Jägerzauns hinterm Kiosk, ist ein gekiester Fußgängerweg. Das hindert Radler nicht, da trotzdem entlang zu fahren.
Auch hier, entlang des Jägerzauns hinterm Kiosk, ist ein gekiester Fußgängerweg. Das hindert Radler nicht, da trotzdem entlang zu fahren. © Sigi Müller

Zu faul, am Gehweg abzusteigen

Wieso man, bitte, gerade dort fährt? "Weil ich nicht absteigen will", bellt angefressen ein behelmter Mountainbiker mit Silberhaar - und verbittet sich, fotografiert zu werden. Ein Student sagt: "Weil's der kürzere Weg ist und ich faul bin, ich weiß schon, das ist blöd für die Fußgänger."

Eine junge Frau hat ein stichhaltiges Argument: "Weil man aus dem Fußweg mit dem Radl unten leichter nach rechts in den Isarradweg einfädeln kann." Dort, wo Fahrradfahrer ein paar Meter weiter südlich offiziell in die Radstrecke einfädeln sollen, sei das "kriminell gefährlich". Und tatsächlich: Bis zu 70 Rennräder, Mountainbikes, Lastenräder, Räder mit Anhänger kann man an der Stelle pro Minute und Richtung zählen, die sich isarauf- und abwärts gegenseitig überholen oder an Rollschuhfahrerinnen und Skateboardern vorbei drängeln.

Markus Fisher mit Hund Herrschel auf der Wittelsbacherbrücke: "Als Fußgänger musst du heute Radlern dauernd aus dem Weg springen."
Markus Fisher mit Hund Herrschel auf der Wittelsbacherbrücke: "Als Fußgänger musst du heute Radlern dauernd aus dem Weg springen." © Sigi Müller

30 Prozent mehr Radler in München als 2019

Oben auf der Wittelsbacherbrücke selbst, nur ein paar Meter vom Kiosk entfernt, ist kaum weniger los. Dass in München heute 30 Prozent mehr Menschen Radfahren als noch 2019 (wie das Mobilitätsreferat gezählt hat), glaubt man hier gern: Radler flitzen in Pulks von links und rechts kommend Richtung Isarvorstadt oder Au und Untergiesing - genauso viele auf dem Radweg wie auf dem Gehweg nebendran. Mitten im Gewusel ist Fußgänger Markus Fisher mit seinem Hund an der Leine anzutreffen. "So viel Rücksichtslosigkeit", sagt er kopfschüttelnd. "Als Fußgänger musst du heute Radlern dauernd aus dem Weg springen."

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"Als Fußgänger", sagt wenig später eine ältere Passantin, "hast du in München überhaupt keine Rechte mehr." Was also könnte helfen, die Lage zu entspannen? Mehr Polizei? "Schmarrn", sagt André Löwig, "die kämen ja gar nicht hinterher, die Rambos sind einfach zu viele." Aus seiner Sicht wär's doch ganz einfach: "Radler, bleibt von den Fußwegen weg und nehmt endlich Rücksicht! Dann hat auch jeder wieder mehr Spaß am Münchner Sommer."

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79 Kommentare
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  • Watcher am 09.08.2024 09:41 Uhr / Bewertung:

    Einig sind wir uns doch hoffentlich alle…….. Es besteht Handlungsbedarf.
    Was tut die Stadt München gegen diesen Wildwuchs ???

  • cs23 am 06.08.2024 17:44 Uhr / Bewertung:

    Der Ehrlichkeit halber muss man aber auch sagen dass es an der Isar sehr viele Fußgänger auf dem Radweg unterwegs sind und insbes. die Hundebesitzer and Rücksichtslosikeit kaum zu überbieten sind und sich nichts nehmen mit den Radlrambos.

    Rücksichtslosigkeit & Egosmus allenthalben, leider …

  • Da Ding am 06.08.2024 13:03 Uhr / Bewertung:

    Wer von den Kommentatoren nutzt ausschließlich eine Fortbewegungsart. Es geht nicht um die Radfahrer oder die Autofahrer oder die Fußgänger. Es geht um rücksichtslose und egoistische Mitmenschen. Fußgänger die ohne zu schauen über die Straße laufen oder Radfahrer auf Bürgersteigen oder Autofahrer die Radfahrer so überholen, dass der Radfahrer stürzt, wenn er nur den kleinsten Schlenker macht.
    Es sollte sich jeder selber an der Nase packen, ob er oder sie sich nicht auch mal was rausnimmt, das nicht den Regeln des Zusammenlebens entspricht.
    Kennzeichenpflicht für Radfahrer bin ich dabei. Dann aber lesbar, nicht wie auf den e-Scootern. Ob es wirklich was bringt sei dahingestellt. Auf dem kurzen Schulweg meiner Tochter (Ich gehe noch mit), kann man allmorgendlich sicher 5 Rotlichtverstöße von PKW und bestimmt 20 von Radfahrern zählen. Bei den Fußgängern lohnt es sich nicht mitzuzählen. Es fällt anscheinend die Hemmung je geringer die Strafe und je schlechter die Nachverfolgbarkeit.

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