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Kein gedruckter Fahrplan mehr: Aufstand für das MVV-Fahrplanbuch

Der gedruckte Gesamtfahrplan wurde heimlich abgeschafft. Viele Ältere wollen sich damit nicht abfinden.
Jakob Mainz |
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Das MVV-Fahrplanbuch gab es viele Jahre lang in gedruckter Form – jetzt aber nicht mehr. (Archivbild)
Das MVV-Fahrplanbuch gab es viele Jahre lang in gedruckter Form – jetzt aber nicht mehr. (Archivbild) © MVV

München - Die AZ-Leserin ist empört. Sehr empört. "Ich möchte nicht, dass man uns ältere Menschen vergisst", schimpft sie. "Nach dem Motto: Die sind eh bald in der Grube." Was sie so aufregt – und viele ihrer Bekannten auch: Heimlich, still und leise hat der MVV sein großes Fahrplanbuch eingestellt.

Die Frau ist nur eine von vielen verärgerten älteren MVV-Kunden, die sich bei der AZ gemeldet haben. Und auch bei Reinhard Bauer, dem Chef des Seniorenbeirats, ist das Fahrplanbuch in diesen Wochen ein Dauer-Thema. "Zu uns kommen laufend Leute", sagt er der AZ. "Ein heißes Thema, ein drängendes Problem."

Seniorenbeirat fordert, dass das Fahrplanbuch weiterhin gedruckt wird 

Dabei ärgern Bauer – und mit ihm zahlreiche Senioren – nicht nur die Kommunikation des MVV. "Dass das so unerwartet und plötzlich passiert ist." Ganz konkret möchte der Seniorenbeirat, dass das Fahrplanbuch weiterhin gedruckt wird. Deswegen hat er nun eine offizielle Bitte an den MVV formuliert.

Reinhard Bauer.
Reinhard Bauer. © AZ-Archiv

Denn, es stimme zwar, dass das Fahrplanbuch auch in Zukunft abrufbar sei – jetzt dann eben digital. Das aber sei für viele ältere Menschen, die sich nicht mit Computern auskennen, keine Alternative.

Das bestätigt auch die empörte AZ-Leserin: "Ich habe in meinem Leben nie mit Computern gearbeitet", erzählt sie. Wenn sie jetzt zum Bahnhof geht, spekuliert sie, dass sich die Zeiten im Vergleich zum Vorjahr nicht geändert haben. "Man geht ja eh immer etwas früher." Zugfahren auf gut Glück.

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Gesunkene Nachfrage, gestiegene Druckkosten und der Umweltaspekt 

Was aber waren die Gründe für den MVV, das Buch nicht mehr zu drucken? Zum einen würde das Buch mit dem immer größer werdenden MVV-Gebiet unhandlich werden, wie eine MVV-Sprecherin auf AZ-Nachfrage erklärt. Weil gleichzeitig die Nachfrage gesunken sei und die Druckkosten gestiegen seien, würde sich die Produktion nicht mehr lohnen.

Hinzu komme der Umweltaspekt. "Wir sind deutschlandweit der letzte Verkehrsverbund, der ein solches Buch noch gedruckt hat. Auf Verbundstreffen wurden wir oft gefragt, was denn in München anders sei", ergänzt die Sprecherin. Auf die Frage, warum man die Änderung nicht besser kommuniziert habe, sagte die Sprecherin: "Das beantworte ich ungern, weil ich den Ärger nachvollziehen kann. Das tut uns leid!"

Der Preis sei für die Leute kein Problem 

Jetzt bleibt abzuwarten, ob der Antrag des Seniorenbeirats Erfolg hat. Ein Argument des MVV könnte dabei womöglich entkräftet werden: Denn der Preis sei für viele ältere Menschen nicht das Problem, wie Seniorenbeiratschef Bauer erklärt. Bislang kostete das Buch 3,50 Euro und Bauer sagt: "Uns sagen die Leute, sie würden auch 10 Euro zahlen."


Stadtratsfraktion fordert Wiedereinführung des Buchs

Die Fraktion aus der Linken und der Partei hat in einem Antrag von Dienst gefordert, dass das Fahrtenbuch wieder gedruckt wird. "Viele Menschen sind auf dieses Buch angewiesen, da sie keine Möglichkeiten haben, auf die digitalen Fahrpläne des MVV zuzugreifen", schreibt Stadträtin Brigitte Wolf.

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25 Kommentare
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  • wore am 31.01.2023 16:59 Uhr / Bewertung:

    Oft liegt das nicht an mangelnder technischer Kompetenz. Auch wer seit Jahrzehnten im Umgang mit Computern geübt ist, bekommt im Alter Probleme, die nicht technischer Art sind. Zum Beispiel lässt die Sehkraft nach und diese Mini-Displays sind dann nur noch schwer lesbar, ebenso ist die Bedienung der kleinen Touchpads nur noch mit einem Touchstick möglich und die sogenannte KI mit ihren selbstständigen Entscheidungen ist für ältere Menschen oft zu schnell und verwirrend.
    Das Fahrplanbuch habe ich mir damals, als es noch keine Computer gab, vielleicht 3-mal gekauft und danach nie mehr gebraucht. Heute genügt mir der kostenlose Mini-Fahrplan meiner Buslinie, damit ich die nächsten Verbindungen zu U- und S-Bahn weiß.

  • Witwe Bolte am 31.01.2023 16:51 Uhr / Bewertung:

    Als nächstes werden dann wohl die Telefonbücher zu Grabe getragen. Die gelben Seiten sind ja schon weitgehend
    beerdigt worden.
    In unserer Stadtteilbibliothek gibts auch immer weniger Bücher, DVD's und CD's. Vormittags seit neuestem kein Servicepersonal ansprechbar.
    Eigentlich können diese Büchereien bald alle zumachen. Die meisten Besucher sitzen vorm PC, ein paar wenige lesen dort SZ u. AZ, die halt kein Geld für ein Abo haben. Und auch die Kinderbuchabteilung wird nur spärlich besucht.
    Digitalisiering heisst das Zauberwort.

  • Sarah-Muc am 01.02.2023 12:28 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Witwe Bolte

    Als nächstes??? Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Telefonbuch gesehen geschweige denn in der Hand hatte!!!!

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