"Kein Bereich in München, wo noch nichts passiert ist": Ein Experte verrät, wo Einbrecher zuschlagen
München - Michael Rasp ist Kriminalhauptkommissar beim Kommissariat K105, zuständig für Prävention. Er ist seit 20 Jahren dabei und ein Spezialist in Sachen Einbruch und Vorsorge.
Herr Rasp, können Sie eine Wohnung betreten, ohne nach Schwachstellen zu schauen?
MICHAEL RASP: Ich kann privat gut abschalten, auch nach über 35 Jahren im Job und davon seit 20 Jahren in der "Einbruchschutzberatung". Wenn ich dienstlich in eine Wohnung komme, dann ist mir wichtig, mich mit den betreffenden Personen zusammenzusetzen, mit ihnen zu reden. Viele Opfer eines Einbruchs haben das Bedürfnis, mir gleich die Stellen zu zeigen. Ich muss aber erst erfahren, gegen wen man sich absichern will.
Wer bricht überhaupt ein?
Wir unterscheiden grob Gelegenheitstäter, das ist der Großteil. Die wollen es schnell und einfach haben. Wer auf zu große Probleme stößt, um in eine Wohnung einzudringen, geht lieber zum Nachbarn. Dann gibt es noch die absoluten Profis, die würden nur kommen, wenn sie wissen, da hängt ein Rembrandt an der Wand. Das sind Auftragsdelikte.
Kriminal-Experte aus München: Am besten nichts zuhause verstecken
Was sind gute Verstecke?
Empfehlen kann ich gar nichts, höchstens einen Tresor. Der sollte so viel Schutz wie möglich bieten. Er sollte neben hoher Qualität auch ein möglichst hohes Gewicht haben. Zudem soll er es durch eine ausreichend stabile Montage und Befestigung den Tätern möglichst schwer machen, ihn abzutransportieren. Die meisten Möbeltresore, wie man sie in Hotels oft findet, bieten dagegen kaum Schutz.
Und was sind schlechte Verstecke?
Alles wird gefunden. Egal ob Sie einen Revisionsschacht in der Wohnung wählen oder den Spülkasten der Toilette. Wo Täter immer nachsehen, ist der Kleiderschrank, aber auch Bücherwände, Verstecke im Badezimmer. Selbst im Gefrierschrank haben Leute schon ihre Wertsachen versteckt. Ich kann mich erinnern, dass eine Nachbarin so ein gefrorenes Bündel wegwarf, weil sie Schmuck für verdorbene Lebensmittel hielt.

Woran sollte man da denken?
Wichtig ist: Wie nutze ich die Sachen? Ist es Schmuck, den ich oft anlege, dann macht ein Platz im Safe im Keller wenig Sinn. Das ist zu umständlich. Dinge, die ich selten brauche, Dokumente, eine externe Festplatte mit wichtigen Daten als Backup beispielsweise, die sind gut in einem Bankschließfach aufgehoben. Es gibt reine Mietfachvermieter, da komme ich 24 Stunden, sieben Tage die Woche an meine Sachen ran.
Münchner Kriminalhauptkommissar: "Einbrecher gehen davon aus, dass es in jedem Haus etwas zu holen gibt"
Warum haben manche Leute so viel Geld zu Hause?
Ich gehe davon aus, dass es vielfach die Angst vor Strafzinsen war, die die Banken früher verlangt haben. Manchen Leuten fehlt vermutlich das Vertrauen in die Banken. Manche fürchten die große Krise. So wie im vergangenen Winter, als alle Angst vor dem Blackout hatten und fürchteten, ohne Strom kämen sie an ihr Geld nicht mehr ran.
Manche Leute sagen, bei ihnen sei nichts zu holen. Stimmt das?
Nein. Die Täter gehen davon aus, dass es in jedem Haushalt etwas zu holen gibt, ein bisschen Schmuck, etwas Geld, und sei es nur das Sparschwein aus dem Kinderzimmer.

Welche Objekte sind besonders gefährdet, nur Villen in Grünwald und im Herzogpark?
Alle Versuche, von der Optik eines Hauses, oder in welchem Viertel es steht, etwas abzuleiten, funktionieren nicht. Es gibt keinen Bereich in München oder dem Umland, wo noch nichts passiert ist.
Hinweise der Münchner Polizei: Das sind die schlimmsten Fehler, die man machen kann
Was sind die schlimmsten Fehler, die man Zuhause begehen kann?
Wenn man von außen mit einem Blick durchs Fenster schon erkennen kann, dass es da was zu holen gibt. Ein Tresor im Flur, den jeder Lieferant von der Haustür aus sieht. Oder eine Glasvitrine, in der die kostbare Uhrensammlung präsentiert ist. Das sind alles Dinge, die es zu vermeiden gilt.
Was halten Sie von Inventarlisten?
Die sind immer sinnvoll. Man sollte Fotos von Schmuck, Münzen, Gold etc. anfertigen, möglichst mit einem Zentimetermaß zum Größenvergleich. Man sollte Gravuren, Widmungen und andere Besonderheiten vermerken. Wichtig ist auch, Kaufbelege aufzuheben.
Und wo bewahre ich die Liste auf, damit sie nicht geklaut wird?
Bei einer Vertrauensperson. Die Liste packt man in einen Umschlag, den man mit einem Siegel versieht, damit man sicherstellt, dass das Kuvert nicht vorher geöffnet wurde.
Was tun, wenn man zuhause einen Einbruch bemerkt?
Wie reagieren Leute, die merken, da bricht gerade jemand bei mir ein?
Da gibt es welche, die haben schon einen Baseballschläger bereitstehen. Die gehen in die Offensive. Andere ziehen die Bettdecke über den Kopf und hoffen, dass alles schnell rum ist. Ganz wichtig ist, Licht einschalten. Dann weiß der Einbrecher, er ist nicht alleine. Dann sperren Sie sich im Zimmer ein, rufen die 110. Notfalls öffnen sie das Fenster und schreien laut Hilfe. Die meisten Einbrecher hauen sofort ab, sie meiden die Konfrontation.

Wie gehen Menschen damit um, dass bei ihnen eingebrochen wurde?
Manche stecken das schnell weg. Sie sagen, ich war nicht Zuhause, mir ist nichts passiert und den finanziellen Verlust kann ich verschmerzen. Andere traumatisiert die Verletzung ihres privaten Bereichs, ihres intimsten Rückzugsortes wie dem Schlafzimmer massiv. Die bekommen nachts kein Auge mehr zu. Bei manchen ist das Trauma so groß, dass sie nicht länger in der Wohnung sein können und umziehen.
Was wäre ein Warnsignal für ein Trauma?
Wenn die Gedanken auch nach längerer Zeit sich nur noch um das Thema Einbruch drehen. Manche gehen nicht mehr aus dem Haus, andere stornieren ihren Urlaub, weil sie ihr Zuhause nicht alleine lassen wollen. Mancher besucht keine Freunde oder Verwandten mehr. Wenn der Einbruch zum Lebensmittelpunkt wird, dann sollte man sich Hilfe suchen.
Wie reagiere ich als Angehöriger oder Freund?
Verständnis zeigen ist wichtig. Es ist normal, dass man nach einem Einbruch als Opfer verängstigt ist. Das kann Wochen andauern. Manche Opfer setzen sich selbst enorm unter Druck, weil die Nachbarn sagen, jetzt ist aber genug, das haben sie mir schon fünf Mal erzählt. Solche Bemerkungen aus dem Umfeld sind kontraproduktiv.
Tipps vom Experten: So sichert man sein Zuhause am besten
Wie sichert man sein Zuhause?
Der erste Schritt ist immer, es dem Täter so schwer wie möglich zu machen, dass er ins Haus oder in die Wohnung kommt. Türen und Fenster lassen sich oft technisch nachrüsten. Schlecht ist, wenn die Haustür mit einem massiven Sperrriegel gesichert ist, die Kellertüre aber aus dem Baumarkt ohne Sicherheitseigenschaften. Ein zweiter Schritt ist eine Einbruchmeldeanlage. Ein Bewegungsmelder, der einen akustischen Alarm auslöst, und zwar im Inneren des Hauses, kann einen Täter sofort vertreiben. Wenn dann auch noch eine Wachzentrale angeschlossen ist, die die Polizei verständigt, sind die Kollegen in wenigen Minuten da. Nützlich sind auch Lampen und Videokameras. Sie sollten eine unabhängige Stromversorgung haben und die Kameras sollten die Aufnahmen an ein Speichermedium übermitteln. Andernfalls klaut jemand die Kamera und damit gleich auch das Video. Bei allen Sicherungsmaßnahmen gilt, Qualität hat ihren Preis.

Was tut man, bevor man in Urlaub fährt?
Wichtig ist, es muss immer ein bewohnter Eindruck bleiben. Runtergelassene Jalousien, der Eingangsbereich eines Hauses, dem man ansieht, dass hier seit Tagen keiner mehr war. Das ist verräterisch. Im Winter bei Schnee brauche ich die Hilfe eines Nachbarn, der räumt oder zumindest ein paar Fußspuren hinterlässt. Der Postkasten muss immer geleert sein. Man kann mit Apps oder Zeitschaltuhren die Beleuchtung und Geräte in Wohnungen fernsteuern, das sieht aus, als sei jemand zu Hause.
Merkwürdige Ereignisse: Am besten Polizeinotruf 110 anrufen
Welche Rolle spielen Lage und Verkehrsanbindung?
Für manche Täter, die mobil sind, mag das ein Vorteil sein. Weil sie schnell mit der Beute weg sind. Es gibt aber auch Täter, die parken irgendwo ein Auto und gehen dann ganz gezielt in Wohngebiete mit kleinen Straßen.
Zugewachsene Gärten bedeuten Sichtschutz, auch für den Einbrecher?
Büsche und Hecken radikal zurückschneiden wäre gut, aber man will sich natürlich Zuhause auch wohlfühlen und mag es nicht, wenn von draußen jeder durchs Fenster schauen kann.
Worauf sollte ich in meiner Umgebung achten?
Autos und Personen, die nicht zur Nachbarschaft gehören, könnten ein Hinweis sein. Menschen, die Fotos schießen oder unter einem windigen Vorwand klingeln und banale Dinge erfragen. Bei merkwürdigen Ereignissen sollte man unbedingt den Polizeinotruf 110 wählen. Wenn's Bauchgefühl sagt, das ist aber seltsam, sollte man reagieren.