Kanzlerin Merkel auf großer München-Tour

"Das sage ich nicht mehr": Gut gelaunt und durchaus humorvoll spricht die Kanzlerin vor 1.500 Vertretern der bayerischen Wirtschaft.
von  Natalie Kettinger
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem Besuch am Dienstag in München.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem Besuch am Dienstag in München. © Matthias Balk/dpa

München - Die Königin ist zuerst da und nimmt dezent etwas weiter hinten im Saal Platz. Zwischen all den Anzugherren und Kostümdamen fällt sie trotzdem auf: dank des goldenen Krönchens, an dem perlmuttfarbene Trauben prangen. Selina Werner (20) ist die amtierende Fränkische Weinkönigin und wie die 1.500 Geschäftsleute, die nun ins Internationale Congress Center München (ICM) strömen, gekommen, um einen Vortrag der Kanzlerin zu hören.

Das Interesse am 39. Bayerischen Wirtschaftsgespräch sei so groß gewesen, dass die Veranstaltung kurzfristig vom Bayerischen Hof in die Messestadt verlegt werden musste, sagt Alfred Gaffal, Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw).

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist zum dritten Mal als Rednerin geladen, bei ihrer vbw-Premiere 2002 war sie noch Oppositionsführerin. Sie ist auf Wahlkampf-Tour – doch hier herrscht Wohlfühl-Atmosphäre. Dass die Bundesrepublik wirtschaftlich so gut dastehe, dass Deutschlands Ansehen in der Welt gestiegen sei, all das sei Merkels Verdienst, begrüßt Gaffal die CDU-Chefin. "Deutschland kann froh sein, Sie als Kanzlerin zu haben!"

Eine Kanzlerin, an welche die Wirtschaft Wünsche hat – etwa in Sachen Energiewende. Diese verursache bis 2015 über 500 Milliarden Euro Zusatzkosten, kritisiert Gaffal. "Unsere Strompreise sind im internationalen Vergleich viel zu hoch. Wir müssen dringend umsteuern." Auch die Russland-Sanktionen werden hier nicht gerne gesehen.

Außerdem wollen Bayerns Bosse für ihre Erfolge bei der Integration gelobt werden. Seit Januar 2016 habe man 40.000 Flüchtlinge in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gebracht und 4800 als Lehrlinge angestellt. Gaffal: "Trotzdem wird uns das Flüchtlingsthema noch lange beschäftigen." Bundeskanzlerin Angela Merkel weiß, was sich gehört – und beginnt ihre Rede mit einem "Dankeschön für die Integrationsleistung" der Freistaat-Firmen.

Sie beschwört Europa, spricht über die Globalisierung, sagt: "Auch ein transatlantisches Abkommen bleibt für mich auf der Tagesordnung." Die neue Administration in Washington sei zu solchen Verhandlungen durchaus bereit und: "Es hat sich immer wieder gezeigt, dass offene Märkte wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen, und zwar für alle Beteiligten." Internationale Wertschöpfungsketten dürften nicht behindert oder durchtrennt werden. "Wer das tut, schadet sich selbst."

Dann greift Merkel vieles auf, was man aus dem CDU-Programm kennt: Digitalisierung, Abbau des Solis, Steuererleichterungen für Familien, Förderung von Forschung und Entwicklung, Kampf gegen Terror. Über die Innere Sicherheit hingegen mag sie nicht sprechen. "Bayern ist da absolut führend. Laden Sie den Ministerpräsidenten noch mal ein", sagt sie lächelnd – und Horst Seehofer (CSU) schmunzelt zufrieden in der ersten Reihe.

Es geht überhaupt recht fröhlich zu an diesem Nachmittag. Einem Briten, der seit 25 Jahren in Deutschland lebt, rät Merkel: Er solle sich keine Sorgen machen, man werde im Brexit-Streit schon eine Lösung für Menschen wie ihn finden "und Sie nicht 2019 sofort nach Birmingham zurückschicken".

Sie erzählt, wie Papst Franziskus sie darauf aufmerksam gemacht habe, dass Europa "aus chinesischer Perspektive lediglich eine Asien vorgelagerte Halbinsel" sei. Und sie beendet ihre Rede mit den Worten: "Es gibt viel zu tun, aber das können wir – schaffen sage ich nicht mehr – hinbekommen."

Weinkönigin Selina Werner hat Merkels Vortrag beeindruckt. "Es war spannend – und sie sehr humorvoll", sagt sie anschließend. Und dass es ihr imponiere, dass Merkel sich trotz des aufreibenden Berufs ihre Lockerheit bewahrt habe.

Zu einem Foto von Königin und Kanzlerin kommt es nicht mehr. Letztere ist bereits weitergeeilt: zur Eröffnung der neuen Zentrale des Medizinsoftwareherstellers Brainlab.

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