Kalaschnikows für Paris: Vier Jahre für den Kurier?

München - Mit ausladenden Gesten erzählt der Mann, der im Verdacht steht, ein Terrorhelfer zu sein, von seiner Arbeit im Weinbau. Wie er die Reben zuschneidet, wie wenig er in seiner montenegrinischen Heimat verdient ("zwei Euro die Stunde") und wie sehr die Verdienstmöglichkeiten in der Branche vom Wetter abhängen: "Wenn es nicht regnet, arbeite ich 20 Stunden am Tag." Manchmal klopft Vlatko V. (51) auf den Tisch, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
Der Saisonarbeiter ist am 5. November 2015 von der Polizei auf einem Parkplatz bei Rosenheim kontrolliert worden. Kalaschnikows, Sprengstoff und Handgranaten – in seinem Wagen fanden die Beamten ein ganzes Arsenal. Laut Navi und der Notiz auf einem Zettel, den die Polizei im Wagen fand, war der Mann auf dem Weg nach Paris. Um die Terroristen des 13. November mit Waffen zu versorgen?
Blick in den Motorraum: So waren die Waffen im Wagen versteckt. Foto: Polizeipräsidium Oberbayern Süd/dpa
Die zeitliche Nähe legt diesen Verdacht nahe, glaubt Staatsanwalt Wolfram Schütz. Außerdem konnte der Angeklagte aufgrund der Art und der Menge der Waffen und der Pariser Anschläge vom Januar 2015 ("Charlie Hebdo") laut Anklage davon ausgehen, dass damit ein terroristischer Anschlag verübt werden sollte.
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Weil er im Auto eingeschlafen ist, fiel er der Polizei auf
Deswegen der Anklage-Vorwurf der Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Bezüge zu den dortigen Attentätern fanden die Ermittler aber bis heute nicht. Auch das französische Telefon mit dem Vlatko V. angerufen wurde, konnte niemandem zugeordnet werden.
So bleibt die Beweislage dünn. Der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann vermisst konkrete Hinweise auf eine Verbindung zu den Terroristen des 13. November erkennen. In einer Prozesspause meldeten die Richter in einem Rechtsgespräch mit den Parteien "erhebliche Bedenken" an, ob der Angeklagte wegen Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat verurteilt werden kann.
Sie schlugen eine Verständigung vor. Bei einem Geständnis dürfe Vlatko V. mit einer Haftstrafe um die vier Jahre rechnen. Beide Seiten und auch der Angeklagte stimmten der Verständigung anschließend zu.
Vlatko V. ließ seinen Anwalt Markus Frank danach dem Gericht mitteilen, er habe von einer größeren Menge von Waffen in seinem Wagen gewusst. Aber so Frank weiter: "Er wusste nicht, wofür diese dienen sollten." Weitere Fragen, die vielleicht mehr Licht in die Hintergründe des Waffentransports gebracht hätten, sollten nicht beantwortet werden.
Der 51-Jährige hatte am 5. November 2015 auf dem oberbayrischen Parkplatz angehalten und war dort im Auto eingeschlafen. Ein Polizist berichtet am Freitag im Zeugenstand, wie er und seine Kollegin sich dann entschlossen hätten, den Wagen zu kontrollieren.
Im Leihwagen entdeckten die überraschten Beamten Handgranaten, mehrere Kalaschnikow-Gewehre, Pistolen, Revolver, Munition sowie TNT-Sprengstoff samt Zünder. Im Navigationsgerät war eine Adresse in Paris als Ziel eingegeben. Doch auch diese führte nicht zu den Auftraggebern des Waffentransports.
Die Beweisaufnahme kann nach dem Geständnis kurz gehalten werden. Außer den Ermittlern soll aber auch ein Stadelheimer Mitgefangener noch als Zeuge befragt werden. Das Urteil könnte dann wie geplant am 30. September gesprochen werden.