Jutta Speidel spricht im Interview über den Europatag in München

Sie ist eine Frau, die für ihre Überzeugungen einsteht: Schauspielerin und Buchautorin Jutta Speidel (63) hat vor 20 Jahren die Initiative Horizont e.V. für obdachlose Mütter und deren Kinder gegründet. Für ihr Engagement erhielt sie unter anderem das Bundesverdienstkreuz.
Doch Speidel ist nicht nur sozial engagiert. Sie ist auch leidenschaftliche Europabefürworterin – nicht nur wegen ihrer internationalen Liebe zu Exfreund Bruno Maccallini. Sie wirkt auch aktiv am heutigen Münchner Europatag auf dem Marienplatz mit. Der AZ erzählt sie, warum ihr Herz für Europa schlägt – und warum viele andere Herzen gerade jetzt mitschlagen müssen.
AZ: Frau Speidel, erinnern Sie sich noch, wie das Reisen vor der Reisefreiheit der EU war?
JUTTA SPEIDEL: Selbstverständlich. Mein Vater ist in ganz vielen Ländern aufgewachsen, denn mein Großvater hat Bergwerke eingerichtet. Somit ist mein Vater in der Türkei, in Griechenland und in Italien aufgewachsen. Wenn du in die Türkei oder nach Griechenland wolltest, musstest du ja noch durch den Autoput, diese zopfgerade Straße. Da waren Grenzen, immer musstest du warten, es hat endlos gedauert. Ich habe vor einigen Jahren eine Reise gemacht von München nach Thassos und bin über die albanischen Berge gefahren, durch Dalmatien und Mazedonien und Montenegro. Da hat man es noch gespürt. Weil du an jeder Grenze wieder eine Stunde gestanden bist. Und da habe ich gedacht: Mein Gott, was für eine herrliche Zeit, in der wir leben, einfach durchfahren zu können!
Fühlen Sie sich denn als Europäerin oder als Deutsche?
Ich bin natürlich eine Deutsche, Aber für mich war es selbstverständlich, mal kurz nach England oder nach Frankreich zu fahren. Nach Österreich oder Frankreich zum Skifahren zu fahren, das ist ja für uns alles Easy Going gewesen. Ein kleiner Zeitaufwand, nicht mehr.
Zurzeit ist diese Freiheit aber in Gefahr, etwa durch Le Pen in Frankreich. Welchen Wahlausgang wünschen Sie sich am Sonntag?
Macron ist natürlich die einzige Alternative. Stellen Sie sich mal vor, was bei uns für ein Rechtsaufschwung passiert, wenn in Frankreich Le Pen an die Macht kommt.
Wie kritisch sehen Sie den Rechtsruck in Deutschland?
Dieser Rechtsruck passiert von einer Reihe von Menschen, die im Grund genommen nur aus der Demokratie ihre Vorteile gezogen hat. Ich war vor kurzem auf Usedom, eine Insel, die in der vollen Blüte steht, mit Tourismus. Da ist die höchste Anzahl der AfD Wähler. Das geht doch überhaupt nicht. Die Leben von der Demokratie, von diesem vereinten Europa. Wie kann man nur?
Haben Sie manchmal Angst, dass es wieder Krieg in Europa gibt?
Solange mit Atomwaffen und mit Macht so umgegangen wird, wie das jetzt verschiedene Fürsten dieser Erde tun, besteht wirklich die Gefahr, dass das irgendwie eskaliert. Weil sie überhaupt nicht begreifen, um was es eigentlich wirklich geht. Eine Vernichtung mit Atomwaffen würde niemanden auf dieser Erde ausnehmen.
Sieht man Sie auch auf Demos der Pro-Europa-Bewegung "Pulse of Europe" in München?
Ich war bei zwei Kundgebungen, ich hatte leider nicht mehr Zeit, aber ich habe es verfolgt. Ich finde das einfach eine tolle Bürgerbewegung und ich habe da auch unterzeichnet.
Wenn Sie einen Werbespot für Europa drehen müssten, wie würde der aussehen?
Ich habe bereits einen Spot gedreht, und darin habe ich die Geschichte meines Vaters erzählt. Und dass ich alleine schon deshalb ein absoluter Demokrat vom Denken her bin.
Warum ist es gerade jetzt wichtig, einen Europatag zu veranstalten?
Weil wir kurz vor der französischen Wahl stehen und letztendlich auch in eine deutsche Wahl hineingehen. Esist wichtig, dass die Menschen aufwachen und sagen: Hört mal, hier geht es um wirklich wichtige Dinge. Hier geht es nicht nur um ein Spiel: Wer hat die Macht? Sondern es geht darum, dass wir unser Leben verändern werden, wenn wir nicht mehr Europa gemeinsam haben. Es ist wichtig, dass Europa an einem Strang zieht. Es geht um Wirtschaft, es geht aber vor allem um die Menschen, um Freiheit und um die Demokratie der Menschen in europäischen Ländern. Dass sie das leben dürfen, dass sie frei und nicht in Ängsten sind.
Europatag in München: Freiheit, Menschenrechte, Party
Am Freitag feiert München den Europatag von 13 Uhr bis 19.45 Uhr auf dem Marienplatz. Um 13.30 Uhr begrüßt Bürgermeister Josef Schmid die Gäste.
Anschließend gibt es Volkstänze, Videobotschaften von Promis zu Europa, Talkrunden mit EU-Parlamentariern (Prof. Dr. Angelika Niebler, Prof. Dr. Klaus Buchner, Maria Noichl, Barbara Lochbihler) und ein Kinderprogramm mit Spielen und Fragen rund um Europa. Auf der Bühne stehen Wigald Boning, Tommy Krappweis und Jutta Speidel, ab 17.30 Uhr spielen die Münchner Bands JB’s First und Tula Troubles.
Der Tag soll an die europäischen Werte von Freiheit, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit erinnern und wird veranstaltet vom Informationsbüro des Europäischen Parlamentes in München.
Wahltag in Frankreich – Münchner werben für Europa
Lesen Sie auch: Erfolgsdruck - Umfrage zeigt: München überfordert Jugendliche