Junges Paar flüchtet vor Silberfischchen-Plage
Die ersten krabbeln aus der Küche, dann drängen die Silberfischchen im Schlaf-, im Arbeits- und im Wohnzimmer aus dem Parkett ins Freie. Jennifer L. sieht, wie sie an manchen Stellen bis zur Decke hinaufkriechen, auf der Couch liegen und sich sogar in der Küche tummeln, dort, wo sie sonst Fleisch und Gemüse schneidet.
MÜNCHEN - Nach nur wenigen Tagen sind es über 40 Silberfischchen – am Tag. Die Wohnung in Untermenzing ist das erste gemeinsame Heim von Jennifer L. (21) und Alexander M. (27). Sie sind hier aber ganz und gar nicht unter sich. „Hunderte“ Silberfischchen vermutet das Paar unterm Parkett.
Nach nur einem Monat ziehen die beiden wieder aus. Der ganze Ärger aber verfolgt sie weiter.
Der kaufmännische Angestellte und die medizinische Fachangestellte zogen im Oktober ein. Kurz darauf kündigten sie wegen des Ungeziefers fristlos. Der Vermieter erkennt das nicht an – er fordert eine ordentliche Kündigung und die nächsten drei Monatsmieten. Auch die Kaution in Höhe von 1740 Euro hätten Alexander M. und Jennifer L. noch nicht wiederbekommen.
Schädlinge im Haushalt: Die besten Mittel
Zusammen mit der Ablöse der Einbauküche, Maklerprovision, Kosten für den Auszug und den Rechtsanwalt haben sie schon jetzt fast 6000 Euro verloren. Die erste Wohnung zu zweit – „ein Albtraum“, klagt Alexander M.
Dabei rührte sich das Paar recht schnell beim Vermieter und der Hausverwaltung. Am 4. Oktober rufen sie bei der Hausverwaltung an. Die gibt laut Alexander M. zu, von den Silberfischchen zu wissen. Tatsächlich hatte die Vormieterin die Firma in einer E-Mail vom 17. Mai über das Problem unterrichtet. Die Frau schreibt, sie habe eine Falle aufgestellt, „es waren zum Schluss etwa 20 Fischchen pro Woche“.
Die Hausverwaltung nahm das Schreiben der Vormieterin zur Kenntnis – in der Antwort zur E-Mail steht: „Ihr Schreiben haben wir in Ihrer Mieterakte abgelegt.“ Maßnahmen gegen die Silberfischchen ergriff die Hausverwaltung anscheinend nicht – der Vermieter, ein Privatier aus Kassel, will sich auf AZ-Anfrage dazu überhaupt nicht äußern.
Am 5. Oktober verlangt Alexander M. telefonisch nach einem Kammerjäger. „Der ist aber nie gekommen.“ In der Zwischenzeit habe das Paar auch herausgefunden, „dass Teile des Parketts schimmeln und die Wände feucht sind“, sagt Alexander M.
Am 13. Oktober kündigt er den Mietvertrag wegen „arglistiger Täuschung“ fristlos – was der Vermieter per Brief anfechtet: Es sei „nicht gerechtfertigt, aus dem Vorkommen von Silberfischchen, selbst in größerem Umfang, einen unbewohnbaren Zustand der Wohnung abzuleiten“.
Das Paar fühlt sich unfair behandelt: „Es war bekannt, dass in der Wohnung Ungeziefer ist“, sagt Alexander M. „Dennoch hat niemand etwas dagegen unternommen, die Wohnung wurde einfach wieder weitervermietet. Alle Beteiligten haben an uns verdient, und wir bleiben auf dem Schaden sitzen.“ Die zwei haben sich einen Anwalt genommen, haben aber kaum Geld, um ihn zu bezahlen.
Deshalb hätten sie gerne die Provision des Maklers zurück. In der Anzeige wurde die Wohnung schließlich als „komplett renoviert“ angepriesen – „mit neuem Laminat“. Auch das sehen die beiden als Täuschung. Der Makler aber weist auf AZ-Anfrage alle Schuld von sich. „Es ist nicht meine Aufgabe, Wohnungen nach Silberfischchen zu überprüfen – schon gar nicht unterm Parkett!“
Jetzt lebt das Paar in einer Wohnung in Sendling. „Es ist zwar eine ganz andere Ecke“, sagt Alexander M., „aber ganz schön.“ Jennifer L. ergänzt: „Das Wichtigste aber ist: Wir haben hier noch kein einziges Silberfischchen gesehen.“
Das rät der Mieterverein
Wer Ungeziefer im Haus hat, sollte nicht überreagieren, rät Anja Franz vom Mieterverein. „ Mieter müssen dem Vermieter als Erstes die Möglichkeit geben, den Mangel zu beheben – etwa mit einem Kammerjäger.“ Sollte das nach einer Woche nicht geschehen sein, könnten Mieter selbst einen Kammerjäger rufen und die Kosten von der nächsten Miete abziehen. „Das nennt sich Ersatzvornahme und ist absolut üblich“, so Franz.
Alternativ ist es auch möglich, die Miete zu mindern – um „etwa zehn Prozent“, sagt Franz. Zunächst müsse man dem Vermieter aber ankündigen, dass man die Miete nur unter Vorbehalt zahlt. Bei der nächsten Monatsmiete könne man rückwirkend für die Zeit, in der es Mängel gab, einen Teil der Miete einbehalten.
Eine fristlose Kündigung ist meist keine gute Idee. Franz: „Es kommt je nach Fall darauf an, wie extrem der Befall ist.“ Selbst ein Befall von 40 Silberfischchen am Tag sei nicht unbedingt ein zwingender Grund dafür.
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