Jung an Krebs erkrankt: Zwei Betroffene erzählen

Wer jung erkrankt, den trifft die Diagnose hart. Ein neues Netzwerk soll helfen. Zwei Betroffene erzählen, wie sie neue Hoffnung schöpfen.
von  S. Anfang
Mariela Petkova und Sebastian Maier besiegten beide in jungen Jahren den Krebs.
Mariela Petkova und Sebastian Maier besiegten beide in jungen Jahren den Krebs. © Daniel von Loeper

Krebs ist keine Diagnose, die man leicht wegstecken kann. Schon gar nicht, wenn man jung ist, gerade die Welt erobern will – und die Krankheit einen in voller Fahrt ausbremst. 1300 Bayern zwischen 15 und 35 erkranken jährlich an Krebs. Sie haben gute Therapiechancen und doch ganz spezielle Herausforderungen. Ein neues Netzwerk soll ihnen helfen.

„Junge Menschen neigen eher dazu zu sagen, jetzt pack ich’s an“, sagt Wolfgang Hiddemann, Medizinprofessor an der Uniklinik. Trotzdem: Für sie bedeutet die Diagnose einen dramatischen Einschnitt in ihr bisheriges Leben. Ihre Heilungschancen stehen mit 80 Prozent recht gut, aber die Therapie birgt Risiken. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie erneut an Krebs erkranken ist erhöht, auch andere Folgeerkrankungen können entstehen.

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Dazu kommt das Soziale: Die Familienplanung gerät ins Schwanken. „Ende Mai hatten wir einen 19-Jährigen, der an Leukämie erkrankt ist“, sagt Hiddemann. Sein Zustand war kritisch. Trotzdem wollte er die Chemotherapie nicht beginnen, bevor ihm nicht Spermien entnommen werden. Der Krebs machte auch das schwierig.

Andere treffen auf Schwierigkeiten im Beruf oder in der Ausbildung. Wer mehrere Monate ausfällt, weil er krank ist, findet oft nicht mehr leicht an seinen Platz zurück. „Wir haben Menschen, die müssen wieder ganz von vorne anfangen“, sagt die Leiterin der Psycho-Onkologie an der Uniklinik, Pia Heußner. Das drückt aufs Gemüt. Nur: Sich helfen lassen ist schwer. Psychologische Unterstützung zahlen die Krankenkassen nur, wenn ein Psychotherapeuten eine psychische Erkrankung feststellt. Also dann, wenn der Krebs sich schon in die Psyche gefressen hat.

Bei 68 000 neuen Krebsfällen in Bayern fallen die gut Tausend jungen Patienten erst einmal nicht ins Gewicht. Das ist auch der Grund dafür, weshalb ihre speziellen Sorgen und Nöte lange nicht viel Beachtung gefunden haben.

Das ändert sich. Zusammen mit dem Verein Lebensmut will die Bayerische Krebsgesellschaft ein Netzwerk für junge Erwachsene aufbauen. Patienten und Menschen, die die Krankheit besiegt haben soll dort ein Raum geboten werden, um miteinander in Kontakt zu kommen. Ein erstes Treffen findet am 20. Oktober statt. Was das Ergebnis sein wird, ist noch nicht absehbar, sagt Markus Besseler von der Krebsgesellschaft: „Wir werden schauen, was wir gemeinsam auf die Beine stellen.“

Sicher ist: Das Netzwerk soll jungen Betroffenen helfen.

Zwei von ihnen erzählen in der AZ ihre Geschichte:

„Ich habe mir bewiesen, dass ich stark bin“

Am Anfang waren es Schmerzen in der Brust. Vergangenen September war das. Mariela Petkova ging zu ihrem Hausarzt. Was kann es schon Schlimmes sein, wenn man erst 25 ist? Doch das Röntgenbild zeigte Beunruhigendes: Schatten auf der Lunge, ein Zeichen für Tuberkulose. Eineinhalb weitere Monate dauerte es, bis Petkova eine klare Diagnose hatte: Morbus Hodkin, ein Krebs, der das lymphatische System befällt, zu dem etwa Lymphknoten, Milz und Rachen zählen.

„Ich war geschockt“, erzählt die 25-Jährige, „aber ich habe es einfach akzeptiert.“ Sie wirkt zierlich mit ihrem feinen Gesicht, den großen, dunklen Augen und dem geblümten Oberteil. Ihre Haare sind noch kurz, nachgewachsen nach der Chemotherapie. Das normale Leben, oder das, was sich daran annähert, kommt langsam zurück. Petkova arbeitet wieder Vollzeit in ihrem Ausbildungbetrieb, einem Hotel in München. „Ich habe erst mit drei Stunden pro Tag angefangen, dann vier, dann sechs“, erzählt sie. Inzwischen sind es reguläre acht. Ganz weg aus dem Betrieb war sie auch während ihrer Behandlung im Klinikum Harlaching nicht. Die angehende Hotelfachfrau lernte trotz der Nebenwirkungen der Bestrahlung die weiter. Sie wollte sich ein Stück Normalität erhalten. Mit Bauchschmerzen und Übelkeit saß sie in der Berufsschule: „Es hat mir Kraft gegeben, alle Kollegen zu sehen.“

Kraft konnte sie gebrauchen, trotz des Zuspruchs ihrer Freunde, ihrer Familie. Die Zeit der Behandlung zwischen Oktober und März waren harte Monate. Phasen der Hoffnung mischten sich mit Momenten, in denen die junge Frau niedergeschlagen und depressiv war. Denn da war ja nicht nur die Therapie, sondern auch die Sorge um die Zukunft und ihr Kinderwunsch. Petkova ließ sich einen Teil der Eierstöcke einfrieren. 6000 Euro kostete die Behandlung insgesamt, viel für eine Auszubildende. Doch die Kassen übernehmen solche Kosten nicht. Petkova findet das furchtbar: „Ich bin 25 und möchte natürlich einmal eine Familie gründen.“ Stiftungen übernahmen schließlich einen Teil der Kosten.

Die junge Frau hat sich von alldem nicht zermürben lassen. Im Gegenteil: „Ich habe mir selbst bewiesen, dass ich stark und tapfer bin.“ Jeden Tag versuchte sie, mit einem Lächeln aufzustehen, sich zu schminken und bunt anzuziehen. Sogar ein Fotoshooting hat sie von sich machen lassen, mit Glatze. Und einen Bungee-Jumping-Sprung hat sie gewagt – in ihrer Heimat, dem bulgarischen Warna am schwarzen Meer. Petkova lächelt, als sie das erzählt: „Die Krankheit hat mir irgendwie Lust gegeben, neue Sachen auszuprobieren.“

„Etwas bleibt immer da“

Sebastian Maier war 23 Jahre, sein Geburtstag erst ein paar Wochen her, als er merkte: Irgendwas stimmt nicht mit mir. Schmerzen hatte er nicht, nur so ein vages Gefühl der Unausgeglichenheit: „Ich fühlte mich topfit“, sagt der heute 31-Jährige aus Bad Bayersoien. Er ging zu Training, Eishockey, arbeitete im Autohaus seiner Eltern. Als er seinen Arzt hinzuzog, sah es im erst so aus, als wäre der Krebs noch nicht ausgebrochen. Ein Fehler.

Der Hodenkrebs war da, wie Ärzte wenig später feststellten. Für Maier begann eine Zeit der Operationen und Chemotherapie. In vier Zyklen bekämpfte er die Krankheit mit Artzney. Dazu kamen drei Operationen, eine davon so kompliziert, dass kein Arzt sich daran wagte. Nach drei Monaten Wartezeit setzten Spezialisten aus dem Klinikum Rechts der Isar doch das Skalpell an.

Maier ist kein Typ, der sich davon aus der Bahn werfen lässt. Er hat etwas stoisches an sich, einer, der die Dinge nimmt, wie sie kommen und weitermacht.

Vor seiner dritten OP war er mit Freunden in Italien, um Motocross zu trainieren. „Na ja, trainieren...“, sagt der 31-Jährige und schmunzelt. Eher: Mitfahren, so gut es eben ging.

Ohne seine Freunde, da ist sich Maier sicher, wäre es schwieriger gewesen. Keiner ließ ihm im Stich, auch wenn ein Kumpel es nicht schaffte, ihn im Krankenhaus zu besuchen. „Er konnte das nicht ansehen“, sagt Maier. Die beiden sind heute noch befreundet.

Die Krankheit hat den 31-Jährigen verändert, nur wie genau, vermag er nicht zu sagen. Dass der Krebs wiederkommt glaubt er nicht, ganz verlassen hat er ihn trotzdem nie: „Ich habe keine Beschwerden, aber es ist immer da.“

 

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