Journalist berichtet während IAA von Hausbesetzung: Prozess!

Während der IAA-Proteste hat Michael Trammer Aktivisten in ein leerstehendes Gebäude begleitet. Am Donnerstag muss er vor Gericht.
John Schneider
John Schneider
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
10  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Michael Trammer bei seiner Festnahme im September in der Karlstraße.
Michael Trammer bei seiner Festnahme im September in der Karlstraße. © Iván Furlan Cano

München - Am Donnerstag muss Michael Trammer in München vor Gericht erscheinen. Der Grund: Der freie Journalist (27), der für die Berliner "Taz" von den Protestaktionen gegen die Automesse IAA im September des vergangenen Jahres berichten sollte, war mit Aktivisten über ein rückwärtiges Fenster in ein leerstehendes Haus in der Karlstraße eingedrungen.

Als ein Demozug am Haus vorbeikam, entfalteten die Aktivisten im Haus Transparente und kletterten an der Fassade. "Ich war an keiner der Protestaktionen beteiligt", sagt Trammer, "auch nicht organisatorisch." Er sei lediglich als Reporter vor Ort gewesen.

IAA-Proteste: Polizei bringt Journalisten in die Ettstraße

Trotzdem habe ihn die Polizei, die das Haus nach wenigen Minuten geräumt hatte, zur Ettstraße gebracht, ihn dort über Stunden festgehalten und ein Betretungsverbot für die IAA ausgesprochen - das später zurückgenommen worden sei. Seine Arbeit sei von der "übertriebenen Polizeiaktion" massiv behindert worden: "Man hätte mich auch einfach weitermachen lassen können."

Damit nicht genug, stellte der Hauseigentümer, der Staatsbetrieb Immobilien Freistaat Bayern, im Nachhinein Strafantrag. Die Staatsanwaltschaft musste ermitteln und kam zu dem Schluss: Trammer hat Hausfriedensbruch begangen. Es wurde ein Strafbefehl über 1.600 Euro erlassen. Trammer legte Einspruch ein. So dass es jetzt zur Verhandlung vor dem Amtsgericht kommt.

Auftraggeber und Gewerkschaft unterstützen Trammer

"Ich musste abwägen zwischen Hausrecht und öffentlichem Interesse", erklärt Trammer im AZ-Gespräch, warum er an jenem Tag mit in das Haus gegangen war. Das öffentliche Interesse habe für ihn überwogen.

Michael Trammer.
Michael Trammer. © privat

"Wenn ich über ein besetztes Haus informieren möchte, muss ich es auch betreten. Alles andere würde bedeuten, nicht zu wissen, worüber man berichtet", sagt Trammer.

Unterstützung erhält er unter anderem von seinem Auftraggeber, der "Taz" und der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju).

Ein vermummter Demonstrant ist vor dem besetzten Haus auf einen Baum geklettert.
Ein vermummter Demonstrant ist vor dem besetzten Haus auf einen Baum geklettert. © Kneffel/dpa

Die Gewerkschaft fordert den Freistaat auf, noch vor der anstehenden Verhandlung beim Amtsgericht den Strafantrag zurückzunehmen. Trammer, dessen Fotos in der Vergangenheit auch schon in der AZ erschienen sind, habe das Gebäude lediglich betreten, um einen unmittelbaren Eindruck vom Geschehen zu gewinnen.

Dju-Bundesgeschäftsführerin Monique Hofmann, erklärt in einer Pressemitteilung, dass der Freistaat unerwünschte Berichterstattung durch das Strafverfahren nachträglich sanktionieren wolle: "Journalistinnen und Journalisten müssen ungehindert über Vorgänge berichten können, die für die Öffentlichkeit relevant sind. Dies trifft auf die Proteste rund um die IAA zweifellos zu. Das dafür nötige umfassende Bild kann jedoch nur so nah wie möglich am Geschehen entstehen", begründet sie ihre Kritik.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

"Anstatt ohne Not die Staatsanwaltschaft einzuschalten", so Hofmann, "hätte das Land Bayern im Sinne der grundgesetzlich garantierten Pressefreiheit den Zugang zu seinem ohnehin leerstehenden Gebäude nachträglich gewähren können."

Rechtsanwalt Jasper Prigge, vertritt Trammer vor dem Amtsgericht. Auch er hofft, dass der Prozess in letzter Minute noch abgeblasen wird: "Denn Immobilien Freistaat Bayern kann den Strafantrag jederzeit zurücknehmen."

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
10 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Der wahre tscharlie am 04.05.2022 16:59 Uhr / Bewertung:

    Erst gestern wurde im TV berichtet, dass Deutschland in Sachen Pressefreiheit von Platz 13 auf Platz 16 abgerutscht ist.

    "Wenn ich über ein besetztes Haus informieren möchte, muss ich es auch betreten. Alles andere würde bedeuten, nicht zu wissen, worüber man berichtet", sagt Trammer.

    Genau das ist der Punkt!
    Aber ich vermute mal, die Politik möchte nicht, dass darüber berichtet wird. Zweck Nachahmer-Effekt. Psychologisch betrachtet, kann man durch solche Aktionen die Journalisten auch "abschrecken", nicht das wieder ein Anderer über eine Hausbesetzung berichtet.

    In Anbetracht der 11 Monate auf Bewährung für einen aufgespannten Regenschirm, könnte es für den Journalisten richtig happig werden. In Bayern kennt man da kein Pardon.

  • Stadtbummler am 04.05.2022 11:59 Uhr / Bewertung:

    Die Pressefreiheit ist ein wertvolles Gut und essentiell für eine Demokratie.
    Daraus kann man jedoch kein Recht ableiten, selbst Straftaten zu begehen.
    Nächstens begleitet er einen Banküberfall zu dem ihn die Räuber mitnehmen, weil er Fotos zeigen möchte?

  • Der wahre tscharlie am 04.05.2022 17:05 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Stadtbummler

    Zur Erinnerung........Das Geiseldrama von Gladbeck. Das war eines der schlimmsten Verbrechen in derr BRD. Wurden da die ganzen Journalisten, die die Arbeit der Polizei behinderten, angeklagt?

    Der Journalist in diesem Fall hier, hat sich "nur" in dem Haus befunden und über die Hausbesetzung berichtet. Sonst nichts.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.