Joseph Vilsmaier: "Die Bavaria wird meine Film-Mutter bleiben"

Joseph Vilsmaier hat sechs Filme in der Filmstadt gedreht und erzählt im letzten Teil der AZ-Serie, wie er als Assistent begann und über was er ein Buch schreiben will.
von  Sven Geißelhardt
1994 sah Vilsmaier in der Bavaria doppelt und drehte den sehr erfolgreichen Kinderfilm "Charlie & Louise – Das doppelte Lottchen".
1994 sah Vilsmaier in der Bavaria doppelt und drehte den sehr erfolgreichen Kinderfilm "Charlie & Louise – Das doppelte Lottchen". © dpa/SAT. 1

München - Vom Materialassistenten bis zum Regisseur: Joseph Vilsmaier hat sich in der Bavaria Filmstadt über zwölf Jahre hinweg hochgearbeitet und zählt heute mit Filmen wie "Stalingrad", "Charlie & Louise" und "Comedian Harmonists" zu den Top-Regisseuren Deutschlands. Am Donnerstag feierte er seinen 80. Geburtstag.

Im Interview mit der AZ blickt Vilsmaier auf die Grünwalder Jahre seine Karriere zurück, die er noch lange nicht abgeschlossen hat.

AZ: Herr Vilsmaier, Sie haben in der Bavaria 1961 als Materialassistent begonnen. Für welche Produktion haben Sie damals gearbeitet?
JOSEPH VILSMAIER: Das war die Ludwig-Thoma-Verfilmung von "Der Ruepp" durch Franz-Peter Wirth.

Sie haben sich dann ganz klassisch zum Kameraassistenten bis hin zum Kameramann und Regisseur hochgearbeitet. Hat Sie diese Arbeit umfangreicher ausgebildet als zum Beispiel ein Regiestudium an der HFF München?
Das kann man nicht vergleichen, aber ich finde, dass ich großes Glück hatte, eine so umfassende Ausbildung in der Bavaria bekommen zu haben.

Joseph Vilsmaier hatte in seiner Karriere viel Glück

Wäre denn solch ein Werdegang durch verschiedene Positionen beim Film heutzutage noch möglich?
Das glaub ich nicht. Ich hatte mich in zwölf Jahren vom Materialassistenten zum Kameramann hochgearbeitet. An der HFF dauert die Ausbildung vier Jahre. Was nicht abwertend gemeint ist, aber nach der HFF fängt die Praxis an – und die ist für manche bestimmt schwieriger als mein damaliger Weg.

Percy Adlon hat mal gesagt, er würde heutzutage niemals den Weg ins Filmgeschäft wagen, da es sehr viel härter ist als früher. Wie sehen Sie das?
Es ist heutzutage sehr, sehr schwer, in den Beruf einsteigen zu können, und ich wiederhole mich: Ich habe wahnsinnig viel Glück gehabt.

"Alle meine Filme sind auch meine Kinder"

Sie haben seit ihrem Regiedebüt "Herbstmilch" 1989 insgesamt sechs Filme in der Bavaria gedreht, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Welche Produktion war für Sie die spannendste?
Ich habe so viele Filme in der Bavaria gedreht und wenn Sie fragen, welche Produktion am Spannendsten war, kann ich nur sagen – das ist wie mit Kindern! Ich habe drei Töchter und ich liebe alle gleich. Und genauso geht es mir mit Filmen. Alle meine Filme sind auch meine Kinder.

Filmemacher und kreative Menschen werden klischeehaft immer als etwas verrückt bezeichnet. Sehen Sie das auch so?
Was mich angeht: Ich war mein Leben lang verrückt und das werde ich auch bleiben.

Was war denn die skurrilste Situation, die Sie in Ihrer Zeit in der Filmstadt erlebt haben?
Ich hab während meiner Zeit in der Bavaria so viele spannende und witzige Geschichten erlebt, das wäre genügend Stoff für ein Buch – und es ist nicht ausgeschlossen, dass ich das vielleicht sogar irgendwann mache.

Einmal Bavaria, immer Bavaria

Sie haben in Ihrer Karriere mit so vielen berühmten Schauspielern zusammengearbeitet. Gibt es denn jemanden, den Sie nicht vor die Kamera bekommen haben, mit dem Sie aber unbedingt mal drehen wollen?
Nein! Ich hab immer gekriegt, wen ich wollte.

Die Angestellten der Bavaria Filmstadt identifizieren sich sehr stark mit ihrem Arbeitsplatz. Sehen Sie sich denn immer noch als Bavarianer? Einmal Bavaria, immer Bavaria?
Stimmt. Die Bavaria ist meine Film-Mutter und das wird immer so bleiben.

Bei ihren Filmen machen Sie viel selbst und übernehmen die Rolle des Kameramanns, Produzenten und Regisseurs. Wie schaffen sie diese Dreifachbelastung? Gibt es Sie in dreierlei Ausfertigungen?
Ich empfinde das nicht so. Der Vorteil ist, dass ich in diesen Bereichen nichts erklären muss. Ich weiß ja, was ich brauche und will.

Joseph Vilsmaier plant neuen Spielfilm

Ihre letzten Filme waren Dokumentationen über Bayern und Österreich. Wie unterscheidet sich diese Arbeit von der Produktion eines Spielfilmes?
Ich wollte einfach mal was anderes machen und dann hatte das mit "Bavaria Traumreise durch Bayern" eine solche Eigendynamik entwickelt, dass ich auch "Österreich von oben und unten" und zuletzt "Bayern – Sagenhaft" gemacht habe. Das Schöne daran war, dass man wunderbare Menschen getroffen hat und grundsätzlich viel gelernt hat über Brauchtum und Traditionen.

Haben Sie in der Zukunft auch mal wieder einen Spielfilm geplant?
Und ob. Der Titel ist "Der Boandlkramer und die ewige Liebe".

"Was ist Film? Emotion!"

Die Bavaria hat dieses Jahr 100-jähriges Jubiläum gefeiert. Zu diesem Anlass wurde auf dem Filmgelände eine Straße nach Ihnen benannt. Wie fühlt es sich für Sie an, Teil eines solchen Standortes zu sein?
Dafür bin ich der Direktion der Bavaria, Achim Rohnke und Dr. Christian Franckenstein von Herzen dankbar. Das war ein sehr berührender Moment in meinem Leben.

Aktuell befindet sich die Filmwelt im Wandel. Streamingdienste wie Netflix und Amazon produzieren ihre eigenen Filme, die überhaupt nicht mehr ins Kino kommen. Wie sehen Sie diese Veränderung? Stirbt das Kino irgendwann aus?
Ich weiß, dass viele junge Leute die Filme auf dem Handy oder wo auch immer ansehen. Ich bin aber der Meinung, dass Kino mit der heutigen Technik, eine solche Bild- und Tongewalt vermittelt, die ich sonst nirgendwo bekomme. Außerdem bin ich der Meinung, dass man den Film da einfach nicht spüren kann. Und was ist Film: Emotion! Und das Gemeinschaftserlebnis! Ich war bei der Einweihung der drei neuen Arri-Kinos dort und auch privat – das ist einfach klasse. Tolle Sitze, Service etc. und hinterher geht man ins Lokal und spricht darüber, was man gesehen hat. Das ist Kino!

Abgedreht: Diese Hollywood-Stars filmten bereits in München


AZ-Serie: 100 Jahre Bavaria Film

Teil 1: Hitchcock in Grünwald - Wie eine Münchner Film-Institution geboren wurde

Teil 2: Münchner Filme zur NS-Zeit - Zwischen Propaganda und Ablenkung

Teil 3: Glanz und Glamour - Hollywood in München

Teil 4: 90er und 00er Jahre - Seifenoper, echte Schlangen und aufwendige Sets

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