Hollywood in München
München - Nach Ende des Zweiten Weltkrieges hatte die 1938 gegründete "Bavaria Filmkunst GmbH" erst einmal schlechte Karten. Deutschland war von den Zerstörungen schwer gezeichnet. Und für die Bavaria gab es ein Drehverbot für eigene Produktionen, das erst 1949 wieder aufgehoben wurde. Zwar boomte das Vermietungs- und Synchronisationsgeschäft, trotzdem entstanden in den Nachkriegsjahren nur wenige Filme in München.
Erst in den 50er Jahren nahm das Geschäft wieder Fahrt auf. Die Studiokapazitäten wurden erweitert und es entstanden zusätzlich zu den bereits bestehenden drei Studios vier weitere, die 1950 zunächst behelfsmäßig in Betrieb genommen werden konnten. Mit dieser Vergrößerung ließen Großproduktionen nicht lange auf sich warten.
1952 der erste Farbfilm
Technische Neuerungen ließen die Attraktivität der Bavaria Filmstadt wachsen. 1952 wurde mit Marika Rökk in der Hauptrolle der erste Farbfilm "Maske in Blau" in Geiselgasteig gedreht. In dem Film geht es um den Maler Cellini, der sich in den Revuestar Juliska Varady verliebt und sie unbedingt porträtieren will.
Die möchte allerdings nichts von dem Maler wissen, da sie ihn für einen Frauenheld hält. Deshalb entwickelt Cellini den Plan, mit seinem Freund Seppl die Rollen zu tauschen und gibt sich als armer unbekannter Maler aus.
Ende der 50er Jahre entdeckte dann Hollywood die Bavaria als geeigneten Drehort. Meisterregisseur Stanley Kubrick drehte mit Kirk Douglas 1957 seinen vierten Spielfilm "Wege zum Ruhm", der ihm den endgültigen Durchbruch bescherte. Bei den Dreharbeiten in München lernte Kubrick sogar seine spätere Ehefrau, die deutsche Schauspielerin Christiane Susanne Harlan, kennen. Kirk Douglas spielte in dem Film nicht nur die Hauptrolle, sondern übernahm auch die Rolle des Produzenten. Die Arbeit in München hatte ihm so gut gefallen, dass er ein Jahr später für "Die Wikinger" in die Bavaria zurückkehrte. Im Gepäck hatte er weitere Schauspiel-Größen wie Tony Curtis, Ernest Borgnine und Janet Leigh.
1959: Gründung der Bavaria Atelier GmbH
Trotz der guten Auftragslage und der zunehmenden Anzahl an Hollywood-Produktionen, die in der Bavaria gedreht wurden, wollte das Unternehmen die Entwicklung in Richtung Fernsehen nicht verpassen. Am 1. August 1959 wurde deshalb die "Bavaria Atelier GmbH" in Zusammenarbeit mit WDR und SDR gegründet. Durch diese Symbiose mit dem Fernsehen konnte sich die Bavaria ihre zukünftige wirtschaftliche Entwicklung sichern. Es entstanden TV-Produktionen wie "Funkstreife Isar 12" (1961 – 1963), "Die seltsamen Methoden des Franz Josef Wanninger" (1964 – 1970) oder der Science-Fiction-Klassiker "Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion" (1965).
Für das Kino entstanden absolute Meilensteine mit Weltstars in den Hauptrollen. Für "Gesprengte Ketten" standen 1962 Steve McQueen, Charles Bronson, James Garner und Richard Attenborough gemeinsam vor der Kamera. "Willy Wonka und die Schokoladenfabrik" (1970) mit Gene Wilder gilt heute noch vor allem in den USA als absoluter Kultfilm.
Zu einem der größten Erfolge dieser Jahre sollte 1971 "Cabaret" werden. Liza Minnelli spielt darin eine Sängerin, die nachts in einem Club erotische Nummernrevuen aufführt und sich in einen erfolglosen Autor verliebt. Der Film wurde bei der Oscar-Verleihung 1973 mit insgesamt acht Trophäen ausgezeichnet. Unter anderem gewann der deutsche Kulissenbauer Rolf Zehetbauer mit seinem Team einen Goldjungen für das beste Set.
Berlin in der Bavaria Filmstadt
Star-Regisseur Ingmar Bergman drehte 1976 "Das Schlangenei" mit Liv Ullmann, David Carradine und Gert Fröbe in den Hauptrollen. Eigens für diese Produktion wurde ein kompletter Berliner Straßenzug auf einer Fläche von 3400 Quadratmetern in der Bavaria Filmstadt nachgebaut. Dadurch brauchte man keine Drehgenehmigung für Berlin und hatte die technische Ausstattung bereits vor Ort.
Rainer Werner Fassbinder drehte in derselben Kulissenstraße 1979 die Romanverfilmung "Berlin Alexanderplatz". Damit der Alexanderplatz authentisch wirkte, fuhr eine echte Straßenbahn auf einem Stück von wenigen hundert Metern durch die Berliner Straße.
Lange Zeit konnten deutschsprachige Produktionen nicht mit der Konkurrenz aus Amerika mithalten. Das änderte sich mit den Filmen von Wolfgang Petersen. 1980 setzte die Bavaria auf den damals eher unbekannten Regisseur und ließ ihn "Das Boot" nach der Romanvorlage von Lothar-Günther Buchheim drehen.
1980: Wolfgang Petersen dreht "Das Boot"
Die Rollen übernahmen statt großen Stars eher unbekannte Gesichter, die durch den Film zu nationaler, teilweise zu internationaler Berühmtheit gelangten. Für Jürgen Prochnow, Uwe Ochsenknecht, Martin Semmelrogge, Claude-Oliver Rudolph und Herbert Grönemeyer war das der Startschuss für ihre Karrieren.
Mit 30 Millionen DM Produktionskosten galt "Das Boot" lange als die teuerste deutsche Produktion aller Zeiten. Das Risiko der Bavaria zahlte sich aus, denn der Film wurde, obwohl er in deutscher Sprache gedreht wurde, zum weltweiten Erfolg.
Insgesamt wurde er für sechs Oscars nominiert, unter anderem für die beste Regie, beste Kamera und bestes Drehbuch. Einen Goldjungen konnte "Das Boot" bedauerlicherweise nicht mit nach Hause nehmen.
Aber für den Regisseur Wolfgang Petersen wurde dieser Erfolg zu seiner Eintrittskarte nach Hollywood. 1983 drehte er, ebenfalls in der Bavaria, "Die unendliche Geschichte".
1983: "Unendliche Geschichte" wird zum teuersten Film der Welt
Dafür hatte er mit 60 Millionen DM das doppelte Budget zur Verfügung und drehte den damals teuersten Film der Welt. Bei diesen hohen Produktionskosten musste die Wahrscheinlichkeit für einen wirtschaftlichen Erfolg gewährleistet sein, weshalb dieses Mal mit amerikanischen Schauspielern in englischer Sprache gedreht wurde.
Viele Menschen verbinden noch heute die Bavaria mit "Die unendliche Geschichte" und vor allem mit dem Glücksdrachen Fuchur. Für die Spezialeffekte setzte man ein brandneues Verfahren, die sogenannte Blue-Screen-Technik, ein. Dafür stehen Schauspieler vor einem blauen oder grünen Hintergrund, welcher später in der Postproduktion durch beliebige Bilder ersetzt werden kann. Heutzutage wird diese Technik in fast jedem großen Blockbuster eingesetzt.
Trotzdem arbeiteten die Macher von "Die unendliche Geschichte" nicht nur mit Computertricks, sondern auch mit natürlichem Material. So wurde für das Set der Sümpfe der Traurigkeit tonnenweise Schlamm von der Isar in das Studio gebracht, um die Kulisse realistischer zu gestalten. In diesem Schlamm befanden sich aber tausende Larveneier, die aufgrund der warmen Temperaturen durch die Scheinwerfertechnik schlüpften und eine große Insektenplage verursachten. Die Dreharbeiten mussten daraufhin für knapp eine Woche unterbrochen werden, damit das Set von einem Kammerjäger ausgeräuchert werden konnte.
1981: Gründung der Bavaria Filmtour
"Die unendliche Geschichte II" wurde 1989 ebenfalls in der Bavaria Filmstadt gedreht. Regie führte allerdings nicht mehr Wolfgang Petersen. Der Film handelt lose von der zweiten Hälfte des Buches, die im ersten Film nicht erwähnt wurde, und konnte auch nicht mehr an den Erfolg des ersten Teils anknüpfen.
Bis in die frühen 80er Jahre war es für Menschen außerhalb des Filmgeschäftes unmöglich, einen Einblick in die Welt der Bavaria Filmstadt zu bekommen. Das änderte sich am 1. August 1981 mit der Gründung der Bavaria Filmtour. Nachdem die Dreharbeiten für "Das Boot" beendet waren, hatte die Bavaria die Idee, die U-Boot-Kulissen des Films als Ausstellungsstücke einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Da man nicht wusste, ob ein solches Konzept Erfolg haben würde und ob sich überhaupt jemand für die Arbeit beim Film interessiert, war es anfänglich ein Versuch, die Filmstadt für den Tourismus zu öffnen. Da sich diese Idee als erfolgreich erwies, kamen über die Jahre hinweg immer mehr Ausstellungskulissen dazu und die Filmtour entwickelte sich zu der touristischen Attraktion, die bis heute Bestand hat.
Lesen Sie hier den ersten Teil: Hitchcock in Grünwald - Wie eine Münchner Film-Institution geboren wurde
Lesen Sie hier den zweiten Teil: Münchner Filme zur NS-Zeit - Zwischen Propaganda und Ablenkung