Josef Schmid über das Wahlergebnis: "Alarmstufe Dunkelrot"

München - Die Bundestagwahl hat auch in München für lang Gesichter bei SPD und CSU gesorgt. Josef Schmid im Interview.
AZ: Herr Schmid, wie haben Sie in der Wahlnacht geschlafen?
Josef Schmid: Naja, da ich professionell Politik betreibe und vor nichts mehr Angst habe – außer vielleicht um meine Kinder – habe ich gut geschlafen. Aber was da bei der Wahl passiert ist, ist hochgradig alarmierend – da brauchen wir nicht drum herumzureden. Das ist eine krisenartige Situation, an der es nichts zu beschönigen gibt. Aus dem bürgerlichen Lager sind viele Wähler zur AfD abgewandert. Das ist ein Ergebnis, mit dem wir uns nicht abfinden können.
In Ihrem Heimatviertel Allach hat die CSU immerhin noch gut 38 Prozent gerettet.
Ja, Allach-Untermenzing, Trudering-Riem – da gibt es immer ein Kopf-an-Kopf-Rennen um das beste CSU-Ergebnis. Aber das kann kein Trost sein – auch nicht, dass alle vier CSU-Kandidaten überzeugt und ein Direktmandat gewonnen haben. Über zehn Prozent minus in Bayern, das ist ein Absturz – Alarmstufe Dunkelrot.
Woran hat’s denn gehapert? In München ging’s ja auch runter auf 30 Prozent.
Es gibt da keinen Sonderfaktor München – auch, wenn wir hier noch unterdurchschnittlich verloren haben. Die vier Direktkandidaten haben ihre Sache hervorragend gemeistert, allesamt mit ordentlichen Abständen zu den SPD-Kandidaten. Aber wir sind hier genauso von den übergeordneten Themen abhängig wie überall sonst.
Woran lag es denn? In Ihrer Partei hieß es nach der Wahl, man habe die Sorgen der Menschen womöglich nicht ernst genug genommen. War die CSU überheblich?
Das glaube ich keinesfalls. Wir müssen uns allerdings schon fragen lassen, ob wir einen klaren Kurs gefahren sind und ihn klar genug kommuniziert haben. Wir haben klar für Bayern und für Deutschland plakatiert – die Botschaft ist bei den Wählern aber so deutlich offenbar nicht angekommen.
Der Parteivorstand hat Horst Seehofer gestern zwar sein Vertrauen ausgesprochen, am Wahlabend hieß es aus CSU-Reihen aber auch, der Ministerpräsident sei in der Flüchtlingspolitik Bundeskanzlerin Angela Merkel gegenüber zu nachgiebig gewesen.
An Personaldebatten beteilige ich mich derzeit nicht. Wir müssen jetzt gesprächsbereit mit der CDU sein.
Aber erwarten Sie, dass Ihre Partei jetzt weiter nach rechts rückt?
Die CSU muss eine Partei bleiben, in der von der bürgerlichen Mitte bis zum demokratisch legitimierten rechten Rand alles abgedeckt ist. Es darf uns nicht passieren, dass die alte Strauß-Doktrin aufgehoben wird.
Mit dem guten Abschneiden der AfD ist das erst einmal hinfällig. Was muss dann jetzt in der CSU passieren?
Ein inhaltliches "Weiter so" darf es nicht geben. Wir müssen in der Union die Klarheit wiedergewinnen. In der Flüchtlingspolitik zum Beispiel, da kann es nicht sein, dass wir in der CSU sagen: Wir brauchen eine Obergrenze. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt bis zuletzt das Gegenteil. Die Leute brauchen eine klare Aussage. Einmal linksrum, einmal rechtsrum – das darf es so nicht mehr geben.
Hat das Wahlergebnis auch Auswirkungen auf die Große Koalition im Rathaus?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Bundestagswahlen waren in München immer besonderen Regeln unterworfen. Ich glaube nicht, dass das Ergebnis Auswirkungen haben wird.
In der SPD redet man aber schon darüber, die CSU künftig stärker attackieren zu wollen, um wieder an Profil zu gewinnen – auch im Rathaus.
Beliebig attackieren lassen werden wir uns sicher nicht. Da sollte sich die SPD darauf besinnen, dass sie ohne uns im Rathaus keine Mehrheit hat.
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