Jobsuche: Arbeitsagentur hat spezielle Hilfe für Langzeitarbeitslose
Für Langzeitarbeitslose ist es schwer, wieder in den Beruf einzusteigen. Ein neues Programm namens Pakt bietet individuelle Unterstützung – es funktioniert.
München - "Der Arbeitsmarkt ist aufnahmefähig, da werden Leute gebraucht. Wir können es uns also gar nicht leisten, Potenziale brachliegen zu lassen", sagt Johannes Kolb am Donnerstag im Beruflichen Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft (Bfz). Kolb ist operativer Geschäftsführer der Agentur für Arbeit, die zusammen mit dem Bfz das Programm anbietet.
Wer gerade Arbeit sucht, den stimmen diese Worte wohl hoffnungsvoll. Doch trotzdem klappt es oft nicht, es gibt offenbar Hindernisse zwischen denen, die Arbeit suchen und denen, die Arbeit anbieten.
Die Schwierigkeiten sind vielfältig. Das zeigt sich auch in der Unterschiedlichkeit der Teilnehmer am Programm Pakt, kurz für "Passgenaues Kompetenztraining". Im Titel steckt drin, welchen Ansatz das Programm verfolgt: Auf jeden Teilnehmer wird dabei individuell eingegangen. Die Coaches des Bfz erarbeiten in den ersten ein bis zwei Wochen ein Profil des Teilnehmers: Welche Qualifikationen und Stärken hat die Person, woran muss noch gearbeitet werden? Und natürlich werden Ziele gesteckt.
Drei Säulen gibt es: die Einzeltrainings, Gruppeneinheiten und die selbstständige Arbeit der Teilnehmer. Das Programm ist quasi ein Vollzeitjob, der gestaltet sich bei jedem Teilnehmer ein wenig anders. Vormittags finden Workshops statt, dabei geht es um Bewerbungstraining, EDV, Motivation und Projektarbeit. Projektleiterin Louisa Hacking berichtet: "Zuhause sind Arbeitslose oft isoliert. Meist braucht es nur eine Initialzündung und Struktur." Die Erfolgsquote das Programms, das seit Januar 2017 läuft, liegt derzeit bei 50 Prozent. "Das ist ziemlich hoch", betont Kolb. Der größte Teil der Teilnehmer hat bereits nach der Hälfte der veranschlagten Zeit von sechs Monaten eine Stelle gefunden.
In den Räumen des Bfz können auch die Computer genutzt werden, die Teilnehmer können netzwerken und einander helfen. Wenn nötig, werden auch Deutschkurse angeboten – auch wenn ein Job gefunden ist. Eine ehemalige Teilnehmerin, die inzwischen als Haushälterin arbeitet, kommt immer noch zum Kurs. Die AZ hat mit Wiedereinsteigern gesprochen.
"Ich war fast schon depressiv"
Justyna Pruszynska ist jetzt Büroassistentin, die Zeit der Arbeitslosigkeit hat sie belastet. Fotos: Wackerbauer
Justyna Pruszynska (43) kam für die Liebe nach Deutschland und musste ihre Berufstätigkeit erst einmal aufgeben. "Ich bin seit Juli 2014 in Deutschland und war erst arbeitslos, dann habe ich unter meiner Qualifikation gearbeitet – in Polen habe ich Germanistik und Bildungswesen studiert. Als mein Vertrag bei einer Leiharbeitsfirma ausgelaufen ist, hatte ich wieder keinen Job. Ich habe viele Absagen bekommen, war frustriert, fast schon depressiv. In Polen war ich nie arbeitslos. Ich habe gedacht, ich mache eben etwas falsch.
Mein Problem war vor allem das Bewerbungsmanagement. Da habe ich dann wirklich tolle Hilfe bekommen und neues Potenzial entdeckt. Ich wurde hier motiviert, weil ich all die Menschen getroffen habe, denen es auch so ging wie mir und wir hatten alle das gleiche Ziel. Das Selbstwertgefühl ist ein ganz wichtiger Faktor. Ich war von Ende März bis Ende Mai bei Pakt und habe dann eine Stelle als Büroassistentin bei der deutschen Angestellten-Akademie (DAA) bekommen. Die DAA ist einer der Partner bei dem Programm.“ Ihre Chefin Sigrid Mohr freut sich ebenso über den Erfolg und sagt: "Für uns ist Frau Pruszynska ein richtiger Glücksgriff."
"Pakt hat mir sehr geholfen"
Liu Xiaou
Liu Xiaou hat viele Jahre in München studiert, für seine Doktorarbeit hat er dann als Datenanalytiker an der TU gearbeitet. "Es gab dann eine Umstrukturierung und ich bin arbeitslos geworden. Vorher habe ich nur gearbeitet, das war eine Herausforderung. Ich habe geschaut, welche Möglichkeiten es für mich gibt und wollte gerne an Pakt teilnehmen. Das ist eine schöne Maßnahme, die mir sehr geholfen hat. Jetzt bin ich Praktikant mit möglicher Übernahme bei einer großen Firma und arbeite als Mathematiker. Vielleicht klappt es noch mit dem Doktor."
"Ich war 20 Jahre lang Hausfrau und Mutter"
Galina Wiedemann.
Galina Wiedemann (55) war 20 Jahre lang als Hausfrau und Mutter zuhause. "Ich habe mich immer um die Familie gekümmert, aber irgendwann waren die Kinder eben aus dem Haus. Von heute auf morgen wird man dann nicht mehr gebraucht. Ich stand ohne Arbeit da und war irgendwann der Depression nahe und viel allein. In so einer Situation macht man dann alles Mögliche, ich habe mit Kindern in der orthodoxen Gemeinde Russisch geübt.
Ich war wohl ein besonders schwieriger Fall – 20 Jahre ohne Anstellung! Ich kenne meine Stärken gut, aber ich wusste nicht, wie ich sie in Worte fassen soll und natürlich habe ich auch die Bewerbungsprozesse nicht gekannt. Bevor ich Mutter wurde, war ich in Russland Ökonomin für internationale Beziehungen.
Bei Pakt habe ich dann einiges darüber gelernt und auch am Deutschkurs teilgenommen, um meine Sprachkenntnisse zu verbessern. Mein Traumjob war es, Hochzeiten zu planen, jetzt mache ich etwas ähnliches. Bei einem Reiseveranstalter lerne ich Reisemanagement und als Spezialität plane ich Hochzeiten im Ausland, das ist vor allem in Indien ein Trend."
Ihr neuer Chef erinnert sich: "Frau Wiedemann war innerhalb von 15 Minuten zum Gespräch da. Als Spaß habe ich gesagt, wir arbeiten von sechs Uhr früh bis Mitternacht. ,Perfekt’ hat sie geantwortet."
"Ich habe gelernt, was ich noch besser machen kann"
Cornelia Schmidt
Cornelia Schmidt (52) hat als Chefsekretärin bei einem großen Konzern gearbeitet und ist durch eine Umstrukturierung arbeitslos geworden. "Ich habe im Laufe meines Berufslebens schon viel erlebt, darunter auch eine Insolvenz – das war sehr schwer. Zuletzt war es eben diese Umstrukturierung.
Ich bin aber ein Stehaufmännchen und kann einiges aushalten. Während meiner Arbeitslosigkeit habe ich die Zeit für Projekte genutzt und mir kleine Aufgaben gesucht, wie Englischnachhilfe oder Lektorate für Bachelorarbeiten. Als Chefsekretärin habe ich eigentlich gedacht, meine Bewerbungsmappe ist wasserdicht, aber im Laufe des Programms hat sich dann doch rausgestellt, dass sich da noch was machen lässt. Also habe ich mich den ganzen November intensiv damit beschäftigt.
Ich bin seit Oktober bei Pakt und sehe ganz zuversichtlich in die Zukunft. Ich bin voll der Hoffnung, dass es da draußen jemanden gibt, der sagt: ,Mensch, die stellen wir jetzt ein'."
Hier spricht täglich ein Münchner über sein Leben in der Stadt
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