Jobs für Geflüchtete: Reiters Brandbrief an Seehofer

München - Migranten und Flüchtlingshelfer leiden schon lange darunter, jetzt wird es auch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter zu bunt: In einem Offenen Brief appelliert der SPD-Politiker an Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), die restriktive Arbeitsmarktpolitik für Geflüchtete in Bayern "zu überdenken und zu korrigieren".
Hintergrund: Geflüchtete, die eine Ausbildung absolvieren, dürfen während dieser drei Jahre in Deutschland bleiben. Finden sie im Anschluss einen Job in ihrem Beruf, werden sie für weitere zwei Jahre geduldet – so steht es im Integrationsgesetz der Bundesregierung.
Wenn die Genehmigung ein reines Glücksspiel ist
Im Freistaat wird diese Regelung jedoch nur zum Teil umgesetzt. Das Bayerische Innenministerium hat die Ausländerämter angewiesen, nur noch Flüchtlingen mit einer "guten Bleibeperspektive" eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Also vor allem Menschen aus Iran, Irak, Syrien, Somalia und Eritrea. Bei sämtlichen anderen Nationalitäten ist die Genehmigung derzeit reines Glücksspiel – und geht oft negativ aus.
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Bundesweit hätten die Wirtschaftsverbände die sogenannte "3 plus 2"-Regelung sehr begrüßt, schreibt Reiter. "Besonders die bayerische Wirtschaft unternimmt für die Ausbildung von Geflüchteten große Anstrengungen." So habe die Industrie- und Handelskammer innerhalb eines Jahres 33.000 Integrationsprozesse in Arbeit, Ausbildung und Praktika gemeldet. Dass noch mehr möglich ist, zeigt die Statistik: 2016 blieben allein in München 4.800 Lehrstellen unbesetzt. Diese freien Plätze ließen sich theoretisch mit Flüchtlingen besetzen, zumindest teilweise, worin viele eine Win-win-Situation für Wirtschaft und Migranten sehen.
"Arbeitsfähig, lernmotiviert und ehrgeizig"
Reiter: "Auch aus der Gruppe der Geflüchteten können die für den Münchner Arbeitsmarkt dringend benötigten Auszubildenden und Fachkräfte gewonnen werden." Denn die meisten Migranten in München seien jünger als 25, in der Mehrheit "arbeitsfähig, lernmotiviert und ehrgeizig".
Der bayerische Sonderweg, bei dem die Aufenthaltsbeendung Vorrang vor der Ausbildungsaufnahme habe, führe nicht nur zu großer Unruhe bei den Geflüchteten, sie habe auch Unmut und Verunsicherung bei den Unternehmen hervorgerufen. "Wichtige Arbeitgeber machen bereits deutlich, unter diesen Voraussetzungen ihren Beitrag zur Integration von Schutzsuchenden in den Ausbildungsmarkt auf Standorte außerhalb Bayerns zu verlagern", so der Münchner OB.
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Erschwerend kommt hinzu, dass München in Zukunft nur noch Somalier zugewiesen werden sollen – und Geflüchtete mit "niedriger Bleibewahrscheinlichkeit". Bliebe der Freistaat also bei seiner harten Linie, würde die Personengruppe hier noch wachsen, die trotz üppigen Arbeits-Angebots zur Untätigkeit verdammt ist. Im Interesse von Wirtschaft, Kirchen, Sozialverbänden und Gewerkschaften erhoffe sich die Stadt München daher von der Staatsregierung "einen deutlichen Kurswechsel in der Umsetzung der im Bundesintegrationsgesetz verankerten ,3 plus 2’-Regelung", schreibt der Oberbürgermeister – und damit Rechtssicherheit für alle Beteiligten.