"Impfung funktioniert nicht": In München erforschtes neues Coronavirus als Katzen-Killer – Gefahr auch für Menschen?

Ein mutiertes Coronavirus tötet auf Zypern Tausende Katzen. Die Sorge besteht, dass es auch Deutschland erreicht. Was es damit auf sich hat – und wie an der LMU München dazu geforscht wird.
Natalie Kettinger
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Ihre Population ist groß: Straßenkatzen auf Zypern.
Ihre Population ist groß: Straßenkatzen auf Zypern. © imago/McPHOTO/Anders

München - Die ersten Symptome sind unspezifisch: Betroffene Katzen leiden zunächst an Appetitlosigkeit und Fieber, später sammelt sich bei vielen Flüssigkeit in Bauch- und Brusthöhle, hinzukommen manchmal neurologische Symptome und Augenprobleme.

Unbehandelt verläuft eine feline infektiöse Peritonitis (FIP) tödlich – erkrankte Tiere sterben im Durchschnitt nach nur acht Tagen. "FIP ist eine der allerschlimmsten Krankheiten bei Katzen", sagt Professorin Katrin Hartmann, Leiterin der Kleintierklinik der LMU, die seit 25 Jahren auf diesem Gebiet forscht.

Virusmutationen tötete auf Zypern tausende Katzen

Nun beunruhigt eine Mutation des FIP-Erregers die Fachwelt, die auf Zypern seit Jahresbeginn zum Tod Tausender Katzen geführt hat. Auch in Großbritannien ist die neue Variante bereits nachgewiesen worden – und Sorge besteht, dass sie auch die Bundesrepublik erreicht. "Aktuell sind noch keine Krankheitsausbrüche in Deutschland beschrieben, die den Verdacht auf diese neue Virusvariante zulassen", sagt Katrin Hartmann. Das Risiko sei durch den Import infizierter Katzen aber gegeben – sei es durch Privatleute, Auslands-Tierschutz-Organisationen oder Katzenwelpenschmuggel.

Der Hintergrund: Bei FIP handelt sich um eine schon lange weltweit bekannte Erkrankung, ausgelöst vom felinen Coronavirus (FCoV). Auch in Deutschland komme dieser Erreger häufig vor, der aber meist keine Symptome oder höchstens milden Durchfall verursache, erklärt Katrin Hartmann. In seltenen Fällen mutiere das Virus jedoch – und die Katze erkranke an FIP.

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Coronavirus FCoV-23 auch in Großbritannien nachgewiesen

Auf Zypern und in Großbritannien wurde nun aber ein neues felines Coronavirus - FCoV-23 genannt – nachgewiesen, das offenbar deutlich häufiger zu einer FIP führt. Es handle sich um eine Mischung aus dem ursprünglichen FCoV und einem Hunde-Coronavirus CCoV, berichtete ein Forschungsteam um Christine Tait-Burkard von der University of Edinburgh kürzlich in einer noch nicht unabhängig geprüften Studie.

"Eine neue Mutation ist mit Sicherheit aufgetreten, ob sie aber aus einer Rekombination mit dem Hunde-Coronavirus stammt, ist noch nicht ganz sicher. Wobei man wissen muss: Rekombinationen mit dem Hundevirus gab es vorher schon - aber sie waren nicht gefährlicher als die ‚normalen' Katzen-Coronaviren", sagt Katrin Hartmann. Doch vieles deutet darauf hin, dass die Zypern-Variante direkt von Katze zu Katze weitergegeben wird. "Das wäre sehr problematisch. Denn bisher wurden nur die ‚normalen', nicht mutierten Coronaviren übertragen, aber nicht die FIP-auslösende Variante. Die entstand bislang individuell in der Katze."

Problematisch sei dieses neue Szenario vor allem für Tierheime, Zuchten und Mehr-Katzen-Haushalte. Denn Coronaviren werden über den Kot übertragen. Ein typischer Weg: Ein Tier scharrt dort, wo sich vorher eine infizierte Samtpfote erleichtert hat, schleckt sich dann die Pfoten sauber und nimmt dabei das Virus auf, das außerhalb des Katzenkörpers noch mehrere Wochen aktiv bleibt. Deshalb hätten Studien gezeigt, dass es quasi kein Tierheim und keine Zucht gebe, in der Katzen nicht mit dem felinen Coronavirus infiziert seien - was für die meisten aber folgenlos bleibt, sagt die Veterinärin. Wird die aggressive Zypern-Mutation jedoch auf demselben Weg übertragen, drohen eine massive Zunahme von FIP-Erkrankungen und somit viele Todesfälle.

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Forscherin von der LMU München: "Hoffen, dass in der Forschung etwas geschieht"

Denn sowohl die Behandlung als auch die Vorbeugung sind schwierig. "Es gibt eine Impfung gegen FIP, aber die funktioniert nicht. Katzen können sich immer wieder infizieren. Wir hoffen, dass im Zuge der Corona-Forschung auch auf diesem Gebiet etwas geschieht", sagt Katrin Hartmann. Denn die Pandemie hat auch bezüglich der Entwicklung von neuen Medikamenten geholfen. Die kalifornische Firma Gilead Sciences, die auch das Covid-19-Mittel Remdesivir auf den Markt gebracht hat, hält das Patent für den antiviralen Wirkstoff GS-441524. Im Körper wird Remdesivir zur aktiven Substanz GS-441524 umgewandelt. Mit dem antiviralen Wirkstoff GS-441524 ließe sich FIP erfolgreich therapieren.

Beschäftigt sich seit 25 Jahren mit FIP: Katrin Hartmann von der LMU München.
Beschäftigt sich seit 25 Jahren mit FIP: Katrin Hartmann von der LMU München. © LMU

Gilead Sciences gibt das Patent jedoch nicht heraus – und hat selbst kein Interesse daran, ein Medikament für Tiere herzustellen. "Dabei wäre das die Rettung", sagt Katrin Hartmann. "In China haben Chemiker das Mittel einfach illegal 'nachgekocht' – und Tierärzte heilen Katzen damit!" Besorgte Katzenbesitzer aus Deutschland orderten deshalb in der Volksrepublik. Doch Untersuchungen hätten gezeigt, dass Zusammensetzung und Wirkstoffgehalt stark schwankten, warnt die Expertin. Legal ist das Mittel in Deutschland nicht erhältlich.

Arzneimittel bisher in Deutschland nicht zugelassen

Aber es gibt Hoffnung: In England und Australien dürfen Apotheken Arzneien selbst herstellen und der Bova-Kette sei es gelungen, GS-441524 ebenfalls zu erzeugen. Auch dieses Produkt dürfe zwar nicht in die EU verkauft werden – der Einsatz im Rahmen von kontrollierten Studien sei in Deutschland aber möglich, sagt Katrin Hartmann.

Der Erfolg ist beeindruckend: Bei einer ersten Versuchsreihe mit 18 Katzen wurden alle Tiere von FIP geheilt. Bei einer zweiten überlebten 38 von 40. "Und jetzt haben wir gemeinsam mit der Universität Zürich gerade eine große Studie mit 770 Katzen gestartet", erzählt Katrin Hartmann nicht ohne Stolz – und weist ausdrücklich darauf hin, dass noch weitere Tiere aufgenommen werden können.

Wer für seine an FIP erkrankte Katze einen Platz in der Studie reservieren möchte, schreibt einfach eine E-Mail an fip@medizinische-kleintierklinik.de.

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9 Kommentare
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  • SL am 05.01.2024 14:06 Uhr / Bewertung:

    Ich liebe Katzen. Welch herrliches Bild von den Straßenkatzen auf Zypern. Danke dafür!

  • Witwe Bolte am 05.01.2024 16:39 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von SL

    Es sollte in München viel mehr Katzen-Cafes oder -Restaurants geben. Wo die Stubentiger zahlreich rumstromern und sich streicheln lassen. Aber nicht so ein veganes, nüchternes wie in der Türkenstrasse.

  • SL am 06.01.2024 12:49 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Witwe Bolte

    ein sehr schönes Katzen-Cafee finden Sie in Regensburg.

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