Wieder mehr Corona-Fälle in München und Bayern – was Ärzte in der AZ empfehlen

Die Pandemie ist vorbei, Corona hat seinen Schrecken verloren. Kaum jemand testet sich mehr auf Covid-19, immer weniger isolieren sich daheim. Auch deshalb dürften die Infiziertenzahlen höher liegen als geglaubt. Und sie steigen weiter. Wie damit umgehen?
Bernhard Hiergeist |
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Olaf Scholz hat Corona. (Archivbild)
Olaf Scholz hat Corona. (Archivbild) © Kay Nietfeld/dpa

München - War was? Wer die vergangenen Jahre in einem tiefen Schlaf verbracht hätte und pünktlich im Sommer 2023 wieder aufgewacht wäre, hätte nicht den Eindruck gehabt, groß etwas verpasst zu haben. Omikron? Maskenpflicht? Sieben-Tage-Inzidenz? Kaum jemand kennt noch die aktuell dominante Virusvariante. Die Coronapandemie, die die Welt fast drei Jahre lang in Atem hielt, ist in weite Ferne gerückt. 

Zumindest an der Oberfläche. Über die Folgen – psychisch, sozial, gesellschaftlich – wird noch viel zu reden sein. Doch das große Infektionsgeschehen bleibt 2023 aus, denn die Pandemie ist zu Ende. Das Virus ist endemisch geworden, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) schreibt. Drei von vier Deutschen sind laut dem Impf-Dashboard des Bundesgesundheitsministeriums inzwischen grundimmunisiert, über 60 Prozent haben mindestens eine Auffrischungsimpfung. Dadurch gibt es "deutlich weniger schwere Verläufe und Langzeitfolgen" als noch vor beispielsweise zwei Jahren. 

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Corona

Dennoch steigen auch in diesem Herbst und Winter wieder die Corona-Fälle, zuletzt teilte Bundeskanzler Olaf Scholz bei X (ehemals Twitter) mit, sich infiziert zu haben. Er schrieb: "Das ist eindeutig keine Überraschung, über die ich mich freue. Meine aktuellen Covid-19-Tests zeigen zwei Striche. Bei wenig Symptomen baue ich auf einen milden Verlauf und arbeite erstmal nur vom Schreibtisch aus."

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Die obligatorische Coronawelle bleibt also auch heuer nicht aus. Zwar in Maßen, mit weniger Infektionen und weniger schweren Verläufen, aber es gibt sie. Die Zahl der Infektionen steigt gerade wieder, was sich mittlerweile an der Virenlast im Abwasser recht verlässlich ablesen lässt. Die lässt zwar keine Rückschlüsse auf genauere Infiziertenzahlen zu, ist aber ein Indiz für Infektionsgeschehen. Ein Drittel aller Atemwegsinfektionen sei im Moment auf Corona zurückzuführen, sagte der Virologe Oliver Keppler von der Ludwigs-Maximilians-Universität dem Bayerischen Rundfunk.

Und auch bei den Hausärzten schlagen wieder vermehrt Coronapatienten auf, erklärt Oliver Abbushi, Bezirksvorsitzender des Hausärzteverbands und Hausarzt in Oberhaching. "Wir finden gerade in den Abstrichen wieder vermehrt Corona", sagt er. Auch bei Hausbesuchen und in Seniorenheimen begegnet er regelmäßig Infizierten.

Coronavirus: Sieben-Tage-Inzidenz in Bayern bei 33

3.500 gibt es im Moment in Bayern, hat man im Landesamt für Gesundheit gezählt. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag laut Pandemie-Radar am Donnerstag in Bayern bei 33 – zur Erinnerung: Das bedeutet, dass sich in den vergangenen sieben Tagen 33 von 100.000 Menschen neu infiziert haben. Je höher das Alter einer Gruppe, umso höher liegt die Inzidenz. Am höchsten ist sie im Freistaat bei den über 80-Jährigen, also einer gesundheitlich vulnerablen Gruppe. Dort liegt sie bei 136.

Man muss sagen: Offiziell – denn weniger schwere Verläufe von Covid-19 führen natürlich auch dazu, dass die Krankheit weniger ernst genommen und viel seltener an die Hausärzte gemeldet wird. "Es testen sich ja längst nicht mehr alle", sagt Abbushi. "Die Welle ist also sicher größer, als man denkt." Und auch schwerere Fälle seien mitunter wieder dabei.

Die Maskenpflicht wurde im April 2023 aufgehoben. Gerade in gedrängten Situation werden sie trotzdem immer noch gerne getragen.
Die Maskenpflicht wurde im April 2023 aufgehoben. Gerade in gedrängten Situation werden sie trotzdem immer noch gerne getragen. © Matthias Bein/dpa-Zentralbild/dpa

Wenngleich aber viel weniger als in den Hochphasen der Pandemie. 2022 waren zum gleichen Zeitpunkt in Bayern knapp 15.000 Menschen infiziert, im Jahr davor sogar mehr als 70.000. Ebenfalls 2021 lagen im Dezember teilweise über 1.000 Menschen mit Corona auf Intensivstationen. Laut dem Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin sind im Freistaat gerade 160 Intensivbetten belegt. Auch deshalb hält Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) die Lage aktuell "insgesamt für nicht besorgniserregend". 

In den städtischen Kliniken in München werden fünf dieser 160 Corona-Intensivpatienten versorgt, insgesamt zählt man 78 Patienten, wie die Kliniken der AZ mitteilen. "Das ist insgesamt ein leichter Anstieg im Vergleich zu den Vorwochen", schreibt eine Sprecherin. Im Schnitt seien sonst 60 bis 70 Patientinnen und Patienten versorgt worden.

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Wolfgang Guggemos, Leitender Oberarzt der Infektiologie am Klinikum Schwabing erklärt, Covid-19 habe sich an der spezialisierten Infektiologie mittlerweile in die Behandlung anderer Infektionskrankheiten eingereiht. "Wir haben viel Erfahrung mit der Krankheit gesammelt und die Menschen erkranken heute seltener so schwer, dass sie eine stationäre Versorgung benötigen", sagt Guggemos auf AZ-Anfrage.

Ob Gesundheitsministerium des Landes, Ärztekammer und -verbände, Gesundheitsreferat der Stadt, Ständige Impfkommission (Stiko), das RKI: Alle raten dazu, Corona trotzdem noch ernst zu nehmen. Einerseits, um schwere Verläufe zu verhindern und andererseits, um Menschen in Pflegeberufen zu schützen, die häufig mit Infizierten in Kontakt kommen.

Mediziner empfehlen Auffrischungsimpfung für Risikogruppen

Man solle auch die langfristigen Folgen der Infektion weiterhin nicht unterschätzen, sagt Guggemos. Die Auffrischung der Impfung sollte gerade "bei Menschen mit Risikofaktoren" zur Winterroutine gehören, also etwa Schwangeren oder Menschen mit Vorerkrankungen oder allen Ü60. Hausarzt Oliver Abbushi rät auch den Nicht-Risiko-Patienten, sich die Zeit zu nehmen und komplett auszukurieren, bevor man sich körperlich wieder anstrengt und etwa Sport reibt. "Ansonsten läuft man Gefahr, dass man sich zum Beispiel eine Lungenentzündung einfängt."

Verbindliche Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht oder auch die Pflicht, sich bei Infektion zu Hause zu isolieren, gibt es schon seit dem Frühjahr nicht mehr. Die Stadt München weist Einrichtungen darauf hin, dass es möglich ist, "freiwillige Schutzkonzepte per Hausrecht" umzusetzen. 

Und man setzt auf Eigenverantwortung: "Positiv getesteten Personen wird empfohlen, unnötige Kontakte zu anderen Mitmenschen zu vermeiden", schreibt München auf seinem Corona-Infoportal. Infizierte sollten, soweit möglich, ihren Berufen von zu Hause aus nachgehen und auf den Besuch von Restaurants oder öffentlichen Veranstaltungen verzichten. 

"Auch die Maske kann in bestimmten Situationen ein guter Begleiter sein", sagt Guggemos. Die Entscheidung müsse jeder für sich treffen. Ein Blick in die U-Bahnen zeige etwa, dass Masken durchaus noch getragen werden, die Menschen also die Schutzmaßnahmen aus der Pandemie verinnerlicht hätten. Eine gute Nachricht, findet der Infektiologe. 

Was die derzeit dominierende Virusvariante angeht: Die heißt übrigens Eris.

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36 Kommentare
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  • Radi Brunnengrosser am 18.12.2023 18:31 Uhr / Bewertung:

    Kann er wenigstens mal ein paar Tage keinen Schaden
    anrichten.

  • AK1 am 18.12.2023 19:54 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Radi Brunnengrosser

    Wie kommen Sie auf diese Schlussfolgerung?

  • FFF-Nein Danke am 19.12.2023 08:23 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von AK1

    Immer dann, wenn es unangenehm wird, ist der Kanzler krank.

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