"Ich arbeite schon viel. Aber mehr ginge noch"

Andreas Kofler (57, Name geändert) lebt in München und hält sich mit zwei Jobs über Wasser. Ein Protokoll.
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Pommes-Frittieren an Spieltagen: So verdient sich Andreas Kofler etwas dazu.
dpa Pommes-Frittieren an Spieltagen: So verdient sich Andreas Kofler etwas dazu.

München - "Heute habe ich einen freien Tag, das kommt nicht so oft vor. Meistens arbeite ich sechs bis sieben Mal pro Woche. Mein richtiger Job ist im Lager von einem Gastro-Unternehmen, nebenher arbeite ich außerdem bei einem Imbiss in der Allianz Arena. Wenn Spiele stattfinden, dann mache ich da Pommes.

Zwei Jobs brauche ich seit sechs Jahren, sonst würde mein Geld nicht zum Leben reichen. Ich verdiene im Lager 1.300 Euro netto, in der Arena komme ich noch so auf 180 bis 200 pro Monat. Finanzielle Hilfe bekomme ich nicht.

Meine Frau lebt mit unserem Sohn in Kuba. Dort habe ich sie hingeschickt, weil da ihre Familie wohnt und das Leben nicht so teuer ist. Ich schicke den beiden jeden Monat 180 Euro. Was mir dann übrig bleibt, ist schon wenig, ich muss schon jeden Monat rechnen. Miete zahle ich 220 Euro. Ich lebe im Westend in einem Ledigenheim, mit einem Zimmer für mich und einer Gemeinschaftsküche.

AZ-Kommentar zum Thema: Minijob-Münchner – Alarmierende Zahlen

Ich bin jetzt 57. Bis ich ungefähr 47, 48 war, ist das immer alles gut gegangen. Ich war selbstständig, hatte eine eigene Wohnung in Südtirol und habe als Spediteur gearbeitet, hatte einen eigenen Lastwagen und habe ganz gut verdient. Teilweise 1.000 Euro am Tag, ich habe schon mal im Monat 70.000 brutto umgesetzt.

Dann wollte noch jemand in mein Geschäft einsteigen. Und dann, ja ... Dann ist mit ihm alles schiefgegangen. Ich musste die Abwicklung fast allein zahlen, habe alles verkaufen müssen, habe mir viel Geld geliehen, und habe immer noch etwa 80.000 Euro Schulden. Jetzt bin ich bei der Schuldnerberatung. Bis Mai muss ich mir überlegen, ob ich private Insolvenz anmelde.

Es geht schon immer irgendwie. Aber man hat mit solchen Schulden schon eine Last auf den Schultern. Das ist nicht so leicht.

Von der Arbeitsstelle direkt zum Zweitjob

Meine Frau und ich, wir telefonieren so drei-, viermal in der Woche. Kuba ist aber immer teuer: Wenn ich 15 Euro auf die Telefonkarte lade und dann mit ihr telefoniere, ist das Geld danach immer weg. Im März kommt sie her und schaut, dass sie eine Arbeit bekommt, vielleicht in einem Café oder einer Bäckerei. Und dann holen wir unseren Sohn nach. Im Wohnheim können wir dann nicht leben, da müssen wir eine andere Wohnung suchen. Und die sind ja auch wieder teuer.

Deshalb mache ich gerade einen Taxiführerschein. Ich arbeite jetzt zwar schon viel. Wenn ich zum Beispiel Frühdienst im Lager habe, dann bin ich bis 12 Uhr da und gehe danach direkt zum Fußballstadion. Aber ein bisschen mehr Arbeit ginge schon noch. Ich würde mit der Lagerarbeit aufhören und Taxi fahren – aber der Führerschein ist schwierig, man muss die ganzen Straßen kennen. Wenn’s gut läuft, habe ich den Führerschein schon in drei Monaten.

Früher in Tirol, wo ich herkomme, bin ich auch Taxi gefahren, ich mag das. Da im Skigebiet habe ich gut verdient, auch sehr viel Trinkgeld. Da waren viele reiche Russen, die manchmal 100 Euro Trinkgeld gegeben haben. Das wird jetzt anders, denke ich. Es wird aber schon besser werden. Ich muss nur schauen, dass ich aus meinen Schulden wieder rauskomme.

Was ich an meinem freien Tag mache? Nicht viel. Ich gehe runter in die Gemeinschaftsküche, trinke einen Kaffee. Am Nachmittag gehe ich vielleicht spazieren und trinke noch einen Kaffee."

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