IAA startet in München: Eine Messe macht sich breit

Am Dienstag startet die Automobilmesse zum ersten Mal in München. Sie wird das Stadtbild eine Woche lang prägen – nicht nur mit ihren Angeboten in der City, sondern auch wegen des Protests gegen sie.
John Schneider
John Schneider,
Irene Kleber |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
9  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Zwei Meter breit, vier Meter lang und 18 km/h schnell - wenn keine Hindernisse wie Falschparker oder Radler in der programmierten Route herum- stehen: der autonome Test-Elektro-Minishuttle.
Zwei Meter breit, vier Meter lang und 18 km/h schnell - wenn keine Hindernisse wie Falschparker oder Radler in der programmierten Route herum- stehen: der autonome Test-Elektro-Minishuttle. © Bernd Wackerbauer

München - Volle U2-Züge und Stau in Riem. Das sind normalerweise die Dinge, die man als Münchner mitbekommt, wenn hier eine Messe stattfindet. Bei der IAA, der großen Auto- oder wie es die Veranstalter lieber ausdrücken, Mobilitätsmesse, die am Dienstag startet, wird das anders sein.

Und zwar aus mehreren Gründen. Zum einen findet die IAA nicht nur auf dem Messegelände statt (AZ berichtete). Stände und Veranstaltungen der Messe werden auch auf dem Königsplatz, der Brienner Straße, dem Wittelsbacherplatz, auf dem Odeonsplatz, im Hofgarten und der Hofgartenstraße, der Residenz, dem Max-Joseph-Platz, dem Marstallplatz und dem Marienplatz aufgebaut sein und stattfinden.

Lesen Sie auch

Großes Themenspektrum bei IAA in München

Zudem wird ein 5,1 Kilometer langer Abschnitt zwischen Innenstadt und Messegelände zur sogenannten Blue Lane umfunktioniert. Auf dieser Autospur sollen nur Autos fahren, die keine Verbrenner sind, oder in denen Fahrgemeinschaften unterwegs sind. Außerdem werden dort auch Shuttlebusse unterwegs sein.

Das Themenspektrum der Messe geht heuer von Testfahrten für neue Autos, was man auf einer Automesse erwarten dürfte, bis hin zu Diskussionen über urbane Mobilität und Präsentationen von Radltrends.

Diese Neuausrichtung der IAA wird allerdings kritisch beäugt. Mehrere Organisationen haben Gegenveranstaltungen und Protest angekündigt. Für sie bleibt die IAA eine Messe der Autoindustrie, die sich lediglich einen grünen Anstrich verpasst hat. Sicher ist: An der IAA kommt man diese Woche nicht vorbei.


Beförderung zur IAA: Minibus (noch) ohne Ego-Gen

Zur IAA dürfen Gäste an der Ottostraße einen autonomen Shuttle-Bus testen. Elektroleise surrt er los an der Haltestelle Ottostraße. Aber weit kommt der fahrerlose Minibus erstmal nicht: Vorn dran hat just ein Auto geparkt. Hindernis! Sagt die Technik, worauf das putzige Gefährt für sechs Passagiere wieder stehenbleibt. Dasselbe passiert bei Zweitereiheparkern, bei einem Baustellenzaun, bei Radlern, die in die programmierte Spur kommen.

Nach der Probefahrt: Mobilitätsreferent Georg Dunkel, MVG-Chef Ingo Wortmann, Klaus-Dieter Josel und Stefan Kühn von der DB (v.l.).
Nach der Probefahrt: Mobilitätsreferent Georg Dunkel, MVG-Chef Ingo Wortmann, Klaus-Dieter Josel und Stefan Kühn von der DB (v.l.). © Bernd Wackerbauer

Erst zwei Ecken weiter an der Brienner Straße kommt der Bus in Fahrt: 18 km/h. Oha, so würde sich das also anfühlen, wäre man tatsächlich ohne Busfahrer unterwegs in der Maxvorstadt.

Aber das ist noch Zukunftsmusik. Beim "autonomen" Ausprobier-Bus für die Besucher der IAA ist ein Operator an Bord, ein echter Fahrer also, der eingreift, wenn die Technik ruckelt. "Dem Bus fehlt noch dieses Ego-Gen", um sich im Verkehr durchzusetzen, scherzt Stefan Kühn, Chef der DB-Busgesellschaften in Bayern, der den Shuttle namens "EasyMile EZ 10, Gen3" (produziert in Frankreich) am Montag mit Stadt-, MVG- und Bahnvertretern der Presse vorgestellt hat.

Noch ruckelt die Technik: Stefan Kretzschmar fährt als Operator mit und lenkt von Hand, wenn der autonome Bus nicht weiterkommt.
Noch ruckelt die Technik: Stefan Kretzschmar fährt als Operator mit und lenkt von Hand, wenn der autonome Bus nicht weiterkommt. © Bernd Wackerbauer

Autonome Shuttle-Busse lässt die Bahn seit 2017 in Bad Birnbach fahren, seit 2020 auch im niederbayerischen Kreis Kelheim. Ab wann kommen sie wirklich nach München? MVG-Chef Ingo Wortmann meint: "Die künstliche Intelligenz muss für den Bus noch viel lernen. Aber in Münchens Außenbezirken wie Allach, Großhadern oder Waldtrudering kann ich mir das noch in diesem Jahrzehnt vorstellen."


Protest gegen IAA: Druck machen für andere Mobilität

Die Organisatoren der IAA-Protestdemo am kommenden Samstag kämpfen derzeit an vielen Fronten. Ihre Planung, die Radsternfahrt zur Theresienwiese auch über Autobahnen zu führen, stößt bei der Stadt auf wenig Gegenliebe. Das Bündnis #aussteigen hat gegen das Verbot geklagt. Der Verwaltungsgerichtshof muss entscheiden, das Urteil steht noch aus.

Die Organisatoren des Protests: Von links Andreas Schön (ADFC München), Roland Süß (Attac), die Moderatorin Frauke Distelrath, Jonathan Kolb (BUNDjugend) und Marion Tiemann (Greenpeace).
Die Organisatoren des Protests: Von links Andreas Schön (ADFC München), Roland Süß (Attac), die Moderatorin Frauke Distelrath, Jonathan Kolb (BUNDjugend) und Marion Tiemann (Greenpeace). © Felix Hörhager/dpa

Damit nicht genug: "Am Freitag kündigte die Stadt zudem kurzfristig an, dass sie darüber hinaus weitere Routen der Radsternfahrt komplett verbieten, verlegen und kürzen will", berichtete Münchens ADFC-Chef Andreas Schön am Montag. Derzeit würden vom ADFC Alternativrouten geplant, um für jeden Fall vorbereitet zu sein. Der Protest gegen die IAA beschränkt sich nicht auf die Sternfahrt. Ein "Kongress für transformative Mobilität", kurz KonTra, will am Donnerstag und Freitag im Feierwerk und im Eine-Welt-Haus Diskussionen und Workshops zum Thema Verkehrswende anbieten.

"Wie kriegen wir die Autos von der Straße? Wie sieht die Stadt der Zukunft aus? Darüber werden wir auf dem Kongress zwei Tage debattieren", erklärte Achim Heier (attac). Eröffnet wird der Kongress am Donnerstag, 10 Uhr, mit einer Talkrunde in der Kranhalle des Feierwerks. "Sand im Getriebe", ein Bündnis verschiedener Protestgruppen, will am Freitag die IAA mit einem Akt des zivilen Ungehorsams blockieren. Und lässt sich offenbar auch nicht von der Ankündigung abschrecken, dass die Messe mit viel Polizei geschützt wird.

Gemeinsam ist allen Protestlern die Forderung, Klima- und Verkehrswende konsequent anzugehen. Elektroautos und Radlmesse seien aber nur grüne Feigenblätter, neudeutsch "green washing". Jonathan Kolb (BUND) geht mit IAA und Autoindustrie hart ins Gericht: "Ich bin 25. Meine Zukunft wird zerstört. Wir brauchen in unseren Städten mehr Platz für Menschen und weniger Platz für klimaschädliche Autos."

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Radsternfahrt: Vier Routen durch München

16 Demozüge hat das Bündnis "aussteigen" am Samstag geplant. Elf Routen starten im Umland (unter anderem in Augsburg, Weilheim, Holzkirchen). In München sind vier Routen geplant. Startpunkte sind Schloss Nymphenburg, Studentenstadt, Ostbahnhof und Westpark.

Die Aufstellung beginnt jeweils um 12.30 Uhr, Abfahrt ist um 13 Uhr. Achtung: Die genauen Treffpunkte sind mit den Behörden noch in Klärung und werden schnellstmöglich bekanntgegeben. Aktuelle Infos finden sich unter www.adfc-muenchen.de und www.iaa-demo.de.

Die Familien- und Kinderdemo startet am Olympiapark, Willi-Daume-Platz 1. Hier beginnt die Aufstellung um 13 Uhr, bevor es dann eine halbe Stunde später losgehen soll. Geplant ist eine sechs Kilometer lange Route zur Theresienwiese. Auch ohne Rad kann demonstriert werden. Ein Demo-Protestzug startet um 12 Uhr auf der Theresienwiese mit einer Auftakt-Kundgebung, bevor rund um den Hauptbahnhof eine große Runde gedreht wird. Die Abschluss-Kundgebung mit Bands und prominenten Gästen auf der Theresienwiese beginnt dann um 15 Uhr.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
9 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • tutnixzursache am 07.09.2021 13:07 Uhr / Bewertung:

    Platz für Menschen bedeutet aber eben auch Platz für deren Fahrzeuge... wird je gern vergessen, dass all die Autos, Motorräder, Busse, Fahrräder, Transporter, LKW.... keine eigene Spezies sind.

    "Erst zwei Ecken weiter an der Brienner Straße kommt der Bus in Fahrt: 18 km/h. Oha, so würde sich das also anfühlen, wäre man tatsächlich ohne Busfahrer unterwegs in der Maxvorstadt." Ja, das waren Zeiten als man mit der Bimmelbahn noch aussteigen konnte um Blumen zu pflücken... Dann doch lieber die Busfahrer nicht alle in die Arbeitslosigkeit entlassen... das sind nämlich die Schattenseiten all dieses "autonom fahren" oder auch die "Selfserice-Kassen" in Supermärkten. Es werden zehntausende Arbeitsplätze ersatzlos wegfallen...

  • Pick am 07.09.2021 11:03 Uhr / Bewertung:

    Wenn sich eine subventionierte und von der Politik gehätschelte Messe über eine gesamte Millionenstadt ausbreitet, gibt es keine Widerworte. Sobald sich Protest regt gegen diese durch und durch korrupte Branche ("Dieselskandal" etc pp), dann rotieren die Kommentarschreiber und hauptberuflichen SUV-Fans. Wenn die vielen Pendler heute nicht den Grund erfahren hätten, warum es mal wieder massiv Stau gab, dann hätte es niemanden interessiert - ziemliche Heuchelei.

  • Ludwig aus Bayern am 07.09.2021 08:57 Uhr / Bewertung:

    ""Wir brauchen in unseren Städten mehr Platz für Menschen" - Städte waren schon eng und hatten wenig Platz, als es nur Pferde, Esel- und Ochsenkarren gab. "

    Wenn wir Platz für Menschen brauchen, warum machen wir es uns dann so eng? Berlin hat Platz. München hat keinen. Berlin hat Straßen. Wir haben Gässchen.
    In Neuperlach wurden hohe Häuser gebaut, mit großen Wohnungen. Und viel Grün und viel Platz dazwischen. Für Verkehr, aber auch für Menschen. Ein modernes Konzept, schon vor Jahrzehnten. Heute soll es nachverdichtet werden.

    Warum nicht einfach alles haben? Hoch bauen, große Wohnungen, viele Parkplätze, breite Straßen, breite Parkanlagen, geräumige Märkte, Sonne satt? Warum immer klein, klein? Enge Straßen, keine Parkplätze, niedrige Häuser, kleine Wohnungen, kein Grün, kein Platz?

    Das Auto der Zukunft hat keine Räder, sagte ich vor 10 Jahren. Es ist eine Logistikkette. Mit Fahrgastzelle bis in die Wohnung. Automatisch.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.