Interview

Hersteller der Olympischen Fackel 1972: "Zwei Sekunden - eine Ewigkeit"

Hans-Wolfgang Tyczka konstruiert die Fackel für die Olympischen Spiele 1972 - für die AZ entfacht er noch einmal das berühmte Feuer.
Paul Nöllke |
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Tyczka-Firmensprecher Ulrich Hanke, Hans-Wolfgang Tyczka und sein Sohn, Frederick Tyczka-Christoph, der eine originale olympischeFackel hält.
Tyczka-Firmensprecher Ulrich Hanke, Hans-Wolfgang Tyczka und sein Sohn, Frederick Tyczka-Christoph, der eine originale olympischeFackel hält. © Paul Nöllke

München - AZ-Interview mit Hans-Wolfgang Tyczka: Der 96-Jährige ist Inhaber der Flüssiggasfirma Tyczka. Sie wurde 1924 von seinem Vater in Schlesien gegründet, seit 1962 ist der Firmensitz in Geretsried.

Es waren nur zwei Sekunden - aber für Hans-Wolfgang Tyczka fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. "Als Günter Zahn die große Olympische Fackel entzündete, war das ein spannender Moment", erzählt Tyczka.

Günter Zahn, nachdem er das Olympische Feuer entzündet hat. Im kleinen Bild (v.l): Tyczka-FirmensprecherUlrich Hanke, Hans-Wolfgang Tyczka und sein Sohn, Frederick Tyczka-Christoph, der eine originale olympische Fackel hält.
Günter Zahn, nachdem er das Olympische Feuer entzündet hat. Im kleinen Bild (v.l): Tyczka-FirmensprecherUlrich Hanke, Hans-Wolfgang Tyczka und sein Sohn, Frederick Tyczka-Christoph, der eine originale olympische Fackel hält. © imago/Pressefoto Baumann

Hatte sich die harte Arbeit der vergangenen Jahre ausgezahlt oder sollte sein Wagnis zu einer riesigen Enttäuschung werden? "Ich habe später im Fernsehen mal die Zeit gemessen. Das Anzünden hat zwei Sekunden gedauert - für mich hat es sich wie eine Ewigkeit angefühlt."

Der Flüssiggas-Unternehmer Hans-Wolfgang Tyczka konstruierte die Flammen für die Fackeln der Olympischen Spiele 1972 in München. Die AZ hat ihn in seinem Haus in Icking zum Interview getroffen.

AZ: Herr Tyczka, wie bekommt man überhaupt den Auftrag, die Olympischen Fackeln zu konstruieren?
HANS-WOLFGANG-TYCZKA: Es war der 26. April 1966, ich war zu Hause. Georg Brauchle, der Sportbürgermeister der Stadt München, trat gerade aus dem Sitzungssaal des Hotels Excelsior in Rom und verkündete die sensationelle Nachricht, dass Deutschland die Olympischen Spiele 1972 mit dem Austragungsort München ausrichten wird - und das mit sehr knapper Mehrheit von einer Stimme.

Und dann haben Sie sich beworben, die Fackel herzustellen?
Ich rief sofort meinen Vertriebsleiter an und erklärte ihm: Sie erhalten hiermit den Auftrag, die Flamme für die Olympischen Spiele 1972 zu bauen. Der Vertriebsleiter fuhr sogleich ins Rathaus München und überraschte die Bürgermeister mit der Botschaft, dass die Firma Tyczka die Entwicklung und Lieferung des Olympischen Feuers übernehmen wird.

Ganz schön mutig! Das wurde einfach akzeptiert?
Ja! Das ist aber auch das Credo meiner Firma. Wir sind Pioniere - und Pioniere machen eben solche Dinge!

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Wie ging es dann weiter?
Es folgte ein Rattenschwanz an Besprechungen und Planungen. Wir arbeiteten sehr eng mit Willi Daume zusammen, dem damaligen Präsidenten des Olympischen Komitees in Deutschland, mit dem ich danach auch befreundet war. Er hatte konkrete Vorstellungen von den Fackeln.

"Das Olympische Feuer von 1972 brennt immer noch"

Was waren die Anforderungen?
Die große Fackel im Stadion musste richtig rauschen und schön brennen. Sie sollte immer zu sehen sein - das war Daume wichtig. Die kleinen Handfackeln, mit denen das Olympische Feuer nach München getragen wurde, mussten immer brennen - egal ob im Regen, Sturm oder Hagel. Und wir brauchten von diesen kleinen Fackeln 6.000 Stück, denn jeden der 6.000 Kilometer Strecke vom antiken Olympia nach München übernahm ein anderer Fackelträger und die Träger dürften ihre Fackeln behalten. Jede der 6.000 Fackeln musste funktionieren.

Die Fackel wird über den Tegernsee gerudert ...
Die Fackel wird über den Tegernsee gerudert ... © imago/Heinz Gebhardt

Und die Fackel ist wirklich auf dem ganzen Weg nie ausgegangen?
Nein, wirklich nicht! Wir hatten aber auch Begleitfahrzeuge dabei, in denen wir Ersatzfackeln mit dem Olympischen Feuer mitführten. Tatsächlich brennt das Olympische Feuer von 1972 sogar immer noch.

Die gleiche Flamme wie 1972?
Ja, bei einer Familie im Nachbarort hier. Ein Mann, der inzwischen leider verstorben ist, hat die Flamme damals mit einer Kerze mitgenommen und bei sich zu Hause aufbewahrt. Wie ein "Ewiges Licht" in einer Kirche. Seine Tochter pflegt diese Flamme - sie brennt bis heute. Nun, zum 50ten Jubiläum der Spiele, wollen sie die Flamme aber nach München bringen und dort erlöschen lassen ...

"Als die Flamme vorbeigetragen wurde, beteten die Männer"

Die Olympische Flamme scheint für viele Menschen etwas Besonderes zu sein?
Ja! Das habe ich beim Fackellauf gemerkt. Ein Beispiel: Als die Fackel auf dem Weg nach München durch Bulgarien getragen wurde, blieben die Bauern auf den Feldern stehen und begannen zu beten. Wirklich erhebend!

... und an Kühen vorbei nach München getragen!
... und an Kühen vorbei nach München getragen! © imago/Heinz Gebhardt

Waren Sie sich dieser Verantwortung von Anfang an bewusst?
Nein, das kam mir erst, als ich es gesehen habe.

Prägen Sie die Erlebnisse von damals immer noch?
Ja, doch nicht nur mich. Dieses Ereignis hat natürlich nachhaltig die Kultur unseres Unternehmens geprägt. Damals haben wir Flüssiggas als Brennstoff für die Fackeln genutzt. Flüssiggas ist auch heute noch ein zentraler Pfeiler der Tyczka Unternehmensgruppe. Unser aktueller Fokus liegt insbesondere jedoch darauf, in nachhaltige Energien zu investieren und weiterhin innovativ zu bleiben. Deswegen würden wir heute die Olympische Fackel mit grünem Wasserstoff betreiben.


Der Fackellauf: Von Olympia in die Welt

Beim Fackellauf wird das Olympische Feuer im griechischen Olympia mit Hilfe eines Spiegels entzündet und dann von verschiedenen Sportlern aber auch ganz normalen Bürgern zum Austragungsort der Olympischen Spiele getragen. Erstmals wurde der Fackellauf von den Nationalsozialisten 1936 veranstaltet, geht aber eigentlich auf eine Idee des jüdischen Archäologen Alfred Schiff zurück. Nach dem Krieg wurde die Idee des Fackellaufs wiederbelebt.

Traditionell wird die Fackel von Olympia aus zuerst zum Panathinaikon-Stadion in Athen getragen, in dem die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 stattfanden. Danach geht der Lauf zum jeweiligen Austragungsort.

Bei den Fackelläufen gibt es auch immer wieder Proteste. Manchmal gelang es Protestlern, die Olympische Flamme zu ersticken und auch wegen technischer Probleme ging die Fackel schon aus. Bei den Olympischen Spielen in Tokyo wurde der Fackellauf wegen der Corona-Pandemie unterbrochen.

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