Helmut Dietl: Der Münchenmacher

Helmut Dietl hat uns charmant und klug einen Spiegel vorgehalten und die Stadt (mit)geprägt. Das Leben des Star-Regisseurs.
von  Adrian Prechtel
1974: In Dietls „Münchner Gschichten“ reiten Günther Maria Halmer (M.) und seine Spezl über die Ludwigstraße.
1974: In Dietls „Münchner Gschichten“ reiten Günther Maria Halmer (M.) und seine Spezl über die Ludwigstraße. © dpa

München - Am Ende stand eine große Verletzung: Als vor drei Jahren sein letzter Film „Zettl“ ins Kino kam, hagelte es Verrisse: „schamlos charmlos“ war die AZ-Überschrift, weil Dietl ein Staraufgebot witzlos und wirr im Berliner Polit-Intrigantenstadl versinken ließ. Dass auch Freund Michael Graeter den Film grauenhaft fand, hat Dietl ihm nicht mehr verziehen.

Die langjährige freundschaftliche Verbindung mit der Münchner Abendzeitung war für Dietl auf Eis gelegt. Dabei war es gerade diese Zeitung, die Dietl seinen größten Triumph verschaffte: „Kir Royal“, ein sechsfacher TV-Scoop, das fantastische Porträt der Schicki-Micki-Stadt München, der heimlichen Hauptstadt in den Vorwendejahren.

Patrick Süskind hatte das Drehbuch geliefert, Graeter, der sich mit Dietl wochenlang in Los Angeles getroffen hatte, lieferte die zündenden Geschichten: „Ich scheiß dich zu mit meinem Geld“, der Satz vom rheinischen Generaldirektor einer Kleberfabrik, Heinrich Haffenloher, der mit Geldscheinen die Baby-Schimmerlos-Regel brechen wollte, dass dieser Klatschreporter (Franz Xaver Kroetz) bestimmte „wer drin“ war: in der Society und im Blatt, wurde zum geflügelten Wort und ein Drink aus Champagner und Cassis zum Kultgetränk einer vergnügungssüchtigen und glamourösen Feierzeit.

Es ging Dietl auch immer als Aufklärer um das Verhältnis von Wirklichkeit, Schein und Wahrheit. Entgegen den Spät-68ern aber hatte Dietls pointierte Präzision immer die große Leichtigkeit seiner Vorbilder: Billy Wilder, Ernst Lubitsch, Woody Allen.

„Non vivo, scrivo“, sagte der Schriftsteller in „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“: Joachim Król als Patrick Süskind, der die Filmrechte am Superbestseller rausrücken soll – so wie es sich halt im „Romana Antica“ zugetragen haben soll, als Bern Eichinger Jahre lang den „Parfüm“-Rechten hinterherjagte. Den Frauen natürlich auch. Die Käseglocke der Kunstwelt, serviert als ein Film, der selten das Restaurant verlässt.

Die große Kunst Dietls bestand darin, alles zu kombinieren: Zeitgeist, Witz und Unterhaltung. Und dabei waren seine TV-Meisterwerke immer auch kritisch: Als 1974 Dietls Karriere gleich mit einem Triumph begann, den „Münchner Geschichten“, da war diese Stadt eben noch nicht gentrifiziert, die Oma von Günther-Maria Halmer als Tscharlie noch Therese Giese und das Lehel auch noch kleinbürgerlich und münchnerisch, auch sprachlich, ein wenig in der Tradition Karl Valentins, aber ohne Dada.

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So hat Dietl eine amüsant-melancholische Heimatserie gemacht, die die ganze Bundesrepublik vor den TV-Schirm bannte, mit Alltagshelden, deren Träume zwar fast immer platzen, aber die weiterträumen: Es waren Romantiker.

Und so einer war auch Helmut Fischer als „Monaco Franze“, der im Untertitel seine Aufgabe hatte: als „ewiger Stenz“. So ist wieder die Kunst des Charmanten im Spiel, des Spielerischen, oft Hochstaplerischen, die Dietls Figuren oft haben: Ob sie Hitlertagebücher fälschen wie in „Schtonk!“, der 1992 nach dem TV-Erfolg von „Kir Royal“ im Kino einschlug.

Das Gespann Dietl-Süskind funktionierte, auch wenn 2005 das große Thema „Vom Suchen und Finden der Liebe“ etwas vekünstelt daherkam. Die TV-Talk- und Mediensatire „Late Show“, die Dietl mit Christoph Müller realisierte, war dann bereits etwas zahnlos. Dass bei der München-Premiere des folgenden „Zettl“ Co-Autor Benjamin von Stuckrad-Barre wüst das Publikum beschimpfte, war dann ein krasser Schlusspunkt der Filmreihe Dietls.

Großartigerweise aber werden uns ganz andere Szenen in Erinnerung bleiben: Gudrun Landgrebe als melancholische Diva im Rosenmeer, die dann in „Rossini“ Schluss macht, wenn’s am Schönsten ist. Oder die Münchner Geschichte des Westernritts auf der Leopoldstraße in „Der lange Weg nach Sacramento“, in dem für kurze Zeit die Phantasie über die Realität (in Form berittener Polizei und Wachtmeister Walter Sedlmayr) siegt.

Und Adorf als Haffenloher wird in unseren Köpfen immer wieder im Taxi mit Hunderterscheinen wedeln oder eine „Königliche Hoheit“, die eine Mischung aus Soraya und Silvia war, eine Wand im Hotel Bayerischer Hof mit einer Maschinenpistole durchballern, hinter der das Dream-Team lauert: Schimmerlos und sein Fotograf Herbie (Dieter Hildebrandt).

Dietl hat ein besonderes München erfunden, seine Vision der Gesellschaft ist ein Bild unserer Stadt. Und jeder kennt hier Menschen, auf die Dietls Figuren stark abgefärbt haben. So hat dieser Filmzauberer München nicht nur porträtiert, sondern auch selbst geprägt.   

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