Helene Fischer und weitere Superstars in München – Konzertveranstalter deutlich: "Künstler sind nicht die Freunde der Fans"

Viele Sängerinnen und Sänger touren derzeit um die Welt und kommen auch nach München. Die AZ hat mit einem Konzertveranstalter über Superstars, Fairness gegenüber Fans und die Musikindustrie gesprochen.
Christina Barnes
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Helene Fischer ist fünf Tage lang in der Olympiahalle in München zu Gast.
Helene Fischer ist fünf Tage lang in der Olympiahalle in München zu Gast. © Jens Niering

München - Harry Styles, Depeche Mode, Bruce Springsteen oder Helene Fischer: 2023 ist das Jahr der Superstars in München. Und auch fürs kommende Jahr haben sich mit Taylor Swift und Coldplay schon weitere angekündigt. 

Für die Fans ein Riesen-Ereignis – in den meisten Fällen aber kein günstiges. Häufig kosten Eintrittskarten für die Konzerte mittlerweile weit über 100 Euro. Abzocke, wie Konzertveranstalter Berthold Selig in der AZ sagt. Abzocke, die es nicht bräuchte, weil die Künstler selbst bestimmen können, wie viel sie für ihre Konzerte verlangen. 

Kritik an Superstars: "Es gibt Künstler, die Teil des Musikkapitalismus sind"

"Die Superstars könnten es sich ohne Weiteres erlauben, von ihren Fans günstigere Ticketpreise zu verlangen. Dass sie das nicht tun, bedeutet lediglich, dass sie es nicht wollen. Die Fans sind den Superstars offensichtlich egal, sie wollen auf dem Markt einfach Superprofite erzielen", sagt Seliger im AZ-Gespräch. 

Die Musiker werden reich – auf Kosten ihrer Fans. "[Ihnen] wird das Fell über die Ohren gezogen. Die Fans müssen sich von der Vorstellung verabschieden, dass die Künstler immer ihre Freunde sind. Das ist nicht der Fall."

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Berthold Seliger weiter: "Es gibt Künstler, die sich darum kümmern, die fair sind, und es gibt Künstler, die letztendlich nicht mehr Teil der Popkultur sind, wenn man es so brutal sagen will, sondern Teil des Musikkapitalismus. Denen es nicht mehr auf Musik und Teilhabe aller Menschen ankommt, sondern lediglich auf ihren Profit."

Mega-Einnahmen bei Konzerten: Superstars erhalten 90 Prozent Anteile am Gewinn

Wieviel Künstler bei großen Konzerten wie im Olympiastadion verdienen, kann man pauschal nicht sagen, erklärt der Experte. Denn: Jede Show hat unterschiedliche Produktionskosten. "Am Ende ist es so, dass die realen Produktionskosten abgezogen werden von der Umsatzsumme und die Künstler erhalten bei Stadionkonzerten in der Regel gigantische Anteile, deutlich über 90 Prozent. Der Veranstalter bekommt meines Wissens zwischen einem und drei Prozent", so der 63-Jährige. 

Besonders interessant: Heutzutage verdient der Veranstalter vor allem am Ticketing, nicht an der Veranstaltung selbst. "Im aktuellen Geschäftsbericht von 2022 berichtet Live Nation, dass ihre Gewinnmarge im Konzertgeschäft bei lediglich 1,3 Prozent liegt, im Ticketing aber bei satten 37 Prozent. Ähnlich bei CTS Eventim im Geschäftsbericht 2022: Der Gewinn im Konzertgeschäft beträgt 8,2 Prozent, im Ticketing 48,6 Prozent."

"Fans sind neben Künstlern das eigentliche Fundament unseres Konzertgeschäfts"

Berthold Seliger, der unter anderem in Fürstenfeldbruck aufgewachsen ist, sieht die Entwicklung in den letzten Jahren äußerst kritisch. "Im Grunde ist alles eine Frage der Fairness: Wie will man die Fans behandeln? Gut? Oder will man möglichst viel Profit rausschlagen? Klar, wir wollen ja alle an den Konzerten verdienen: Die Musiker:innen, die Agenten, die Veranstalter. Aber die Fans sind doch neben den Künstler:innen das eigentliche Fundament unseres Konzertgeschäfts", sagt er.

Er fordert daher faire Ticketpreise und geringere Gebühren. Zu letzteren erklärt Seliger: "Früher gab es die Vorverkaufsstellen, die Miete und Personalkosten zahlen sowie Werbung machen mussten. Dafür haben sie ursprünglich mal 5,2 Prozent, am Schluss dann zehn Prozent verlangt. Mittlerweile geht alles übers Internet, die meisten Kosten fallen weg, trotzdem werden weiter die zehn Prozent veranschlagt. Wofür? Das ist ein Punkt, bei dem man sagen muss: Das könnte man auf vernünftigere Levels wie fünf Prozent oder weniger reduzieren, damit würden die Tickets schon deutlich billiger werden."

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Horrende Ticketpreise: Wie weit wird das noch gehen?

Dass die Ticketpreise in naher Zukunft sinken werden, daran glaubt Seliger allerdings nicht: "Die Frage ist: Wie weit wird das noch gehen? Es ist eine rein wirtschaftliche Frage, wie lange die Fans das noch mitmachen. Bei Superstars ist es im Moment so, dass offensichtlich alle Preise bezahlt werden, weil die Leute unbedingt dabei sein wollen. Andererseits haben die Leute mit der Inflation zu kämpfen, mit der Rezession, sie haben weniger Geld in der Tasche, was vor allem auch junge Leute betrifft. Letztendlich wird es von der wirtschaftlichen Situation abhängen. Da wird ausgetestet, was geht."

Die Ticketpreise liegen in erster Linie an den Künstlern – doch auch die Fans haben Macht, indem sie Druck ausüben und überhöhte Preise boykottieren. Seliger: "Wenn die Künstler sagen, sie wollen faire Ticketpreise, dann wird das auch umgesetzt. Denn auch bei geringeren Ticketpreisen wird ja Geld verdient. Die Frage ist nur: Müssen an einem Großkonzert Millionen verdient werden, oder reicht auch deutlich weniger? Das ist eine Frage der Gier und hat mit dem überbordenden Kapitalismus unserer Tage zu tun."


Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals im Juli 2023.

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  • DerDonald am 26.07.2023 06:22 Uhr / Bewertung:

    Einfach nicht mehr hingehen. Fertig.

  • meingottwalter am 25.07.2023 23:04 Uhr / Bewertung:

    Vor allem sind die Fans den Veranstaltern komplett egal. Nach dem Bruce Springsteen Konzert konnte mal nicht mal mehr ein Wasser kaufen.

  • .x.x. am 25.07.2023 12:29 Uhr / Bewertung:

    Und früher war das natürlich ganz anders? Die Beatles, die Stones und alle anderen sind aus reiner Menschlichkeit auf Tournee gegangen? Wenn jemand 200€ und mehr für ein Ticket verlangt geht man eben hin, oder lässt es bleiben.

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