Händler in München frustriert über Bahnstreik: "Niemand versteht die GDL"
München – Die Zeugen Jehovas streiken nicht. Sie stehen dort, wo sie immer stehen: im Zwischengeschoss des Münchner Hauptbahnhofes, mit einem kleinen Tisch und vielen Flyern. Unter ihnen fahren die U-Bahnen, über ihnen die ICEs und Regionalzüge. Dazwischen wuseln Menschen über Treppenstufen. "Heute ist nicht mehr oder weniger los", stellt ein lächelnder Zeuge mit Kurzhaarschnitt fest.
Tatsächlich sind die U-Bahnen so gut gefüllt wie immer, nur die Eingangshalle – oben, beim Fernverkehr – ist etwas leerer als gewohnt. Denn die Bahn streikt. Mal wieder. Noch bis inklusive Freitag hat die Gewerkschaft GDL ihre Mitarbeiter zum Ausstand aufgerufen. Die Bahn, und damit auch die S-Bahn München, fährt nur mit einem Notfallplan. Viele Reisende könnten da durchaus göttlichen Beistand gebrauchen: einige Verbindungen werden angeboten, andere nicht, manche mit Verspätung. Willkommen im DB-Roulette.
Streik der Bahn in München: So reagieren die Fahrgäste
Zwei sehr entspannt wirkende Pensionärinnen aus der Schweiz wollen zurück nach Wil im Kanton St. Gallen, aber die Bahn lässt sie nicht. "Vier verschiedene Abfahrtszeiten wurden uns bereits genannt, immer verschiebt es sich nach hinten", sagt eine von ihnen. Dafür sind die beiden Frauen noch ziemlich gut gelaunt. Aber Edith und Marion fahren jedes Jahr für den Circus Krone nach München: "Wir kennen die Deutsche Bahn mittlerweile, Verspätungen planen wir mit ein."
Natürlich läuft das in der Schweiz ganz anders: "Da wird man schon bei drei Minuten Verspätung nervös. Und gestreikt wird auch nicht so viel." Die beiden kichern und schwärmen von ihrem Münchner Kurztrip. "Jetzt fahren wir nach Hause. Für den Zirkus kommen wir nächstes Jahr wieder." Eine optimistische Aussage, dazwischen liegen schließlich zwei DB-Reisen.
Nicht ganz so gut gelaunt sind die Verkäuferinnen in der Bäckerei Rischart am Ostbahnhof. "Am Anfang hatten wir Verständnis für den Streik. Aber jetzt reicht es." Viele Mitarbeiterinnen wohnen außerhalb der Stadt. Sie sind auf die S-Bahnen und Regionalzüge angewiesen. "Eine Kollegin muss nun bei ihrer Tochter in München übernachten, weil sie es sonst nicht zur Arbeit schafft." Außerdem kommen weniger Kunden, die Kassen bleiben leer.
Händler reagieren gereizt auf Streik der GDL
Für Wolfang Fischer, Geschäftsführer des Vereins City Partner, ist der Streik deshalb eine „Katastrophe“. Fischer vertritt die Münchner Innenstadt-Händler und sagt: „Niemand versteht die GDL. Es herrscht völliges Unverständnis, völlige Verärgerung. Dieser Streik trifft den Einzelhandel und vor allem die Mitarbeiter.“
Ohnehin scheint kaum einer mehr Verständnis für die Streiks zu haben. "Unverständlich", "nicht nachvollziehbar" und "richtig scheiße" heißt es einhellig. Markus, ein Arzt aus München, stößt sich vor allem an der Aussage des GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky, die Eisenbahn solle ein unzuverlässiges Verkehrsmittel werden. "Das ist auch nicht im Sinne des Umweltschutzes."

Wenig überraschend sehen das zwei Zugbegleiter der Konkurrenzgewerkschaft EVG ähnlich. "Die 35-Stunden-Woche ist eh nicht durchsetzbar. Der Streik ist sinnlos." Und sein Kollege ergänzt: "Wir sind Eisenbahner mit Herzblut. Die Fahrgäste lassen den Unmut an uns aus. Und er ist berechtigt! Dieser Protest geht nicht mehr von den Lokführern aus, sondern von Claus Weselsky selbst."
Unverständnis hat sich breit gemacht in München, aber das ganz große Chaos bleibt an diesem Donnerstagmorgen aus. Die meisten Pendler scheinen sich auf den Streik eingestellt zu haben. Sie reisen mit anderen Verkehrsmitteln, planen Verspätungen ein, arbeiten im Homeoffice. Es herrscht ein geordneter Ausnahmezustand. Schließlich ist man das alles schon gewohnt.
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