"Guide Michelin" & "Gault Millau": Seltsame Entscheidungen

München - Das Hoffen und Bangen in der Münchner Gastronomie-Szene hat ein Ende. Kurz nach den gestrengen Inspektoren des "Guide Michelin" haben diese Woche nun auch die Tester der zweiten wichtigen Feinschmeckerbibel "Gault Millau" ihr Urteil gefällt – und München leuchtet. Im strahlenden Sternen- und Punkteglanz seiner Top-Gastronomie.
Top-Noten für das Tantris
In der Spitzenliga sind sich die Tester, die manchmal recht uncharmant auch als Fresspäpste bezeichnet werden, soweit einig: Für Münchens Großmeister Hans Haas vom legendären Tantris gab’s vom Michelin erneut zwei seiner begehrten Michelin-Sterne. Vom Gault Millau, der nach französischem Schulnotensystem urteilt, erhielt Haas 18 Punkte (von bislang nie vergebenen 20), was für "höchste Kreativität und Qualität, bestmögliche Zubereitung" steht.
Eine 18-Punkte-Bewertung ging auch heuer wieder an den erneut zum Zwei-Sterne-Restaurant gekürten Feinschmeckertreff Geisels Werneckhof mit Küchenchef Tohru Nakamura am Herd. Dieselben Noten erkochte abermals Bobby Bräuer im Ess.Zimmer in der BMW-Welt – doch beim Blick in den druckfrischen Gault Millau wird man stutzig. Hier steht zu lesen: "Bobby Bräuer ist als Koch wie ein gut gereifter Wein, der mit den Jahren immer noch besser wird." Damit nicht genug des Lobes. Die Küche im Ess.Zimmer sei "eine der besten im Lande". Warum, fragt man sich da, bekommt Bobby Bräuer dann wieder "nur" 18 Punkte und keine Aufwertung? Wenigstens auf 18,5, wenn nicht gar 19?
Gault Millau: Keine Aufwertung für Jan Hartwig
Und was ist mit Jan Hartwig? Der Küchenchef vom Atelier im Bayerischen Hof wurde heuer zum Drei-Sterne-Koch gekürt, was einer Sensation gleichkommt: Nachdem der unerreichbare Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann 1993 seine Feinschmecker-Oase Aubergine zugesperrt hat, gab’s in München fast ein Vierteljahrhundert lang keine drei Sterne mehr. Ein Mega-Urteil von den Michelin-Testern für Jan Hartwig also, doch dem scheinen sich die Kollegen vom Gault Millau nicht so ganz anschließen zu können. Zumindest bekam Hartwig keinerlei Aufwertung im Vergleich zum Vorjahr: 18 Punkte.
Der AZ sagt der 35-Jährige auf Nachfrage zu diesem leichten Missverhältnis: "Ich bin glücklich über den dritten Stern." Kein Wort zum Urteil des Gault Millau. Keine Antwort ist allerdings auch eine Antwort – wie bei Martin Fauster vom Königshof. Bei ihm liegt der Fall jedoch genau anders herum. Fauster (auch 18 Punkte) hätte sich nach Meinung zahlreicher Kochkollegen – seiner Gäste sowieso – schon längst nicht nur einen, sondern einen zweiten Michelin-Stern verdient, doch der lässt nach wie vor auf sich warten. (Hier gibt's das ausführliche AZ-Interview mit Jan Hartwig)
Eine Aufwertung erfuhr heuer indes Diethard Urbansky vom Restaurant Dallmayr. Er bekam wieder zwei Sterne, erstmals aber statt 17 nun 18 Punkte, womit München jetzt sechs Küchenkünstler und Restaurants mit 18 Gault-Millau-Punkten hat. Dazu kommen zwei mit je 17 Punkten (Les Deux und Schuhbecks Fine Dining), vier mit 16 (Acetaia, Jin, Huber, Pageou) und neun mit 15: Acquarello, Bavarie, Garden, Hippocampus, Käfer-Schänke, Schuhbecks in den Südtiroler Stuben, Schwarzreiter, Vecchia Lanterna und die heuer aufgewertete Geisels Vinothek.
In dieser mag man über den Vinothek-Klassiker und den frisch aufgeschnittenen San-Daniele-Schinken hinaus, durchaus gut essen, doch die hohe 15-Punkte-Bewertung überrascht nicht wenige in der Branche. Verwundert reibt man sich in diesem Zusammenhang die Augen beim Blättern im Gault Millau, denn hier sucht man in der neuen Ausgabe beispielsweise völlig vergebens die bewährte Alba Trattoria: bislang 14 Punkte, jetzt nicht mal mehr erwähnt.
Kein Punkt mehr für den Showroom
Noch eigenartiger wird es in Sachen Restaurant Showroom, vormals Schweiger2, Dominik Käppeler, der das Restaurant im Januar 2017 von TV-Koch Andreas Schweiger gekauft hat, schaffte es, den Michelin-Stern des Hauses in eigener Ägide fortzuführen. Diese Leistung und begeisterte Gäste in Münchens kleinstem Feinschmeckerlokal mit 28 Plätzen findet im Gault Millau eine erstaunlichen Resonanz – nämlich keine. Im Gegenteil: Statt der bisherigen 14 Punkte hat der Showroom heuer gar keinen mehr bekommen.
Dazu sagt Küchenchef Dominik Käppeler der AZ: "Vielleicht sind wir im ersten Jahr in neuer Konstellation auf Bewährung und müssen uns neu beweisen." Dass das eine sehr diplomatische Antwort ist, versteht sich von selbst.