Grundwasser-Anstieg: So versumpft München

München – Zuletzt ging es München Anfang Juni 2013 richtig nass nei: Nicht nur, dass die Isar nach tagelangen Regenfällen auf einem Rekordniveau von 4,30 Meter (statt sonst unter einem Meter) Bäume und Geröll mitriss. Auch von unten schwoll Münchens Grundwasser an – um bis zu eineinhalb Meter.
Es überschwemmte Straßen, flutete Unterführungen, drang in Keller und Fernwärmeleitungen ein. Von Pasing über die Au bis nach Moosach – aus allen Vierteln gingen Notrufe bei der Feuerwehr und dem Technischen Hilfswerk ein. Helfen konnten die Retter kaum. „Wenn das Wasser von unten kommt“, sagt Feuerwehr-Sprecher Johann Petryszak, „bringt alles Pumpen nix. Da hilft nur Warten, bis der Grundwasserspiegel sinkt.“ Es waren dramatische Tage, wie es sie künftig womöglich häufiger geben dürfte – auch bei weniger Niederschlagsmassen. Denn Münchens Grundwasserspiegel steigt. Seit Jahren.
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An den meisten der 4500 Messstellen im Stadtgebiet ist der Pegel seit 1980 teiweise rasant angestiegen, hat das Münchner Umweltreferat in einer ersten Bestandsaufnahme festgestellt. In Extremfällen um mehr als einen Meter.
Dass die Bürger im tiefer gelegenen Münchner Norden oder nahe der Isar in der Au immer häufiger über nasse Keller und feuchte Wände in ihren Häusern klagen – kein Wunder. Damit die Schäden nicht noch größer werden, will Umweltreferent Joachim Lorenz (Grüne) den Münchner Grundwasserspiegel in einer detaillierten Studie an der Münchner TU untersuchen lassen.
Die Morphologie Münchens
Im Schnitt liegt das Stadtgebiet Münchens auf 519 Höhenmetern. Allerdings sind die Höhenunterschiede in den Vierteln beträchtlich, nach Norden flacht die Stadt deutlich ab: Der höchste Punkt liegt mit 579 Metern in Solln, der niedrigste in Feldmoching (478 Meter).
Mit der Folge, dass der Grundwasserspiegel in Grünwald im Süden der Stadt (Geländehöhe 610,50 Meter) tiefe 35 Meter unter der Oberfläche liegt, im Herzogpark im Norden (502,70 Meter) steht das Wasser dagegen nur 2,27 Meter unter der Erde.
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Der größte Anstieg
Was die Grundwasser-Experten überrascht hat: Nicht nur im Münchner Norden, Nordwesten und Nordosten ist der Pegel angestiegen, sondern auch in der Münchner Innenstadt und im Süden.
Am auffälligsten ist der Anstieg in Sendling und Laim, im Bereich Pasing-Obermenzing-Moosach und punktuell auch im Innenstadtbereich wie in der Maxvorstadt und in Neuhausen.
An einer Vielzahl von Messstellen stellten die Experten ein Plus von 50 bis 100 Zentimetern fest, teilweise sogar noch mehr (siehe rote, lila und schwarze Punkte auf der Karte oben). Vor allem im Zeitraum zwischen 1990 und 2000 ist das Grundwasser an vielen Messstellen angestiegen.
Die möglichen Ursachen
Was genau die Gründe dafür sind, können die Experten aktuell nur vermuten: Neben Klimaveränderungen könnte die Verdichtung Münchens ein Grund sein. Immer mehr Baugebiete werden erschlossen, mit Tiefgeschossen, Tiefgaragen, Tunneln und Kanälen. „Damit wird der Raum für die Menge des Grundwassers eingeschränkt“, erklärt der Umweltreferent.
Weil das Stadtgebiet außerdem immer mehr versiegelt und weniger bepflanzt wird, kann weniger Regenwasser verdunsten. Und übers immer abgedichtetere Kanalsystem kann kaum noch Regen- oder Grundwasser abfließen.
Die Prognose
Vor zehn Jahren galt für die Experten noch die Faustregel: Mit der Schneeschmelze im Frühling und mit dem Starkregen im Juni steigen die Pegel wieder rasant an.
„Das funktioniert heute nicht mehr“, sagt Grundwasserexperte Andreas Scholz vom Wasserwirtschaftsamt. „Heute kommt ganz plötzlich an manchen Tagen so viel Regen runter, wie sonst in mehreren Wochen.“ Die nächsten feuchten Keller? Kann es also jederzeit geben.