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Neuer Gasteig in München verschlingt immense Summen: Wie die Stadt sie stemmen will

Der Stadtrat in München beschließt die Generalsanierung des städtischen Kulturzentrums – was der neue Gasteig nun kosten soll.
Robert Braunmüller
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Der neue Gasteig aus der Vogelperspektive mit der verbindenden Kulturbrücke zwischen den zentralen Trakten.
Der neue Gasteig aus der Vogelperspektive mit der verbindenden Kulturbrücke zwischen den zentralen Trakten. © Büro Henn

München - "So, und wenn wir hier schon fast alle dafür sind, dann gehen wird das aber auch kraftvoll an!", sagte Dieter Reiter vor der Abstimmung in der Vollversammlung über die Gasteig-Sanierung. Der Oberbürgermeister wirkt eher gezwungenermaßen überzeugt, die Vertreter der übrigen Fraktionen dafür umso mehr. Dann fiel lediglich gegen die Stimmen der AfD und der FDP der Beschluss, den Gasteig grundlegend zu modernisieren.

Die Liberalen forderten zuletzt, den Gasteig abzureißen, in die ehemalige Großmarkthalle zu verlegen und das Grundstück am Isarhochufer an einen Investor zu verscherbeln, um dort Wohnungen zu errichten. Daraus wird nun nichts: Eine Sanierung des Bestands gilt nicht nur als ökologisch zeitgemäßer als ein kompletter Neubau eines Gebäudes, das jenseits seiner Haustechnik in gutem Zustand ist.

"Sprung in Richtung Zukunftsfähigkeit": Braucht der Gasteig in München eine Generalsanierung?

Klaus-Peter Rupp (SPD) nannte in der Debatte noch einmal das entscheidende Argument für eine Generalsanierung: Die Alternative einer Grundsanierung mit der unumgänglichen Erneuerung der Haustechnik käme nach den Berechnungen des Baureferats nur 15 Prozent günstiger als eine zukunftsweisende Generalsanierung. Die bleibe, so Rupp, allerdings eine große Herausforderung und würde vielleicht nicht vollständig realisiert.

Die Generalsanierung soll die Gebäudetrakte mit einer gläsernen Kulturbrücke verbinden. Damit würde sich die öffentlich nutzbaren Flächen im Gebäude um ein Viertel vergrößern. Florian Roth (Grüne) sprach daher nicht zu Unrecht euphorisch vom "Sprung in Richtung Zukunftsfähigkeit", der komplett verwirklicht werden solle.

Roth mahnte allerdings auch ein Gesamtkonzept für Münchens Konzertsäle an. Auch der Oberbürgermeister warnte vor Überkapazitäten in diesem Bereich. Der Freistaat habe sich allerdings trotz vieler Gespräche nicht in den Gasteig einbringen wollen: Er verfolgt das Konzerthaus-Projekt im Werksviertel weiter, allerdings in abgespeckter Form.

Die umgestaltete Philharmonie im neuen Gasteig.
Die umgestaltete Philharmonie im neuen Gasteig. © Büro Henn

Münchner Philharmoniker freuen sich über Entscheidung

Als erste der Gasteig-Nutzer äußerten die Münchner Philharmoniker ihre Freude über die Entscheidung. "Die offene und moderne Gestaltung wird das Konzerterlebnis für unser Publikum – jung und alt – revolutionieren", so ihr Intendant Paul Müller. "Aber nicht nur das – mit der Öffnung der Fassade zur gläsernen Kulturbrücke wird der Vernetzungsgedanke aller künstlerischen Sparten der verschiedenen Institute am Haus auch gestalterisch umgesetzt. Egal ob groß besetzte Sinfoniekonzerte mit unserem designierten Chefdirigenten Lahav Shani oder zielgruppenspezifische Education-Angebote – der neue Gasteig wird ein Ort für außergewöhnliche musikalische Erlebnisse!"

Blick auf die Fassade des neuen Gasteig mit der verbindenden Kulturbrücke.
Blick auf die Fassade des neuen Gasteig mit der verbindenden Kulturbrücke. © Büro Henn

Ein Bekenntnis zur Kulturstadt München

Münchens Zweiter Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) sprach von einem "Bekenntnis zur Kulturstadt München". Die Generalsanierung sei eine "Investition in den wichtigsten Begegnungsort unserer Stadt." Der städtische Kulturreferent Anton Biebl dankte dem Stadtrat, dass er "in Zeiten wie diesen Großes wagt. Für die Menschen in München."

Bildung für alle sicherzustellen, bleibe eine großen Herausforderungen, um den urbanen Wandel zu meistern, so Arne Ackermann, der Direktor der Stadtbibliothek. Dafür brauche es eine zeitgemäße Zentrale, die diesen Herausforderungen auch gewachsen ist."

Neuer Gasteig: Attraktive Tourismusdestination und Argument für die hohe Lebensqualität

Auch Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) äußerte sich zustimmend: "Ein herausragender Wirtschaftsstandort ohne herausragende Kulturangebote ist um vieles ärmer. Der neue Gasteig wirkt in diesem Sinn für München als attraktive Tourismusdestination ebenso wie als Argument für die hohe Lebensqualität in unserer Stadt."

Bei der Generalsanierung soll auch der zweite größere Saal des Gebäudes verbessert werden. "Die Neugestaltung des Carl-Orff-Saals schließt eine große Lücke in der Münchner Konzertlandschaft und ermöglicht zukunftsweisende Programme an den Schnittstellen zwischen Musik und anderen aktuellen Kunstformen sowie zwischen Hochkultur und freier Szene", sagt Florian Ganslmeier, der Geschäftsführer des Münchener Kammerorchesters, das den Saal als Residenzorchester nutzen soll.

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Generalsanierung des Gasteig für 710 Millionen Euro

Über Details der Generalsanierung wurde im nichtöffentlichen Teil der Sitzung gesprochen. 2020, bei der Abstimmung über das anschließend gescheiterte Investorenmodell waren die Kosten für die Sanierung auf 450 Millionen gedeckelt. Nun hat die Stadt dem Vernehmen nach 710 Millionen Euro für das Projekt angesetzt – mit Luft nach oben. Eine städtische Tochtergesellschaft solle den Gasteig übernehmen und die Generalsanierung in einem Partnering-Modell mit einem noch zu findenden Bauunternehmen sanieren.

Dabei ist offenbar an ein Generalunternehmer-Modell gedacht, das beim Volkstheater erfolgreich war. Dort wurden der Zeitplan und der Kostenrahmen eingehalten. Mit einer Wieder-Eröffnung rechnet die Stadt Ende 2032. Und: Der Beschluss vom Mittwoch wird nicht der letzte sein, so Redner mehrerer Fraktionen. Denn die unendliche Geschichte dieser Sanierung ist erst dann zu Ende, wenn in – vielleicht zehn Jahren – die Philharmonie, die Stadtbibliothek und die Räume der Volkshochschule wieder mit Publikum und Leben erfüllt sind.

Hell und offen – die Stadtbibliothek im neuen Gasteig.
Hell und offen – die Stadtbibliothek im neuen Gasteig. © Büro Henn

Kein Politiker brennt für dieses Großprojekt

Was das angeht, kann einen die Vollversammlung des Stadtrats auch pessimistisch stimmen. Für das Projekt brennen eigentlich nur die Gasteig-Nutzer von den Philharmonikern bis zur Stadtbibliothek. Große Teile der Politik – allen voran der Oberbürgermeister – finden das Projekt eher lästig. Denn Stimmen sind mit dem Gasteig nicht zu gewinnen – eher schon Ärger mit Wählern, die einem im Straßenwahlkampf Ausgaben für den angeblichen kulturellen Luxus beklagen und den Kommunalpolitikern unsanierte Schulhaustoiletten vorhalten.

Und das weitere Vorgehen mit der Gründung einer Gesellschaft und Suche nach einem Bauunternehmer wird weiter Zeit kosten, in der die Sanierung kaum billiger werden wird. Und warum das Partnering-Modell besser funktionieren soll als das gescheiterte Investoren-Modell, kann derzeit auch noch niemand wirklich schlüssig erklären.

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10 Kommentare
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  • Dallas am 21.12.2023 15:28 Uhr / Bewertung:

    Okay, muss irgendwie sein, aber warum dann noch ein zusätzlicher Konzertsaal im Werksviertel?

    In einer Stadt in der Ubahn und vor allem Sbahn nicht funktionieren & Krankenhäuser schließen müssen, wäre es doch wirklich besser das Geld hier zu investieren und nicht wieder in subventionierte Kulturerlebnisse für die Besserverdiener ....

  • SuperMegaHelga am 21.12.2023 18:07 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Dallas

    Den Konzertsaal im Werksviertel braucht das Symphonieorchester des bayerischen Rundfunks!
    Weil der Bayerische Rundfunk ein Symphonieorchester braucht!
    Sagt auch Sir Simon Rattle!!

  • SuperMegaHelga am 22.12.2023 09:22 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Dallas

    Den Konzertsaal im Werksviertel braucht das Symphonieorchester des bayerischen Rundfunks!
    Weil der Bayerische Rundfunk ein Symphonieorchester braucht!
    Sagt auch Sir Simon Rattle!!

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