Interview

Grünen-Fraktionschefin Mona Fuchs: "Es werden Parkplätze entfallen"

Wollen die Grünen Autofahrer ärgern? Die Fraktionschefin Mona Fuchs erklärt im AZ-Interview ihre Verkehrspolitik und welche Fehler die Stadt gemacht hat.
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Ohne Parkplätze ganz zu streichen, kann die Verkehrswende nicht gelingen, glaubt Grünen-Fraktionschefin Mona Fuchs.
Ohne Parkplätze ganz zu streichen, kann die Verkehrswende nicht gelingen, glaubt Grünen-Fraktionschefin Mona Fuchs. © Petra Schramek

AZ-Interview mit Mona Fuchs (35): Seit 2020 sitzt sie für die Grünen im Stadtrat, seit diesem Frühjahr führt sie die Fraktion an.

AZ: Frau Fuchs, bevor Sie in den Stadtrat gewählt wurden, waren Sie Aktivistin für Klimaschutz. Wo wären Sie gern radikaler?
MONA FUCHS: Ich wäre nicht gern radikaler, aber schneller. Insbesondere beim regionalen Ausbau von Erneuerbaren Energien und regenerativer Wärme. Ich glaube, dass da in den letzten 15 Jahren viel Potenzial ungenutzt geblieben ist. Jetzt sind sich alle demokratischen Fraktionen im Stadtrat einig, dass Photovoltaik massiv genutzt werden muss, aber ohne die kriegsbedingte Energiekrise wäre das anders. Da hätte man vorausschauender agieren können.

"Bei Photovoltaik wurde zu lange geschlafen"

War es ein Fehler, dass die Stadtwerke vor allem in Erneuerbare Energien in Norwegen und Spanien investiert haben?
Ich würde das nicht gegeneinander ausspielen. Unsere Windkraftpotenziale in der Region sind begrenzt. Da finde ich es gut, die anderswo zu nutzen. Aber natürlich war es ein Fehler, dass der Photovoltaik-Ausbau hier lange nicht forciert wurde. Die Stadtwerke sind ein Konzern, da muss natürlich die Rendite passen. Nichtsdestotrotz hätte man eine langfristigere Strategie fahren können. Aber so schlecht sieht es aktuell mit der Photovoltaik nicht mehr aus.

Tatsächlich? Momentan generiert München bloß ein Prozent seines Strombedarfs aus Solarenergie.
Wir haben 15 Megawatt Zubau im Koalitionsvertrag beschlossen. Es sieht sehr gut aus, dass wir unser Koalitionsziel deutlich überschreiten. Deshalb werden wir ab nächstem Jahr unsere Ziele ändern: Ab 2024 und 2025 werden wir auf 30 Megawatt erhöhen. Und uns dann auf 60 Megawatt steigern.

"Wir wissen, dass wir unsere Ziele erreichen"

Ist das wirklich zu schaffen?
Wir würden nie die Zahlen so massiv erhöhen, wenn wir nicht wüssten, dass wir die Ziele auch erreichen können.

Können Sie nachvollziehen, dass es viele ärgert, dass Ökostrom auch teurer wird? Der Ukraine-Krieg hat Wind und Sonne ja nicht teurer gemacht.
Das kann ich nachvollziehen und das wird auch von uns diskutiert. Da muss man gucken, ob die Stadtwerke zusätzliche preisdämpfende Maßnahmen in die Wege leiten können, besonders da, wo man Anreize setzen kann. Ansonsten wird die Bereitschaft, einen Ökostromtarif abzuschließen, auf Dauer perspektivisch sinken.

Reden wir über Verkehr: Radwege sind zur Zeit leer. Die Autos daneben stehen im Stau. Ist das grüne Verkehrspolitik: Autofahrer ärgern?
Heute ist es sehr kalt. Man baut die Infrastruktur ja nicht nur für den Winter, sondern auch für die übrigen Jahreszeiten. Ich glaube, im Sommer sähe das Bild komplett anders aus.

Mehr Radwege bedeuten mehr RadfahrerInnen

Also sind die Münchner Ihrer Meinung nach zu zimperlich?
Da maße ich mir kein Urteil an. Es gibt den schönen Spruch: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten. Gleiches gilt für Radwege. Viele trauen sich nicht zu radeln, weil die Infrastruktur noch nicht so sicher ist, wie sie es bräuchten.

Freut es Sie, dass bald weniger Diesel-Autos durch München fahren?
Nein, mich hätte vor allem mehr gefreut, wenn wir in den letzten Jahrzehnten so viele Elektrobusse und Busspuren auf den Weg hätten bringen können, dass diese Maßnahme nicht notwendig gewesen wäre.

"Wir haben das Ziel, 500 Parkplätze im Jahr umzuwidmen"

Der Justizminister bezweifelt, dass das Verbot notwendig ist.
Nein, das ist EU-Gesetzeslage. Da können Strafzahlungen von bis zu einer Million pro Tag auf uns zukommen.

Wie viele Parkplätze wollen Sie nächstes Jahr streichen?
Wir haben im Koalitionsvertrag das Ziel, dass wir dauerhaft 500 Parkplätze im Jahr umwidmen wollen. Ich denke, dass sich das in dieser Größenordnung bewegt. Aber wir führen in unserer Fraktion keine Strichliste.

Kürzlich sagten Sie: Es ärgert Sie, dass sich CSU, aber auch die SPD sinnbildlich an jeden Parkplatz festkleben.
(lacht) Im Tal weisen wir eine Fußgängerzone aus und erhalten trotzdem jeden Anwohner-Parkplatz. Das wird nicht überall gelingen, wenn wir eine Verkehrswende wollen. Das würde ein Mehr an Tiefgaragen bedeuten. Wir wollen aber unseren Boden auch nicht komplett mit Beton füllen, weil es dann hieße: Schwammstadt ade. Es werden also weitere Parkplätze entfallen, und das verstecken wir auch nicht. Das stand schon in unserem Kommunalwahlprogramm.

"Fußgängerzonen sind ein Herzensprojekt, da werden viele folgen"

Wann wird die Münchner Innenstadt autofrei?
Komplett autofrei wird München nie sein. Lieferverkehr, Krankenwagen, Mobilitätseingeschränkte müssen die Innenstadt immer erreichen können. Ansonsten gibt es noch kein Gesamtkonzept, insofern kann ich keine Jahreszahl nennen. Wir werden weiterhin abschnittsweise vorgehen. Das Tal und die Westenriederstraße werden als Nächstes zur Fußgängerzone. Aber auch die dezentralen Fußgängerzonen sind ein Herzensprojekt. In der Weißenburger Straße haben wir die nächste Fußgängerzone angekündigt. Da werden noch viele weitere folgen, nicht nur in gut betuchten Stadtvierteln wie Haidhausen. Wo genau, ist aber noch nicht spruchreif.

Bis wann sollen die neuen Fußgängerzonen fertig sein?
In der Weißenburger Straße wollen wir mit einem Provisorium im Sommer 2023 beginnen, die bauliche Umsetzung dauert natürlich länger. Uns ist wichtig, Dinge auszuprobieren, bevor man alles in Beton gießt. Dann kann man sich genau anschauen, wo die individuellen Bedarfe der Viertel liegen und man beispielsweise noch Shuttlebusse und E-Rikschas, aber auch Anlieferzonen und Behindertenparkplätze braucht.

Anti Stammstrecke, anti U-Bahn?

Die Grünen waren nie Fans der Stammstrecke - wäre es besser gewesen, das Projekt im Sommer zu stoppen?
Wir haben keinen Fraktionsbeschluss dazu, aber wenn Sie mich persönlich fragen: Nein, ich war nie ein Fan der Zweiten Stammstrecke. Ich halte viel mehr von Ringverbindungen, insbesondere dem Südring, aber auch dem Nordring.

Werden Sie den Südring trotzdem weiter vorantreiben?
Das wollen wir auf jeden Fall. Wir haben für den Regionalhalt Poccistraße Mittel in die Hand genommen. Wir versuchen wirklich, im Rahmen unserer Möglichkeiten alles zu tun, in Vorfinanzierung zu gehen und das Projekt voranzutreiben.

Seit 2010 wurde in München kein U-Bahnhof eingeweiht. Ist das die Schuld der Grünen?
Wir haben als grün-rote Koalition gerade erst die Weichen für zwei große U-Bahn-Projekte gestellt: mit dem Vorhaltebauwerk für die U9 am Hauptbahnhof und für die Verlängerung der U5 nach Freiham. Uns Grünen wird zwar immer wieder angedichtet, wir wären gegen U-Bahnen, weil wir auch den Trambahn-Ausbau vorantreiben wollen. Wir finden aber: Das eine tun, das andere nicht lassen.

Grünen-Chefin Mona Fuchs (r.) im Interview mit Christina Hertel.
Grünen-Chefin Mona Fuchs (r.) im Interview mit Christina Hertel. © Petra Schramek

"Wir machen beides"

Bei den Grünen gibt es immer noch U-Bahn-Kritiker. Sie sagen, durch Bau werde zu viel graue Energie freigesetzt und das lohne sich erst nach 150 Jahren. Was entgegnen Sie?
Da geht es um Studien, die sich auf Berlin beziehen. Aber das sind Einzelmeinungen, als Gesamtpartei wollen wir den U-Bahn-Bau vorantreiben.

Wie schwer war es, Ihrer Basis zu verkaufen, dass im Münchner Norden tatsächlich wieder ein Autotunnel gebaut wird?
Wir mussten da nichts verkaufen, wir haben dagegen gestimmt.

Manches darf auch nicht überstürzt werden

Viele Aktivisten finden, die Grünen hätten sich mehr wehren müssen. Sie hätten die Koalition platzen lassen können.
Was wäre dann passiert? CSU und SPD wollen den Autotunnel ja beide. Das wäre doch total kurzfristig gedacht und steht für uns nicht zur Diskussion. Es gibt ein riesiges Verkehrsproblem im Münchner Norden. Wir glauben, dass es viel Potenzial gibt, das über die Schiene und über Busverbindungen abzuwickeln. Dafür braucht es aber Konzepte und die haben wir noch nicht. Und leider wollten CSU und SPD diese fundierte Entscheidungsgrundlage nicht abwarten.

Sie sagten mal: Als CSU und SPD regierten, hatten sie einen "Gönn-Dir-Haushalt". Was war das?
Wenn man um einzelne politische Schwerpunkte, die viel Geld kosteten, verhandelt hat, wurde nicht inhaltlich gerungen. Sondern es wurde gesagt, wir machen einfach beides. Was zur Folge hatte, dass nach dem Gießkannenprinzip Maßnahmen über die ganze Stadt gekippt wurden.

"Brauchen Millionäre wirklich eine kostenlose Kita?"

Zum Beispiel?
Von der kostenfreien Kita für alle habe auch ich als Mutter zweier Kinder profitiert. Aber ist es nicht ausreichend, wenn man das einkommensschwachen Haushalten zuteilwerden lässt? Brauchen denn Millionäre eine kostenfreie Kita? Vielleicht war es in diesen prosperierenden Zeiten nicht nötig, sich diese Fragen zu stellen. Man konnte sich das Gießkannenprinzip kurzfristig leisten. Aber diese Zeiten sind leider vorbei.

Die kostenlose Kita für alle könnten Sie ja abschaffen.
Das war einfach ein willkürliches Beispiel, über das man sich Gedanken machen muss. Aber in dieser Krisensituation, in der auch mittlere Einkommen wahnsinnig belastet sind, steht das für uns nicht zur Disposition.

"Kultur ist wichtig"

Wo sollte der Kämmerer sonst den Rotstift ansetzen?
Wir konsolidieren gerade fünf Prozent Sachmittel in jedem Referat. Das sind große Einschnitte. Gleichzeitig schauen wir jedes Referat einzeln an. Unser Kulturhaushalt steigt zum Beispiel. Andere Städte wie Nürnberg sparen aktuell 15 Prozent bei der Kultur. Bei uns ist das Gegenteil der Fall. Wir sparen hart, aber versuchen, das Geld dorthin zu verteilen, wo es am nötigsten gebraucht wird.

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Die SPD-Chefin findet: Die Grünen geben zu viel Geld für schöne Dinge aus - wie Pop-Kultur.
Ich glaube, als Sozialpolitikerin hatte sie nicht in Gänze auf dem Schirm, wie einschneidend die Pandemie für die Kulturschaffenden, aber auch für die Techniker und die Konzertagenturen war.

Wie ist denn die Stimmung mit der SPD gerade?
Fachpolitisch ist die Stimmung sehr gut. Wir haben auf beiden Seiten total engagierte Fachpolitiker, die Stunden lang gemeinsam an Vorlagen und Plänen hocken. Da wollen wir 90 Prozent der Zeit in die gleiche Richtung. Es ist schade, dass das oft so untergeht.

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45 Kommentare
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  • Wickie712 am 15.12.2022 06:36 Uhr / Bewertung:

    Als Radfahrer finde ich es ja gut, wenn Radwege ausgebaut werden, aber... wie wollen die es denn an manchen Ecken?

    Fahrzeuge nutzen die Fahrbahn, so steht es in § 2 StVO.
    Also 30 er Zone sowieso, seit 2001. Manche Fahrbahnen möchte ich aber nicht mit dem Rad fahren.

    Und Parkplätze entziehen? Mehr Kontrollen bei Radwegparkern, auch bei Radfahrschutzstreifen, nur ist das Problem für den Radfahrer, ihn nervt es kurz und die Parker sind nur kurz da. Die Autofahrer bleiben ja nicht auch auf der Autobahn stehen (ausser Stau).
    Die Innenstadt und alles im Mittleren Ring ist insgesamt überfüllt, Menschen, Radler, Autos und anderes.
    Zuwenig Parkhäuser oder Parkgaragen. Statt Hotelkomplexe bauen zu lassen, sollte mal ein Hochhaus für KFZ Parker gebaut werden.
    Und die paar Stellplätze für Radfahrer sind dauer überfüllt und unattraktiv. Mich nervt es, wenn ich in der Innenstadt mein Rad auf nem Gehweg abstellen muss.

  • kartoffelsalat am 15.12.2022 11:52 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Wickie712

    In diesem Moment sind in den Parkhäusern im Zentrum Münchens 3.192 Parkplätze frei (67%).

  • Candid am 14.12.2022 22:44 Uhr / Bewertung:

    Wenn Frau Fuchs bezüglich dem Fahrradverkehr wenigstens mal ehrlich wäre. Wetterbedingt gibt es jährlich ca. 100 Tage an denen von der Mehrheit der Radfahrer das Fahrrad auch genutzt wird. An den anderen Tagen sind die überteuerten Radwege oft verwaist. Die Grünen werden es nie schaffen die Bevölkerung auch an Tagen wie heute das Fahrrad als Individual-Fahrzeug vorzuschreiben.

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