München: Mieten statt kaufen ist der Trend
München - Seit Jahren schon staunte Stephan Kippes, Leiter des Marktforschungsinstituts IVD Süd, über die Entwicklung der Immobilienkaufpreise in München. Bei den regelmäßigen Pressekonferenzen sagte er stets: "Das ist wirklich ungewöhnlich, dass die Preise von Quartal zu Quartal immer nur steigen."
In München wollen die Mietpreise nicht fallen
Üblich sei es, betonte Kippes, dass auf dem Immobilienmarkt eigentlich stets eine Wellenbewegung zu sehen sein müsste, auch wenn die Preise langfristig steigen. Es hätte also immer wieder mal Phasen geben müssen, in denen die Preise zumindest leicht fallen. Aber nicht in München.
So eine Phase fallender Preise scheint nun jedoch endgültig angebrochen zu sein, nach der jahrelangen Verteuerung. Das zeigt die neueste Erhebung des IVD, die das Marktforschungsunternehmen bei einer Online-Pressekonferenz am Dienstag präsentierte.

Die Kaufpreise für Münchner Immobilien steigen nicht, sie stagnieren seit vielen Jahren sogar - und gehen teils leicht zurück (-0,5 Prozent seit Frühjahr 2022, bei Eigentumswohnungen im Bestand). Und das sei laut Kippes erst der Anfang. Er erwartet über den Winter weitere Rückgänge.
Seit den 2000ern ist die Münchner Drei- bis Vierzimmerwohnung eine Lieblingsanlage unter Privatinvestoren gewesen. Der städtische Immobilienmarkt war eine sichere Sache, im Gegensatz zum Zinsgeschäft mit der Bank (bei Leitzinsen um den Nullpunkt) oder zum manchmal unberechenbaren Aktienmarkt. Etwa alle sieben Jahre hat sich zuletzt der Wert einer Immobilie in etwa verdoppelt. Mietpreise stiegen auch, aber nicht ganz so rasant.
Viele können sich ein Eigenheim nicht mehr leisten
Doch das Zinsgeschäft mit der Bank kann sich für Anleger wieder lohnen, schließlich ist der Leitzins gestiegen. Und er wird noch weiter steigen. Das hat aber auch den Effekt, dass sich viele Kaufinteressenten zurückhalten, wenn sie einen Kredit aufnehmen müssten. Denn durch den steigenden Leitzins werden auch die Kredite teurer. Kippes führt eine grobe Modellrechnung vor.
"Wer noch 2020 - das ist ja gar nicht so lange her - eine Wohnung für 500.000 Euro kaufen wollte und 150.000 Euro Startkapital hatte, zahlte bei einem Kreditzins bis zu 0,8 Prozent etwa 700 bis 800 Euro Kreditraten im Monat", sagt Kippes. Das habe sich nun dramatisch geändert.
"Wer bei einem heutigen Kreditzins bis zu zwei Prozent den gleichen Kredit aufnehmen möchte, der zahlt monatliche Raten, die doppelt so hoch sind, bis zu 1.600 Euro", rechnet Kippes vor. Und das könnten und wollten sich eben viele Kaufinteressenten - wie etwa Familien - nicht mehr leisten.
Kaufflucht, Inflation und Kriegsfolgen fachen Mietpreise an
Die Folge: ein dramatischer Einbruch bei der Kaufnachfrage, nicht nur in der Stadt, sondern in der ganzen Region München. Immobilienexperte Christoph Hepting aus Freising etwa sagt: "Die Kaufnachfrage ist nahezu abgerissen. Ich empfehle den Verkäufern: Wartet erst mal den Winter ab." Immobilienfachmann Nikolaus Gschlößl, der unter anderem im Münchner Süden rund um Oberhaching und Sauerlach aktiv ist, bewertet es so: "Die Verkaufsobjekte sind wie festgenagelt. Wir bekommen sie nicht los."
Makler Christian Kortenbrede bemerkt, dass die Kaufinteressenten vor allem bei älteren Häuser sehr kritisch sind, "wegen der schlechten Energiebilanz". Das sei bis vor wenigen Monaten noch nicht so gewesen. Käufer hätten Makel in Kauf genommen, aus Angst, die Kaufgelegenheit zu verpassen, weil die Nachfrage so hoch war. Doch nun habe sich die Lage eben gedreht: kaum Nachfrage.
"Die Verkaufsobjekte liegen wie Blei im Markt", sagt er. Bei manchen Verkäufern hätten schon seit Wochen keine Interessenten mehr angerufen, sagt einer seiner Kollegen bei der IVD-Pressekonferenz.
Ein Vertreter von Tuscher Immobilien, aktiv im Landkreis Ebersberg und in München Ost, sagt: "Wir bemerken einen radikalen Nachfrageeinbruch. Der hohe Zinssatz ist schuld an der unmöglichen Finanzierbarkeit vieler Immobilien."
"Bei heutigen Krediten zahlt man doppelt so hohe Raten wie 2020"
Wer demnächst umziehen will, fragt sich jetzt vielleicht: Werden dann die Mieten auch günstiger? Die Antwort: leider nicht. Die Flucht aus der Ukraine, die hohe Inflation und die Flucht vom Kaufmarkt treiben derzeit noch mehr Menschen in den Mietmarkt. Die Folge: Eine deutliche Steigerung der Mietpreise in der Stadt, die ohnehin schon auf hohem Niveau sind. 18,40 Euro kostet der Quadratmeter Kaltmiete derzeit im Schnitt für die, die einen neuen Mietvertrag abschließen. Im Zehn-Jahres-Vergleich ein deutlicher Anstieg: 13,30 Euro betrug der Wert im Jahr 2012.
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