Grünen-Chef Dominik Krause über Haft für Klimaaktivisten: "Das ist vollkommen maßlos"
AZ-Interview mit Dominik Krause: Der Physiker ist Fraktionschef der Grünen im Rathaus.
AZ: Herr Krause, wenn Aktivisten immer wieder die Straße blockieren: Soll der Staat da einfach nur zuschauen?
DOMINIK KRAUSE: Ich finde die Mittel, die die Aktivistinnen und Aktivisten wählen falsch. Und auch für ihr ja eigentlich berechtigtes Ziel, mehr Klimaschutz, bringt das nichts. Weil wir statt über Klimaschutz nun über Sicherheitspolitik diskutieren.

Aber?
Was gerade befeuert durch CSU und FDP passiert, ist vollkommen maßlos. Ja, das sind Ordnungswidrigkeiten, teilweise vielleicht sogar Straftaten, aber ein Rechtsstaat muss damit auch angemessen umgehen können.
"Es ist nachvollziehbar, dass solche Aktionen viele Menschen ärgern"
Was ist denn angemessen, wenn Menschen immer wieder etwa am Stachus den Verkehr blockieren?
Erst einmal: Es ist nachvollziehbar, dass solche Aktionen viele Menschen ärgern. Aber Stau ist für eine Großstadt auch nichts total Ungewöhnliches. Bei jeder Demo, bei vielen Großveranstaltungen ist das Ergebnis ja dasselbe: Es wird der Verkehr aufgehalten. Da frage ich mich, wo denn zum Beispiel bei der CSU die Entrüstung war, als für die IAA die halbe Innenstadt lahmgelegt war.
Zurück zum angemessenen Umgang mit Verkehrsblockierern.
Die Frage ist doch eigentlich, ob es überhaupt angemessen ist, Leute einzusperren, weil sie Verkehr blockieren. Und erst recht, ob das präventiv angemessen ist, noch bevor sie weitere Taten begangen haben – also nur, weil sie das tun könnten.
Wie ist Ihre Antwort auf diese Frage?
Wir Grüne halten die Änderung des Polizeiaufgabengesetzes von 2018, durch das so etwas ermöglicht wurde, für grundsätzlich falsch und haben dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt.
"Ein Teil der CSU spricht sogar von Terror. Da bleibt mir echt die Spucke weg"
Auch mit dem Polizeiaufgabengesetz kann die Polizei nicht einfach Leute einsperren, ein Richter muss zustimmen. Wo ist das Problem?
Nochmal. Es geht nicht um eine Bestrafung für eine begangene Tat – sondern eine Gewahrsamnahme für eine Tat, die man begehen könnte. Ursprünglich sogar für mehrere Monate, hätte es nicht riesige Proteste gegeben, hätten wir das jetzt. Begründet wurde das damals, dass man diese Maßnahmen gegen Terroristen nutzt.

Aber?
Aber es ist eben so unkonkret definiert worden, dass es zu ganz anderen politischen Anlässen genutzt werden kann. Und genau das erleben wir jetzt. Es wird genutzt, um eine politische Richtung zu bekämpfen. Ein Teil der CSU spricht sogar von Terror. Da bleibt mir echt die Spucke weg. Die CSU ist hier demokratiegefährdender als die Aktivisten, denen sie das vorwirft. Und legt eine Verzerrung und Eskalation an den Tag, wie man sie sonst aus den USA von Trump und Co. kennt.
Die Grünen sind in München mittlerweile die Partei mit den größten Wahlerfolgen. Mit der Forderung nach einem milderen Umgang für Verkehrsblockierer glauben Sie aber nicht ernsthaft, für die Mehrheit der Münchner zu sprechen?
Ich glaube, dass eine sehr, sehr große Mehrheit der Bevölkerung Probleme mit dieser Präventivhaft hat. Deshalb sind ja 2018 auch Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. Der CSU sind die Felle so davon geschwommen, dass sie das im Eilverfahren durch den Landtag gebracht hat. Ja, ich glaube auch, dass das Mittel der Aktivisten keine große Begeisterung auslöst. Die Schlussfolgerung, das für Terror zu halten und die Leute einzusperren, lehnt aber ein großer Teil der Bevölkerung ab.
Wie ist die Rolle der Polizei?
Befremdlich. Sie macht sich zur Gehilfin der politischen Willkür der CSU. Ein Eindruck, der nicht entstehen sollte.
"Ich hoffe, dass viele Menschen schon am Sonntag Flagge zeigen"
Sie haben kürzlich gesagt. Sie fragen sich, wo das Ganze noch hinführen soll. Wo droht es aus Ihrer Sicht denn hinzuführen, im schlimmsten Fall?
Wenn wir anfangen, Leute präventiv einzusperren, weil sie Straftaten begehen könnten, hat das mit einem Rechtsstaat irgendwann nichts mehr zu tun.
2018 waren Zehntausende auf der Straße. Könnte zu dem Thema noch mal eine so große, so wütende Bewegung entstehen?
Ich hoffe, dass viele Menschen schon am Sonntag Flagge zeigen. Aber die Vorlaufzeit war jetzt natürlich sehr kurz. In den nächsten Monaten könnte das Thema aber wieder Fahrt aufnehmen. Es werden ja auch noch Urteile erwartet bei den Klagen gegen das Gesetz. Ich kann mit sehr gut vorstellen, dass es nicht bei der einen Demo am Sonntag bleibt.
- Themen:
- CSU
- Demonstrationen
- Dominik Krause
- FDP
- München
- Polizei