Gespenstisch: Gläserne Kunden in München
München - "Willkomen Petra“, leuchtet eine Schrift am Eingang beim Betreten des Ladens auf. Die Sensoren haben Petras Smartphone mit der „weShop“-App längst erkannt und begrüßen die Kundin wie eine alte Bekannte – das System kennt Petra schon vom Plakate scannen und früheren Besuchen.
Noch ist Petra bloß eine fiktive Person im virtuellen Kundenspeicher des „weShops“ – ein Ladenkonzept, das die Macher jetzt in München präsentiert haben und das sich wie eine Reise in die Zukunft anfühlt. Dabei wird der Verkaufsraum durch digitale Medien erweitert. Dazu gehören neben den Sensoren „iBeacons“ auch Onlineshops, Smartphone-App und Kundenberatung per Videotelefonie.
„Das ist die Heirat des digitalen Einkaufens und des physischen Erlebens“, schwärmt Hans-Peter Cohn von der Vitrashop-Gruppe, die den Laden der Zukunft zusammen mit Serviceplan mitentwickelt hat. Am Hauptstandort von Serviceplan, im Haus der Kommunikation an der Brienner Straße, haben die Entwickler diesen intelligenten Verkaufsraum aufgebaut.
Der Laden will angeblich gleich wissen, was Petra will, was ihr gefällt oder gefallen könnte. Die hat zuvor den QR-Code auf einer Werbetafel für eine Skijacke mit ihrem Smartphone gescannt und in der App gesehen, dass die Jacke im „weShop“ vorrätig ist. Das System zeigt Petra dann, wo sie die Jacke im Laden finden kann und schlägt ihr gleich noch eine passende Hose vor. Praktisch. Die Umkleidekabine scannt die Jacke und die Hose, die Petra aufhängt, und zeigt ihr auf dem Bildschirm, dass es beide noch in einer anderen Farbe gibt. Muss Petra noch einmal zurück in den Verkaufsraum, um die andere Jacke zu holen? Natürlich nicht. Die iBeacons im Spionspiegel haben längst ihre Körpergröße und Figur gescannt. Eine Projektion zeigt ihr, wie das Modell an ihr aussehen würde. Schon praktisch, sehr futuristisch – und auch gespenstisch, was dieser Laden alles kann.
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Die „weShops“ sind nicht riesig groß, die Auswahl ist aber trotzdem immens. „Auf 50 Quadratmetern kann – zusammen mit einem virtuellen Shop – ein Sortiment von 400 bis 500 Quadratmetern angeboten werden“, sagt Peter Focken, Geschäftsführer der Serviceplan-Gruppe.
Was nicht an den Kleiderstangen vor Ort hängt, wird einfach über die App bestellt. Petra will die Jacke doch lieber in einer anderen Farbe und ordert sie über die App. Ihre Kontodaten und Adresse sind dort natürlich hinterlegt. Die Hose nimmt sie gleich mit. An der „Kasse“ sitzt keine Angestellte. Petra legt die Hose auf die Theke, der Tisch erkennt das Produkt und zeigt es auf dem Bildschirm an. Weil der Computer erkennt, dass Petra schon öfter hier eingekauft hat, bekommt sie noch etwas Rabatt.
Zum Bezahlen legt Petra nur ihre Kreditkarte daneben – der Tisch weiß quasi Bescheid, der Kauf ist abgeschlossen. Ratzfatz geht das alles. Noch ist der futuristische Laden nur ein Forschungsprojekt. Allerdings eines, das den Datenschützern die Haare zu Berge stehen lässt. Der Kunde ist darin gläsern.
Dass ein derartiges Konzept auch Chancen bietet, liegt auf der Hand. Der Online-Handel boomt seit Jahren – der stationäre Handel hechelt hinterher. „2020 wird jeder dritte Euro online ausgegeben“, prognostiziert Peter Focken. Schöne neue Welt?
Wer den „weShop“ testen möchte, kann das (nach Terminabsprache) im Haus der Kommunikation, Brienner Straße 45, tun. Kontakt: Annika Simon, Tel. 089-20 50 23 40
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