Geschäfte in München: Wie viel Tradition steckt noch in der Innenstadt?

München - "Wenn mein Großvater mit mir an der Hand zum Obletter ging, hab ich mich gefühlt wie im Wunderland." Solch sentimentale Erinnerungen hat die Nachricht, dass das Spielzeuggeschäft am Stachus aufhören wird, wohl bei vielen Münchenern ausgelöst.
Wie berichtet will der Eigentümer den Mietvertrag, der Ende Januar 2023 ausläuft, nicht mehr verlängern. Wieder wird ein vertrautes Geschäft, das gefühlt schon immer da war, verschwinden. Obletter war allerdings schon länger nicht mehr in Familienhand, seit 1997 gehörte das Haus zur Drogeriemarktkette der Müller Handels GmbH & Co. KG.
Noch viele Traditionsgeschäfte in der Münchner Altstadt
Einige alteingesessene Geschäfte mussten in den vergangenen Jahren aufgeben, die Pandemie hat den Effekt verstärkt. Doch - und das ist die gute Nachricht: Es gibt noch viele Traditionsgeschäfte in der Altstadt, die seit Generationen in Familienhand sind und bislang allen Krisen getrotzt haben.
Eduard Meier: "Man braucht auch eine gewisse Verrücktheit"
Wie haben sie das geschafft trotz Lockdowns, sich ständig ändernden Hygieneregeln und dem unaufhaltsamen Trend, dass immer mehr Kunden online bestellen? Peter Eduard Meier (60), der mit seiner Schwester Brigitte das Schuh- und Bekleidungshaus Ed Meier (gegründet 1596) in der Brienner Straße führt, zur AZ: "Tradition ist nichts Museales. Man muss Krisen als Herausforderung sehen und sehr viel Arbeitskraft, Energie und eigenes Kapital reinstecken."

Unverzichtbar sei zudem: sich ständig zu verbessern. "Und man braucht Begeisterung und eine gewisse Verrücktheit", so Meier. Es reiche nicht, "mal Hoflieferant gewesen zu sein. Tradition heißt auch, so attraktiv wie möglich zu bleiben."
Was man als Geschäftsbetreiber in der Innenstadt aber überhaupt nicht brauche, so Meier, sei "eine Politik, die Kunden vergraule". Das von Grün-Rot erklärte Ziel, die Altstadt autofrei zu machen, sei solch eine Politik. "So macht man eine Stadt kaputt", meint der Unternehmer. Daher überlege er regelmäßig, aus der Brienner Straße an den Stadtrand zu ziehen - um mit dem Auto besser erreichbar zu sein.
Das sind noch traditionsreiche Geschäfte in München
Nicht nur maßgeschneiderte Schuhe, auch Haushaltsartikel, Duftwässer, Bücher, getrocknete Früchte, Instrumente und vieles mehr gibt es in diesen traditionsreichen Geschäften (eine Auswahl):
- Kustermann am Viktualienmarkt hat vor 223 Jahren mit Sensen, Strohmessern und Nägeln begonnen, nun ist es das größte Fachgeschäft für nützliche Dinge des täglichen Gebrauchs. In siebter Generation

- Dallmayr (seit 1700). Das Delikatessenhaus in der Dienerstraße gliedert sich in 19 Abteilungen (Kaffee, Pralinen, Wein, Wurst & Schinken, Obst & Gemüse, Fisch, Käse, Brot, Pasta, Fleisch, kaltes & warmes Buffet, Tee u. a.)
- Hirmer in der Fußgängerzone ist das weltweit größte Herrenmodegeschäft. Die Firmengruppe ist auch in der Immobilien- und Hotelbranche tätig, geführt in dritter Generation
- Bettenrid, 1916 wurde das Bettenfachgeschäft gegründet, zwei Filialen in der Theatinerstraße 47 und Neuhauser Straße 12. Seit 1992 gehört Bettenrid zur Günther Rid-Stiftung
- Lodenfrey, Maffeistr. 7-9, steht seit über 175 Jahren für exklusive Trachten- und Designermode. 1842 gegründet, heute in sechster Generation
- Sport Schuster, Rosenstraße. Münchner Original seit 1913, eröffnet von dem damals 30-jährigen August Schuster
- Ludwig Beck am Marienplatz, Kurzwaren in der Burgstr., Beauty-Shop in den Fünf Höfen. Seit 1998 an der Börse
- Juwelier Fridrich: Seit 1864 mit Sitz in der Sendlinger Straße 15. Die sechste Generation startet die Laufbahn im Familienunternehmen: Leopold Lindner nimmt nach dem Abschluss seines BWL-Studiums seine Arbeit auf – die nächste Staffelübergabe bahnt sich damit an.
- Einrichtungshaus Böhmler im Tal (seit 1875), Stephan und Thomas Böhmler führen das Haus in vierter Generation
- Buchhandlung Hugendubel, gegründet 1893, inhabergeführte GmbH. Das Haus am Marienplatz war 1978 das erste Buchkaufhaus, heute dort kleiner, außerdem am Stachus und vielen anderen Standorten
- Radspieler, Hackenstraße. Stoffe, Möbel aus hauseigener Schreinerei, Mode und mehr. Die Geschichte begann 1848 mit einer Vergolderwerkstatt
- Roeckl, feine Handschuhe und Accessoires seit mehr als 180 Jahren. Marienplatz, Theatiner Str., Maffaistraße
- Spanisches Fruchthaus (seit 1912), im Ruffinihaus
- Buchhandlung Lentner im Rathaus, älteste Buchhandlung Altbayerns (seit 1698)
- Musikgeschäft Hieber/Lindberg, (Hieber seit 1884/Lindberg seit 1924, Fusion 2006) in der Sonnenstraße 15.
- Hofjuwelier Carl Thomass, Marienplatz, seit 1848
- Seb. Wesely, Kerzen, Holzschnitzereien, Krippenfiguren, Am Alten Peter, seit 1557
- Künstlerbedarf Schachinger (seit 1877), Josephspitalstr. 6
- Jeans Kaltenbach (seit 1953), Herzogspitalstraße 4
- Kiosk am Sendlinger Tor, gegründet im Jahr 1900