Gerichtspsychiater wegen Missbrauch von Staatsanwältin angeklagt

Drogen gegen Sex - unter dieser Anklage steht ein psychiatrischer Gerichtsgutachter seit Dienstag selber vor dem Kadi. Der 59-Jährige muss sich vor dem Münchner Landgericht gegen den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer Staatsanwältin verteidigen. Er soll der medikamentensüchtigen Juristin 2010 ein Präparat mit dem abhängig machenden Benzodiazepin verschrieben und ihr auch Blankorezepte überlassen haben, für die sie ihm im Gegenzug Sex versprach.
München - Es ist ein ganz besonderer Fall, der in den vergangenen Monaten viel Unruhe ins Justizzentrum an der Nymphenburger Straße gebracht hat: Ein Gerichtsgutachter soll die Tablettensucht einer Staatsanwältin ausgenutzt haben, um als Gegenleistung für Beruhigungsmittel-Rezepte Sado-Maso-Sex mit der Frau zu bekommen. Am Dienstag begann der Prozess gegen Thomas Schwarz (59).
Auf Antrag des Anwalts der inzwischen bereits per Strafbefehl zu einer Geldstrafe verurteilten Staatsanwältin (43), sollte die Aussage des Angeklagten Thomas Schwarz eigentlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit über die Bühne gehen.
Damit wollte Hartmut Wächtler die Intimsphäre seiner Mandantin schützen. Die Staatsanwaltschaft war einverstanden, der Beschluss wurde vom Kammervorsitzenden Martin Rieder bereits verkündet. Da regte sich überraschend doch noch Widerstand.
Man habe den Antrag falsch verstanden und gedacht, dass die Öffentlichkeit lediglich bei der Aussage der Staatsanwältin ausgeschlossen werden soll, warfen die Verteidiger Matthias Nanz und Alexander Betz ein. „Ich lege größten Wert darauf, dass die Öffentlichkeit meine Version erfährt“, erklärte Schwarz selber in einer Verhandlungspause.
Was tun? Die Verteidigung übergab Wächtler den Text der Aussage von Schwarz zur Vorablektüre. Der las sie durch und und fand nichts Anstößiges daran. Wenn keine weiteren Fragen beantwortet werden, könne die Öffentlichkeit bleiben, so Wächtler. So geschah es. Nanz durfte die Erklärung seines Mandanten zu den Vorwürfen verlesen. Darin betont der Psychiater und Gerichtsgutachter, dass es sich um eine Liebesbeziehung gehandelt habe: „Wir sind händchenhaltend durch den Englischen Garten gegangen.“ Sogar von Kindern sei die Rede gewesen.
Die Staatsanwaltschaft habe aber hartnäckig eine andere Version der Geschehnisse angenommen. Laut Anklage bot die Staatsanwältin ihre sexuellen Dienste nur wegen ihres Verlangens nach dem Präparat an, im Bewusstsein, dass ihr behandelnder Psychiater ihr nach stationärer Behandlung ihrer Sucht das Mittel nicht verschreiben würde. Der Angeklagte soll die Sex-Offerte mit den Worten kommentiert haben, er könne sich die Frau gut als seine "Domina" vorstellen. Zu Treffen in ihrer Wohnung soll er Utensilien für Sado-Maso-Praktiken mitgebracht haben.
Schwarz wehrt sich: So sei er nicht erst am 2. Juli 2013 mit der Juristin zusammen gekommen, sondern bereits vier Tage früher. Das erste Rezept habe er am 5. Juli ausgeschrieben. Aber nicht für das süchtig machende Tavor wie es in der Anklage stehe, sondern für ein schwächeres Neuroleptikum.
Es habe auch kein Behandlungsverhältnis vorgelegen. Dass die Frau Rezeptblock und Stempel an sich genommen hatte, habe er nicht wissen können. Ein Arrangement Drogen gegen Sex, wie es die Ankläger darstellen, wäre für die 43-Jährige nicht in Frage gekommen, glaubt Schwarz. „Sie ist eine kluge und selbstbewusste Frau.“ Die sich nicht auf diese Weise prostituiert hätte. Dazu sollte die Juristin gestern noch selber aussagen. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Der Prozess ist auf zwei Tage angesetzt. Bereits am heutigen Mittwoch soll das Urteil gefällt werden.