GDL-Streik in München: Warum der erste Tag ganz anders lief als es viele erwarteten
München - Die Stadt im Ausnahmezustand, nichts geht mehr bei der S-Bahn und im Fernverkehr - das war wohl die Befürchtung einiger Münchner, als die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) einen dreitägigen Streik ankündigte.
Doch von leer gefegten Bahnhöfen und Stillstand auf der Schiene kann am Mittwoch, dem ersten Streiktag, in München nicht die Rede sein - im Gegenteil.
Trotz GDL-Streik in München: "So pünktlich wie heute sind die Züge selten"
"So pünktlich wie heute sind die Züge selten", sagt ein Mitarbeiter der S-Bahn der AZ in der Früh am Ostbahnhof. Hier fahren so viele S-Bahnen, dass der Eindruck entsteht, es herrsche normaler Betrieb. "Der Notfahrplan ist heute Morgen stabil und wie geplant angelaufen", schreibt ein Sprecher der Bahn auf AZ-Anfrage.
Auffällig sind nur die wenigen Fahrgäste, die sich an diesem Tag, an dem viele Lokführer die Arbeit niederlegen, auf den Bahnsteigen herumtreiben. Zwei Ebenen weiter unten, im U-Bahn-Geschoss, sieht die Lage schon etwas anders aus. Vor allem während des Berufsverkehrs ist hier viel los, die Pendler wissen offenbar: U-Bahn, Tram und Bus sind vom Streik nicht betroffen, alle Fahrzeuge der MVG fahren regulär – fast.
Ausgerechnet während des Streiks gibt es Probleme bei der U-Bahn in München
Denn ausgerechnet bei der U-Bahn, auf die viele Münchner an diesen Streiktagen ausweichen, gibt es am Mittwoch Probleme. "Derzeit kommt es zeitweise zu Unregelmäßigkeiten wegen Fahrzeugausfällen", steht auf den Anzeigetafeln. "Aktuell kommen leider mehrere Themen zusammen", teilt Maximilian Kaltner, der Sprecher der MVG, auf AZ-Anfrage mit. Das seien zum einen Flachstellen an den Radreifen der Züge, die beim Abbremsen bei rutschigen Gleisverhältnissen entstehen können und in der Werkstatt bearbeitet werden müssen.
Zum anderen gebe es Probleme bei der aktuell laufenden Brandschutzertüchtigung der U-Bahnen: Laut Kaltner treten immer wieder Fehlalarme auf. "Jeder Auslösung einer Brandschutzanlage hat einen Zugausfall zur Folge. Der Zug muss dann in die Werkstatt und überprüft werden", erklärt Kaltner. Die MVG arbeite mit hoher Priorität daran, den Fahrgästen möglichst bald wieder einen stabilen Betrieb anbieten zu können.
Im Zusammenhang mit dem Streik der GDL habe es bisher keine Auffälligkeiten gegeben, sagt Kaltner am Mittag. "Vermutlich sind die Fahrgäste, die die Möglichkeit hatten, zu Hause geblieben."
Taxifahrer und Verkäufer warten vergeblich auf Kunden
Das glaubt auch die Verkäuferin in der kleinen Rischart-Filiale am U-Bahnhof Marienplatz: "Keiner ist unterwegs, die Leute haben sich drauf eingestellt", sagt sie. Seit halb sechs Uhr morgens arbeite sie hier, selbst zu den Stoßzeiten sei nicht viel los gewesen. "Im Gegensatz zu anderen Tagen machen wir heute sehr wenig Umsatz."
So geht es an diesem ersten Streiktag auch einigen Taxifahren. An der Bayerstraße am Hauptbahnhof warten unzählige von ihnen auf Kundschaft. Von Streiktagen seien sie das nicht gewohnt. Thomas Kroker von der Genossenschaft Taxi-München teilte am Vortag noch mit, dass alle fahrtüchtigen Wagen im Einsatz sein würden und Fahrgäste mit kurzen Wartezeiten rechnen sollten – so lief es bei den letzten Streiks. Doch heute warten die Fahrer.
In der Bahnhofshalle hingegen wartet kaum jemand. An den Bahnsteigen stehen nur einzelne Züge, etwa solche des regionalen Bahnbetreibers Go-Ahead, dessen Lokführer nicht streiken. Es sind einige uniformierte Mitarbeiter der Deutschen Bahn zu sehen, die einzelnen Fahrgästen Fragen beantworten. Bisher sei es am Hauptbahnhof ruhig gewesen, die Leute hätten sich vorher informiert, sagt einer von ihnen zur AZ.
Ruhig wirken auch die meisten Fahrgäste, die am Mittwoch an den Münchner Bahnhöfen auf ihren Zug warten. Auch als es zu den Stoßzeiten in der U-Bahn doch ein bisschen eng wird – nichts Unübliches – bleiben die meisten gelassen. Es ist ein merkwürdiger erster Streiktag, an dem vieles so läuft, wie an jedem anderen Tag auch – wenn nicht sogar ein bisschen besser. Vielleicht also doch ein bisschen Ausnahmezustand.
AZ-Umfrage in München: Wie erleben Sie den Streik?

Philip Pecher (43), CEO: "Weil der Notfahrplan funktioniert, bin ich entspannt. Die Streikkultur zu Lasten von Fahrgästen kann ich aber nicht ganz nachvollziehen."

Juliane von B. (44), Juristin: "Ich finde die Lage am Ostbahnhof überschaubar, ich dachte, es ist voller. Die Leute wirken entspannt. Für den Streik habe ich Verständnis."

Mustafa Cankaya (46), Taxifahrer: "Die S-Bahnen fahren ganz normal, die Leute steigen nicht ins Taxi. Ich bin seit Stunden im Einsatz und hatte bisher nur einen Kunden."
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