Gasteig - das Millionengrab
MÜNCHEN - Der Reparaturbedarf endet nie. Das weiß jeder, der ein in die Jahre gekommenes Haus besitzt. Wenn es sich bei diesem Gebäude allerdings um einen fast 30 Jahre alten Klinkerklotz in Haidhausen handelt, dann lassen einen die anfallenden Sanierungskosten ganz schwindelig werden: Der Gasteig ist ein Millionenloch.
Nächste Woche soll die Sanierung mal wieder Thema im Arbeits- und Wirtschaftsausschuss des Stadtrats sein. Die AZ fasst den Stand der Dinge zusammen. 208 678 000 Euro. In Worten also: fast zweihundertneun Millionen Euro. So viel soll es kosten, das Kultur- und Bildungszentrum in den nächsten zehn Jahren baulich herzurichten. Wobei der so genannte „Masterplan 3.0“, aus dem diese Zahl stammt, ein reines „Sowieso-Szenario“ beschreibt. Sprich: Es geht eigentlich nur um Vorhaben, die sowieso nötig sind – „für die Aufrechterhaltung eines sicheren Betriebs“, wie es heißt.
Vieles andere ist da noch gar nicht eingerechnet. Alle Modernisierungen zum Beispiel, die zum Ziel haben, den Gasteig auch jenseits des reinen Bauerhalts zeitgemäß und attraktiv zu gestalten. Und auch die Kosten, die bei einer Verbesserung der Akustik in der Philharmonie anfallen würden, sind bei dieser Berechnung noch komplett ausgeklammert.
Die Zahlen liegen auf dem Tisch. Schon länger. Jetzt sind sie aber aktualisiert – und um rund 37,5 Millionen Euro nach oben korrigiert worden. Trotzdem wollen die Stadräte auch nächste Woche noch nicht über die Gesamtsanierung entscheiden. Erst einmal soll nur der Weg frei gemacht werden für den „Dringlichkeitsplan II“. Der sieht vor, dass nach Vorbereitungen in diesem Jahr insgesamt 22,6 Millionen Euro in die dringlichsten Sanierungsmaßnahmen gesteckt werden, und zwar im Zeitraum von 2014 bis 2017.
Das Werkeln hat ohnehin schon begonnen. In einem ersten Abschnitt werden seit 2011 bereits mehr als zwölf Millionen Euro in solche dringlichen Arbeiten gesteckt. Nun also die nächste Tranche. Das Geld, dessen Freigabe auch die Vollversammlung noch absegnen muss, soll zum Beispiel in eine Überprüfung und Überarbeitung der Feuerlöschanlagen fließen. Feuchte Kellerräume und undichte Glasdächer müssen repariert, bauliche und technische Mängel an der Tiefgarage behoben, Teppiche erneuert werden – und, und, und.
Lesen Sie hier: AZ-Redakteurin Julia Lenders über die notwendige Sanierung des Gasteigs
Die große Gesamtsanierung lässt derweil weiter auf sich warten. Sie könnte frühestens 2018 starten – wenn denn der Stadtrat nächstes Jahr grünes Licht dafür gibt. Dass bisher nach der Salamitaktik gearbeitet wird, stößt auch auf Kritik. So sagt CSU-Stadtrat Richard Quaas: „Ich betrachte das als Flickwerk.“ Es sei die falsche Entscheidung, die große Sanierung weiter vor sich her zu schieben. „Man hätte lieber in eine große Lösung investieren sollen. Das wäre billiger gewesen, als x Sanierungsschritte.“
In der aktuellen Beschlussvorlage für die Stadträte steht auch schon drin, für wie hoch die „verlorenen Investitionen“ eingeschätzt werden. Wenn die Gesamtsanierung tatsächlich ab 2018 realisiert würde, belaufen sie sich demnach auf 196 000 Euro. Das zuständige Wirtschaftsreferat schreibt aber: „Aufgrund ihrer sicherheitsrelevanten Dringlichkeit werden die Maßnahmen dennoch zum jetzigen Zeitpunkt zur Umsetzung empfohlen.“
Gasteig-Chefin Brigitte von Welser mahnt zur Eile. Was sie den Stadträten am nächsten Dienstag gerne mitgeben würde? „Es ist dringend, dringend, dringend.“ Schließlich gehe es auch um sicherheitstechnische Anlagen, die erneuert werden müssten. „Sonst stehen wir alle in der Verantwortung, falls etwas passiert und können nicht mehr ruhig schlafen.“ Spätestens 2014 müsse der Stadtrat grünes Licht für die Gesamtsanierung geben, wenn diese 2018 starten solle. „Wenn dieses Entscheidung nicht rechtzeitig getroffen wird, ist keine geordnete Planung mehr möglich – dann haben wir nur noch ein Notfallszenario.“
Bei der großen Lösung, einer Gesamtsanierung in kompakter Form, würde der Gasteig für ein halbes Jahr komplett gesperrt werden. Andere Gebäudeteile wie der, in dem sich die Hochschule für Musik und Theater befindet, wären für bis zu zwei Jahre dicht. Dafür wäre die Sanierung innerhalb dieser Zeit auch erledigt. 2020 wäre das über 80 000 Quadratmeter große Gebäude rundherum erneuert.
Zum Schluss noch ein Blick aufs große Ganze. Der 1985 eröffnete Gasteig wurde im Leasingverfahren erbaut. Das heißt: Die Stadt ist nur Mieter eines Geldkonsortiums. Der Vertrag läuft bis 2030. Bis dahin muss die Stadt noch eine Summe in der Größenordnung irgendwo zwischen 50 und 60 Millionen Euro an Leasing-Raten zahlen. Der genaue Rest-Betrag war gestern nicht zu erfahren. Dazu kommen dann noch weitere 14,5 Millionen Euro Ablöse, wenn die Stadt im Jahre 2030 Eigentümer des Gasteigs werden will. Macht zusammen also rund 70 Millionen Euro.
Auf die lange Bank geschoben ist die Entscheidung, was zur akustischen Verbesserung der Philharmonie unternommen werden soll. Solange die Suche nach einem neuen Konzertsaal weitergeht, will der Stadtrat sich da nicht festlegen. Wobei eine Machbarkeitsstudie in der Vergangenheit ermittelt hat: Die Kosten für einen optimalen Konzertsaal für zwei Orchester lägen bei 70 Millionen Euro.
Man muss nur mal addieren: Gesamtsanierung + Konzertsaal + restliche Leasingsumme – allein nach heutigem Stand könnte der Monsterbau die Stadt also noch rund 350 Millionen Euro kosten. Mindestens.
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