Freie Wähler im Umfragehoch – Geschäftsführer Mehring im Interview: "Aiwanger ist zur politischen Kultfigur geworden"

Noch zwei Monate bis zur Landtagswahl in Bayern. Ein Blick auf die aktuellen Umfragewerte dürfte vor allem die Freie Wähler freuen, die sich Hoffnungen machen können, zweistärkste Kraft im Freistaat werden zu können. Laut Fabian Mehring, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Partei, liegt das vor allem an Hubert Aiwanger.
Im AZ-Interview verrät Mehring, warum an den Vorwürfen, dass die Freie Wähler immer weiter nach rechts rücken, nichts dran ist – und warum er hofft, dass sein Chef Aiwanger seinen lautstarken Politikstil nicht ändert.
AZ: Herr Mehring, sehen Sie einen Zusammenhang zwischen den zuletzt guten Umfragewerten für die Freien Wähler und den jüngsten Äußerungen Ihres Vorsitzenden Hubert Aiwanger, die allgemein für Aufregung gesorgt haben – Stichwort "Demokratie zurückholen"?
Fabian Mehring: Wer diesen Sommer mit Hubert Aiwanger in einem bayerischen Bierzelt war, weiß, dass er dort schon vor seinem Auftritt in Erding gefeiert wurde wie ein Popstar. Hubert ist zu einer politischen Kultfigur geworden, weil er sich wohltuend von den aalglatten Polit-Funktionären unserer Tage absetzt, die Sprache der normalen Menschen spricht und damit die bürgerliche Mitte begeistert. Das war auch schon vor Erding so. Mich erinnert das an Franz Josef Strauß, der einmal gesagt hat, man müsse kompliziert denken und einfach sprechen – nicht andersrum. Ich glaube, Aiwanger hat mehr von diesem Strauß-Gen im kleinen Finger als manche Mitbewerber in ihrer ganzen Partei. Das gefällt vielen Menschen in Bayern, die mit links-grüner Abgehobenheit und Bevormundung nichts anfangen können und sich über das Berliner Ampel-Chaos ärgern.

FW-Geschäftsführer Mehring: "Bayerns AfD-Truppe ist der Loser unter Deutschlands Rechtspopulisten"
Sie haben erklärt, die Freien Wähler fischten nicht am rechten Rand. Was ist es sonst?
Wir sorgen erfolgreich dafür, dass die AfD in Bayern nur halb so stark ist wie im Rest der Republik. Bayerns AfD-Truppe ist der Loser unter Deutschlands Rechtspopulisten, weil wir Freien Wähler bürgerlichen Wählern, die unzufrieden mit der Union sind, eine neue Heimat in der politischen Mitte geben. Weil es uns gibt, muss in Bayern niemand aus der bürgerlichen Mitte zur AfD abdriften, wenn ihm in der CSU etwas nicht passt. So gesehen sind wir sowohl Bayerns Bollwerk gegen grüne Ideologen als auch gegen rechte Spinner. Als Kommunal- und Bürgermeisterpartei halten wir unser Land auf Kurs in der politischen Mitte und bewahren unsere Heimat gleichermaßen vor Berliner Linksruck und ostdeutschem Rechtsruck.
Was sagen Sie zu der Einschätzung der AfD-Politikerin Ebner-Steiner, ihr Hauptproblem sei Hubert Aiwanger? Ist das nicht als Ärger über Konkurrenz im rechten Lager auszulegen?
Das Hauptproblem von Rechtsextremen zu sein, ist ein großes Kompliment für jeden Demokraten – das nehme ich gerne an.

Fabian Mehring von den Freien Wählern: "Wir sind unserem Kompass treu geblieben"
Die Freien Wähler in Bayern positionieren sich nicht mehr in der Mitte, sondern deutlich rechts davon – was sagen Sie zu dieser Beschreibung, die sich ja auch der CSU-Vorsitzende kürzlich zu eigen gemacht hat?
Das ist insoweit eine Fehldiagnose, als sich an unseren Positionen nachweislich nicht das Geringste verändert hat. Die Ampel hat Deutschland nach links gerückt und mancher hat glücklos versucht, diesem vermeintlichen Zeitgeist nachzueifern. Wir sind stattdessen schlicht unserem Kompass treu geblieben, haben verlässlich Kurs gehalten und stehen an exakt der gleichen Stelle wie vorher. Kurzum: Wenn jemand den Eindruck hat, wir wären nach rechts gerückt, kann das nur an dessen Beobachterperspektive liegen, die dann nach links verrutscht sein muss.
Ist "gesunder Menschenverstand" für Sie ein politisch belasteter Begriff?
Im Gegenteil: Pragmatismus und gesunder Menschenverstand müssen an die Stelle von Ideologien rücken und Maxime politischen Handelns sein.
"Hubert Aiwainger ist wohlberaten, sich weiterhin weder den Mund verbieten noch das Wort darin umdrehen zu lassen"
Würden Sie Ihrem Vorsitzenden raten, vor der Landtagswahl noch ein paar ähnlich kräftige Aussagen vom Stapel zu lassen wie seine über die "formale Demokratie"?
Ich würde ihm raten, seiner Linie treu zu bleiben und sich nicht verbiegen zu lassen. Auch wenn das in unserer Mediendemokratie nicht immer einfach ist, ist Hubert wohlberaten, sich weiterhin weder den Mund verbieten noch das Wort darin umdrehen zu lassen.
Wie stark ist die Zustimmung beziehungsweise der Protest aus den eigenen Reihen zum Kurs des Vorsitzenden? Gibt es erklärtermaßen aus diesem Grund Austritte oder Eintritte?
Genau wie in den Umfragen, ist auch die Zustimmung unserer Mitgliedschaft erfreulich hoch. Während seit einiger Zeit fast alle großen Parteien schrumpfen, wachsen wir Freie Wähler beständig weiter.
Nach der jüngsten Umfrage könnte das Gewicht der Freien Wähler in der "Bayern-Koalition" zunehmen. Grund für einen weiteren Kabinettsposten?
Jetzt haben erst einmal die Wähler das Wort. Wenn wir erneut ein Mandat dafür bekommen, verhandeln wir anschließend die inhaltlichen Linien für die nächsten fünf Jahre. Die Posten werden dann erst ganz zum Schluss verteilt.