München – AfD-Aufschwung in Bayern gebremst: "Unser Hauptproblem ist Hubert Aiwanger"
München - Wenn es in Bayern eine politische Kraft gibt, die noch größere Erfolge der AfD verhindert, dann ist es nicht die CSU, sondern die Partei der Freien Wähler mit ihrem Chef Hubert Aiwanger.
Diesen Schluss kann man aus den Ergebnissen der jüngsten Forsa-Meinungsumfrage im Auftrag der "Süddeutschen Zeitung" ziehen. Demnach können die Freien Wähler bei der am 8. Oktober anstehenden Landtagswahl nach der derzeitigen Stimmungslage mit 14 Prozent rechnen. 11,6 Prozent waren es beim Urnengang vor fünf Jahren und bei einer Umfrage vom April dieses Jahres wurden für die Partei nur zehn Prozent gemessen.
Wahlen in Bayern: Wer wird zweitstärkste Partei?
Das Rennen um Platz zwei dürfte denn auch das spannendste am anstehenden Wahlgang sein. Denn von Wechselstimmung kann keine Rede sein. Die bisherigen Koalitionäre CSU und Freie Wähler kämen zusammen auf 53 Prozent der Stimmen, was für eine komfortable Mehrheit im Landtag reichen würde.

Politische Stimmung in Bayern: Grüne und Freie Wähler gleichauf
Auf Platz zwei rangieren die Grünen mit 14 Prozent gleichauf mit den Freien Wählern und bewegen sich deutlich unter dem Niveau der Landtagswahl 2018 (17,6 Prozent). Mit 13 Prozent nur einen Prozentpunkt niedriger wird die Zustimmung für die AfD gemessen (2018: 10,2 Prozent), obwohl die Partei in den vergangenen fünf Jahren im Wesentlichen durch Querelen und extremistische Grenzüberschreitungen von sich reden gemacht hat.
Kann Hubert Aiwanger den AfD-Vormarsch stoppen?
Für Bewegung in den zweiten und dritten Rängen hat vor allem einer gesorgt: Der Freie Wähler-Vorsitzende und stellvertretende Ministerpräsident Aiwanger. Seine kalkulierten Grenzüberschreitungen unter dem Stichwort "Demokratie zurückholen" hat ganz offensichtlich dazu geführt, dass die AfD im Freistaat nicht so unaufhaltsam auf dem Vormarsch ist wie anderswo. Anders ist auch der Sympathiezuwachs, den die Freien Wähler laut Umfrage genießen, nicht zu erklären.
Keine Geringere als die AfD-Spitzenkandidatin und frühere Landtagsfraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner hat das kürzlich klar herausgestellt: "Unser Hauptproblem ist Hubert Aiwanger", so die AfD-Politikerin im phoenix-Interview: "Man muss eben konstatieren, dass in Bayern die Freien Wähler sind. Das ist in Hessen nicht so."

Aiwanger und sein umstrittener Auftritt bei der Demo in München Erding
Zur Erinnerung: Bei einer Demo gegen das Heizungsgesetz der Ampel im vergangenen Juni in Erding polterte Aiwanger auf der Bühne vor 13.000 Demonstranten los und stellte klar, dass sich "die schweigende große Mehrheit dieses Landes" die Demokratie wieder zurückholen müsse. Zudem attackierte er in einem verbalen Rundumschlag auch die Medien, die seiner Meinung nach nicht "an der Seite der normalen Bevölkerung" stünden.

Was folgte, war deutliche Kritik von vielen Seiten. Kritik, die Aiwanger nicht nachvollziehen konnte. "Ich stehe zu diesem Satz. Die breite Bevölkerung muss sich schlichtweg wieder Gehör verschaffen, wenn sie anders nicht ernst genommen wird", sagte Aiwanger wenige Tage nach der Veranstaltung gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Der Freie-Wähler-Chef fügte hinzu: "Nur weil irgendwann mal ein AfDler etwas Ähnliches gesagt hat, ist das noch lange kein Tabu-Satz für jeden anderen." Mit dieser "linken Masche" lasse er sich nicht mundtot machen.
Aiwangers Auftritt in Erding zog auch in München große Kreise: Das Backstage, in dem eigentlich eine Veranstaltung der Freien Wähler stattfinden sollte, setzte Aiwanger kurzerhand vor die Tür und sagte die Veranstaltung ab. Auch hierauf reagierte Aiwanger deutlich: "Denen ist das Thema und das Drumherum wahrscheinlich zu heiß geworden", sagte der stellvertretende Ministerpräsident auf AZ-Anfrage. "Schon krass, dass das Thema, wie man seine Wohnung warm halten darf, zu einem solchen gesellschaftlichen Streit führt."

Annäherung nach Rechts als letztes Mittel?
Die Entwicklung bringt politisch korrekte Strategen ins Schleudern: Lohnt sich also eine Annäherung nach Rechts doch? Heiligt in diesem Fall der Zweck die Mittel? Können sich die Freien Wähler rechts von der CSU, wo sie CSU-Chef Markus Söder schon verortet hat, auf Dauer wohl fühlen? Was macht das mit der äußerst heterogenen Freie Wähler-Mitgliedschaft?
Eines scheint klar: Um ein ausgeklügeltes Doppelspiel zwischen Söder und Aiwanger nach dem Motto "Good Cop, Bad Cop" wie man es bei der AfD vermutet, handelt es sich nicht. Dafür ist der Ärger in der CSU über den nicht einzuhegenden und gerne in fremden Revieren wildernden Freie Wähler-Chef viel zu groß. Und Markus Söder ist auch keiner, der anderen gerne Prozentpunkte überlässt, um sich selbst mit einer Drei vor dem Wahlergebnis zufrieden zu geben.