Fotohändler will Geld für Beratung

Ein Münchner Fotohändler verlangt jetzt eine Pauschale für seine Beratung: 5 bis 25 Euro – weil viele sich zwar alles erklären lassen, dann aber doch im Internet kaufen.
Katharina Pfadenhauer/Torsten Huber (Interview) |
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Foto-Händler Stefan Wilhelm: „Wir haben uns lange gefragt: Trauen wir uns das jetzt oder nicht?“
Thomas Reger Foto-Händler Stefan Wilhelm: „Wir haben uns lange gefragt: Trauen wir uns das jetzt oder nicht?“

München - Stefan Wilhelm ist es leid. Mit seinem Fotogeschäft direkt am Marienplatz trifft es ihn besonders oft: Die Leute kommen, lassen sich alles zeigen, probieren Ferngläser und Kameras aus und schlagen dann zu – aber nicht bei ihm.

Lesen Sie hier: AZ-Kommentar "Leistung kostet"

„Die kommen teilweise schon mit ihrem Handy rein und bestellen nach einer ausführlichen Beratung über Onlinehändler zu einem billigeren Preis“, sagt Wilhelm. Er habe es auch schon erlebt, dass die Kunden mit einer Kamera zu ihm kamen, die sie zuvor online bestellt hatten und sie sich anschließend von ihm professionell erklären lassen wollten.

Dabei sei der etwas teurere Preis, den er verlangt, gerechtfertigt und vor allem notwendig. „Es ist ja logisch, dass die Kameras online billiger sind, da die Internethändler keine Angestellten haben, die die Kunden teuer beraten.“

Seit Oktober verlangt Stefan Wilhelm deshalb für seine Beratung eine Servicepauschale: 25 Euro, wenn sich ein Kunde die Funktionen seiner (zuvor online gekauften) Kamera erklären lassen möchte. Und fünf Euro müssen die Kunden auf die Theke legen, wenn es eine umfangreiche Kaufberatung sein soll.

„Es ist etwas paradox: Auf der einen Seite vermisst der deutsche Kunde immer den Service, auf der anderen Seite ist er nicht bereit, dafür zu zahlen“, meint der Foto-Händler. „Dieser ganze Onlinehandel ist nicht gut für unsere Branche.“

Und damit meint Wilhelm nicht nur seinen Umsatz. Denn vor allem beim Verkauf von Ferngläsern, auf die er sich unter anderem spezialisiert hat, sei eine ausführliche Beratung das A und O. „Ferngläser kann man nicht kaufen, wenn man nicht vorher mal durchgeschaut hat – man kann Qualität ja nicht aus einem Prospekt ablesen.

Bei den Kameras ist das etwas anderes, denn da sind die meisten Funktionen die gleichen.“ Wenn aber irgendwann nur noch Onlinehändler verdienten, sagt er, kann diese Leistung nicht mehr angeboten werden. Da Wilhelm sein Geschäft direkt am Marienplatz hat, ist er in einer vergleichsweise günstigen Lage.

„Bei mir kommen viele Touristen vorbei, die sofort eine Kamera brauchen und gleich zuschlagen.“ Seiner Meinung nach würden sich viele andere Händler daher nicht trauen, eine Servicepauschale einzuführen, aus Angst, die letzten Kunden zu verprellen.

Auch Wilhelm hatte zuerst Zweifel, wie die Kunden darauf reagieren würden. „Wir haben uns lange gefragt: Trauen wir uns das jetzt oder nicht?“ Wilhelm berät seine Kunden gern. Inzwischen ist er schon so lange im Geschäft, dass er einschätzen kann, wer seine Gutmütigkeit ausnutzen möchte und wer nicht.

„Ich sehe das denen an, sobald sie reinkommen oder es ergibt sich spätestens im Gespräch. Und dann sag’ ich gleich, dass ich etwas für die Beratung verlange.“ Aber es gibt sie auch noch, die ehrlichen und aufrichtigen Kunden, die sogar von sich aus Geld für die Beratung anbieten.

„Wenn ein netter alter Herr für zwei Minuten Beratung von sich aus zehn Euro dalassen will, nehme ich das nicht.“ Inzwischen hat Stefan Wilhelm sogar die Erfahrung gemacht, dass die Kunden gerade wegen seiner Servicepauschale kommen.

„Es ist genau das Gegenteil eingetreten und scheint sich rumgesprochen zu haben. Wir konnten unseren Dienstleistungscharakter noch mehr hervorheben.“ Gute Beratung scheint sich in dem Fall also bezahlt zu machen. Für beide Seiten.

 

 

AZ-Interview mit dem Sprecher des Handelverbandes Bayer, Bernd Ohlmann.

AZ: Herr Ohlmann, Beratung gegen Bezahlung. Ist das überhaupt erlaubt?

BERND OHLMANN: Warum nicht? Es ist ärgerlich, wenn ein Geschäftsmann einen Kunden stundenlang berät und der am Ende die Ware im Internet bestellt.

Sind 25 Euro nicht Wucher?

Jeder kann einkaufen, wo er will. Der kleine Geschäftsmann um die Ecke muss Personal und Miete bezahlen. Wenn das Internet die Kunden wegschnappt, lässt sich der Einzelhändler seine Serviceleistung eben bezahlen.

Wie hat das Internet den Einzelhandel verändert?

Das sieht man in vielen deutschen Großstädten, deren Fußgängerzonen sich stark verändert haben. In einigen Städten beherrschen nur große Textilketten und Elektromärkte das Bild. Die Münchner Fußgängerzone steht noch relativ gut da und die Mischung stimmt.

Ist das Internet eine Bedrohung für den Kleinhändler?

Sicher. Es wird den Zerfall der Kleinhändler beschleunigen. Heute kaufen die jungen Leute so ein: Sie bestellen 15 Paar Schuhe. Probieren alle aus und schicken 14 Paar wieder zurück. Denn auch im Internet gilt 14 Tage Umtauschrecht. Dem Kleinhandel ergeht es wie den Tante-Emma-Läden. Genau. Heute findet man in Großstädten kaum Einkaufsmöglichkeiten in der eigenen Straße.

Wie kann der Kleinhändler überleben?

Schwierig. Er müsste auch einen Web-Shop anbieten. Aber das ist teuer. Einen sechsteiligen Betrag muss man einrechnen. Die großen Geschäfte können das. Die bieten sogar schon „same day delivering“ an. Also Lieferung am Bestelltag. Welchen Vorteil hat der Kleinhändler überhaupt noch? Gute Beratung – und man kann alles ausprobieren.

 

 

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