FJS: "Dankbar rückwärts, mutig vorwärts, gläubig aufwärts"

München - An jenem 6. September 1915 gingen über Bayerns Hauptstadt schwere Gewitter nieder und die "Münchner Neuesten Nachrichten" kommentierten "Russlands verzweifelte Lage".
Gastgeber Franz Josef Strauß Freude sich viele Jahre später sichtlich, als er diese Begleitumstände seines Geburtstages aus der alten Zeitung erfuhr, die ihm der Vorsitzende unseres Münchner Presseclubs, Georg Wulfius, überreichte.
Die Begegnung mit sonst wenig geschätzten Vertretern der "veröffentlichten Meinung" war der Auftakt einer wochenlangen Serie von Feiern und Empfängen, die den 60. Geburtstag des Vorsitzenden der Christlich-Sozialen Union im Jahr 1975 umrahmten.
"Starke Kampftruppen" zum Feiern
"Starke Kampftruppen" konnte Werner Dollinger, Wirtschaftssprecher der Partei, zur Gratulations-Cour melden. Darunter waren die Herren von Bayern, von Bismarck, von Siemens, von Brauchitsch, von Kuenheim, Flick, Schleyer, Rodenstock und so weiter.
Fast jeder der Großadmirale der Wirtschaft – einige werden später untergehen – brachte ein eingewickeltes Geschenk mit. Der Vielzweckunternehmer Josef Schörghuber beispielsweise ein Farbfoto, das den gefeierten Freund braun gebrannt am Hafen von Piräus zeigte.
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Dessen Danksagung hörten die Bosse gewiss gern: "Wir müssen einsehen, dass wir die Grenzen des Sozialstaates erreicht haben." Von der Schwesterpartei forderte der Jubilar indes eine Abkehr vom Utopismus und von der sozialliberalen Bundesregierung einen umfassenden Offenbarungseid mit Einsicht in die Fehler.
Der große Vorsitzende
Einen Reigen geradezu byzantinischer Huldigungen sowie einen Parteitag und eine weitere China-Reise vor sich, entfuhr dem großen Vorsitzenden – die Anspielung auf den roten Kaiser Mao hörte er nicht ungern – der Stoßseufzer, er hätte ja auch in die Berge fahren und erst nach geraumer Zeit wiederkommen können.
Doch er schickte sich halt in das "inevitable Fatum" und gab seinen prominenten Gästen einen Wahlspruch mit: "Dankbar rückwärts, mutig vorwärts, gläubig aufwärts."
Aufwärts war er kurz vorher schon geschwebt, per Hubschrauber auf eine Alm, zu Bier, Brezn und Blasmusi. Grad zünftig war’s dort droben, während Bayerns Sozis in einem frisch betonierten Bierkeller ihren nüchternen Parteitag mit Tellerfleisch beendeten und Vize Peter Glotz fast neidisch von den "Allüren eines Barockfürsten" sprach.
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Das nächste Jubeljahr, 1985, sah Strauß auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Wie schön, dass sich der Geburtstagsreigen mit anderen Jubiläen verflechten ließ: Im selben Jahr wurden das Oktoberfest 175, der noch regierende Alfons Goppel 80 und – Tusch! – die seit 1961 von Strauß straff geführte CSU 40 Jahre alt.
CSU und Strauß: "Ein untrennbares Begriffspaar"
"Ein untrennbares Begriffspaar", so rühmte Wilfried Scharnagl, der Eckermann des Polit-Genies, die einzigartige Symbiose zwischen Kopf und Körper seiner Partei.
"Programme, Parteitage, der Politapparat sind längst genau auf ihn zugeschnitten. Antipoden oder gar Opponenten hat er weniger denn je. Die engsten Vertrauten sind ohnehin seine Geschöpfe", so kommentierte auch ich in meiner damaligen Reportage.
Und: In langfristigen Spekulationen tauche schon das Wort "Strauß-Dynastie" auf. Beide Söhne und die inzwischen verheiratete Tochter waren bereits in partei- und staatspolitische Aufgaben eingebunden.
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Franz Georg Strauß hatte 1985 im Alter von 24 Jahren ein erstes "weiß-blaues Fernsehprogramm" gestartet, und Monika Hohlmeier war von 1998 bis 2004 sogar bayerische Kultusministerin. Der ältere, Max, arbeitete als Anwalt.
Noch einmal, am 75. Geburtstag im Jahr 1990, versammelten sich an mehreren Plätzen Münchens 300 Musiker und 200 Gebirgsschützen zum Gedenken an den zwei Jahre zuvor verstorbenen Landesvater. Orffs "O Fortuna" erklang, von drei Türmen und Hochhäusern schmetterten Fanfaren.
Strauß' Lieblingsjünger
Dann ergriffen der CSU-Bezirksvorsitzende Peter Gauweiler und Ministerpräsident Max Streibl das Wort zum Gedenken dessen, der sie einst zu seinen Lieblingsjüngern erkoren hatte.
Verglichen mit früher, war dies eine bescheidene Veranstaltung. Konnte es daran liegen — die Frage ließ ich in diesem dritten Geburtstagsbericht offen –, dass der irgendwie monarchistisch gefärbte Freistaat, nachdem er so lange eine Sonderrolle gespielt hatte, im wiedervereinigten Deutschland nur noch eines von 16 Bundesländern sein würde?
Landesvater Streibl indes, der 1993 über die Amigo-Affäre stürzen sollte, eiferte dem verstorbenen Vorgänger bei der Jubiläumsfeier noch einmal nach: Bayern werde doch wieder ins Zentrum rücken – als "Herzland Europas".