Feine Sache: Ganz junge Küche im Charles-Hotel

München - Die Anspannung ist von Noel Thomas (19) abgefallen, sein erster Abend als Küchenchef war ein großer Erfolg. Trotzdem schaut der Koch-Azubi ernst. "Ich habe heute gemerkt, wie sehr mir das gefehlt hat", sagt er.
Die General Manager des N’ap Boule Carolina Schymczyk (21) und Sebastian Rieder (22) nicken. Letztere sind eigentlich in der Ausbildung zum Hofa – also Hotelfach – aber am Donnerstagabend und am Freitag haben sie in Sophia's Restaurant im Charles-Hotel in der Maxvorstadt ihr karibisches Restaurant N’ap Boule eröffnet.
Charles -Hotel: Azubis eröffnen Restaurant, Kollegen sind Gäste
Zirka zehn Prozent Auslastung: So kalkuliert das Hotel 32 Azubis in der Küche, im Hotelfach und einer im Marketing lernen hier und auch während des Lockdowns waren sie in dem großen Bau mit den 160 Zimmern. Bis auf eine Dame, die mit einem Bediensteten dort dauerhaft wohnt, gibt es zur Zeit keine Gäste.
"Wir haben uns zu Tode erschreckt, wenn wir in den leeren Fluren mal jemanden getroffen haben", sagt Rieder. Damit die Azubis trotz Corona stetig weiterlernen, hat sich Ausbildungsleiter Martin Hanke etwas ausgedacht, von dem alle im Hotel profitieren: Die Azubis sollen allein ein Restaurant eröffnen und die Kollegen kommen als Gäste.
Das Budget war knapp und pro Gast berechnet: 15 Euro für das Essen und 10 Euro für den Wein. Die Azubis rechnen mit zwei Flaschen Wein pro Person, immerhin haben sich die Kollegen seit über drei Monaten nicht mehr gesehen. Den Wein kaufen sie so günstig ein, dass sogar Budget für Deko bleibt – Blumen kaufen sie.
Zum Nachtisch Süßkartoffelkuchen nach Großmutters Rezept
Ihr Restaurant hübschen sie mit der Weihnachtsdeko des Hotels auf, der man ihre Vergangenheit nicht ansieht. Stimmungsvoll und gehoben wirkt das Ambiente im neuen N'ap Boule. Michael Grimm (22) gibt den Sommelier und präsentiert seinen Wein mit einer solchen Überzeugung, dass man gerne glauben mag, ein ganz ein edles Tröpfchen zu trinken.
Noel Thomas besinnt sich bei seinem Menü auf seine Wurzeln in Haiti: Wassermelone mit Gurke, Aubergine, Feta und Minze ist ein süßer, frischer Einstieg in den Abend. Als Hauptgang servieren die Azubis – den ganzen Abend über überaus zuvorkommend und aufmerksam – ein haitianisches Rindfleischgericht, das über Nacht eingelegt wurde mit Reis, Maniok und einer Rum-Soße, die so gut ist, dass Gäste sich völlig an getunktem Brot überfressen.
Zum Nachtisch gibt es einen Süßkartoffelkuchen von Thomas' Großmutter mit gesalzenem Vanilleeis und Kaffeebirne. Zufriedene Gesichter bei allen 40 Gästen, sogar Füßetrampeln und Applaus, als die Auszubildenden in einem Traumschiffmoment mit Wunderkerzen zum Finale auflaufen – allerdings ohne Torten, dafür mit bewegenden Worten.
Corona-Krise: Charles-Hotel öffnet am 1. Juli wieder
Ausbildungsleiter Hanke sieht das N'ap Boule als "Neustart, eine Woche vor der Wiedereröffnung unseres Hotels, auch wenn sich das Hotel in diesem Jahr nicht mehr erholen wird."
Weil die internationalen Gäste, die sonst im Charles absteigen, nicht in die Stadt kommen, macht das Hotel erst wieder am 1. Juli auf – mit einer Auslastung von acht bis zwölf Prozent. Normal wären um diese Zeit 70 bis 80 Prozent.
Viele der Azubis, die den Hotelmitarbeitern einen unvergesslichen Abend bereitet haben, können nicht übernommen werden. Was von ihnen bleibt, ist eine Idee: "Wir wollen künftig als Abschluss der Ausbildung die Eltern einladen, zu einem Elternabend", sagt Hanke.
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