Fast jeden Tag ein Überfall: Neues Sicherheitskonzept für den Hauptbahnhof München

München - Das nächtliche Alkoholverbot mit Platzverweisen und Bußgeldern kommt, das „Schwammerl“-Vordach am Bahnhofsplatz kommt weg (AZ berichtete) – aber private Sheriffs und mehr Videoüberwachung wird’s am Bahnhof wohl nicht geben. Und auch ein Bettelverbot will Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle (SPD) dem Stadtrat nicht vorschlagen.
Überfälle in der Nacht haben sich fast verdreifacht
Böhle legt dem Stadtrat Zahlen zur Kriminalität und sein Sicherheitskonzept vor. Und die Statistiken untermauern, was viele Passanten so empfinden: Es ist gefährlicher geworden. Nächtliche Überfälle etwa haben sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifacht.
Teilweise „über 100“ Betrunkene traf die Polizei schon nachmittags rund ums „Schwammerl“ an, schreibt Böhle. Neben „deutschen Staatsbürgern vor allem Osteuropäer und Schwarzafrikaner“. Die pöbeln Passanten an, lassen Müll liegen, attackieren und verletzten sich.
Vor allem nachts eskaliert die Lage zunehmend. 188 Mal sind heuer allein bis Ende Juni Menschen nachts rund ums Bahnhofsgebäude überfallen und beraubt worden. Das ist mehr als ein Fall täglich – und es sind zweieinhalb Mal so viele „Rohheitsdelikte“, wie 2015 im gleichen Zeitraum (da waren es 70).
Umliegende Geschäftsleute schlagen Alarm
Bei den Körperverletzungen schaut’s ähnlich aus, da stieg die Zahl von 63 auf 167 Fälle. Bei jeweils mehr als der Hälfte der Fälle waren die Täter betrunken. Insgesamt ist die Zahl der Straftaten im ersten Halbjahr heuer im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent angestiegen. Und noch ein paar Zahlen gibt es: Rund 30 osteuropäische Prostituierte schaffen an und wickeln ihre Geschäfte in Hinterhöfen oder Tiefgaragen ab. Die Polizei stellt auch zunehmend Handel mit Cannabis, Heroin und „Badesalzen“ fest. 341 Menschen wurden bis August mit Drogen erwischt.
Kürzlich schlugen Geschäftsleute aus dem Viertel Alarm. Die CSU forderte ein Alkoholverbot zwischen 22 und 6 Uhr, die SPD zog mit. Es soll im öffentlichen Raum rund ums Bahnhofsgebäude gelten – inklusive der umschließenden Straßen und der Paul-Heyse-Unterführung. Bei wiederholten Verstößen wird das KVR Aufenthaltsverbote erlassen.
Schritt für Schritt zum neuen Hauptbahnhof
Gegen den sogenannten „Arbeiterstrich“, die Tagelöhner, die an der Ecke Landwehr-/Goethestraße auf Arbeit warten, kann die Stadt nichts tun – sie kann das Rumstehen auf dem Gehweg nicht verbieten.
Und auch ein Bettel-Verbot lehnt das KVR ab: „Stilles“ Betteln ist auf öffentlichen Straßen und Wegen (außer in der Fußgängerzone und auf der Wiesn) erlaubt. Lediglich „aggressives Betteln“ kann Bußgelder oder Platzverweise zur Folge haben. Die CSU wird am Dienstag im Rathaus erneut auf einen privaten Sicherheitsdienst drängen und auf Kameras, vor allem auch am nahen Alten Botanischen Garten und in der Schützenstraße. „Das sind Angst-Räume für viele Leute“, ärgert sich CSU-Sicherheitsexperte Michael Kuffer, „wir wollen einfach, dass die Leute sich am Bahnhof und im Umgriff frei, ungestört und sicher fühlen können“. SPD und Grüne allerdings stemmen sich dagegen – und werden wohl eine Mehrheit finden. Grünen-Fraktionschefin Gülseren Demirel erklärt, man wolle keine Vertreibungspolitik, mit der die Leute einfach nur ein paar Straßen weiter stehen.