Fahrverbot in München: Was Anwohner sagen

München - Im Alltag kann Politik konkret und greifbar werden. Das gilt auch für den Alltag von Politikerinnen selbst. Wenn Helga Hügenell kurz auf ihren Balkon raus geht, kann sie oft sehen, was rund um die Tegernseer Landstraße ein drängendes Problem ist. "Ständig", berichtet die gebürtige Giesingerin, seit Jahrzehnten in der SPD im Viertel engagiert, "muss ich den Ruß wegputzen."
Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in München geplant
An der Tegernseer Landstraße und an der Landshuter Allee sind die Luftwerte so schlecht, dass sich die Stadt nun zur Einführung von Diesel-Fahrverboten gezwungen sieht, die die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden ausgehandelt und verkündet hat (AZ berichtete). Viele Details sind noch offen – wann es wie streng verschärft wird, ob sehr viele oder doch nur sehr wenige Privatleute Ausnahmegenehmigungen bekommen. Letztlich also: Wie viele Anwohner nicht mehr mit ihrem Auto zum eigenen Haus dürfen.
Diese Frage könnte einer der Knackpunkte werden, ob man in Giesing und Neuhausen freudig aufnimmt, nun bessere Luft zu bekommen – oder viele Nachbarn sich im Gegenteil vor allem unfair in ihrer privaten Lebensführung attackiert, ja fast schon enteignet, fühlen, weil das eigene Auto plötzlich nutzlos wird.
Anwohnerin aus Giesing findet Fahrverbote einen guten ersten Schritt
"Ich habe als ich vom Diesel-Fahrverbot gehört habe erstmal schnell selbst nachschauen müssen, welche Schadstoffklasse mein Bus hat", sagt Hügenell. Es ist Klasse 6. "Ich bin aus dem Schneider!", freut sie sich. Sie hält die Fahrverbote für einen guten ersten Schritt, betont aber, das Hauptproblem seien doch die Ein- und Auspendler, nicht ihre Nachbarn. "Wir bräuchten Pförtner-Ampeln, die dafür sorgen, dass hier der Verkehr fließt und die Leute vor der Stadt nicht mehr einfahren dürfen." Wie wohl die Stimmung in Giesing zu den Fahrverboten ist? "Wahrscheinlich sehr unterschiedlich, je nach persönlicher Betroffenheit", sagt Hügenell.
Nicht mehr persönlich betroffen von Fahrverboten ist Carmen Dullinger-Oswald, die grüne Bezirksausschuss-Chefin Obergiesings. Vor vielen Jahren hat sie ihren Diesel-Golf abgeschafft – schweren Herzens, wie sie berichtet, aus ökologischen Gründen. Sie hält die Fahrverbote politisch für richtig. Und: für den Einzelnen für vertretbar. "Wenn es nicht anders geht, muss man halt das Auto abschaffen und Carsharing machen", sagt sie. Was sie sich für die Lebensqualität im Viertel erwartet? "Ich glaube, die Fahrverbote werden zu einer deutlichen Verbesserung der Luftqualität führen", sagt sie.
Anna Hanusch: "Wir müssen die Mobilität in der ganzen Stadt neu denken"
Das glaubt auch ihre Parteifreundin Anna Hanusch, die den Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg leitet. Und selbst nahe der Landshuter Allee wohnt, dem anderen Schlechte-Luft-Hotspot in der Stadt. "Für unsere Luft sind diese Fahrverbote ein sehr, sehr guter Schritt", sagt Hanusch im Gespräch mit der AZ. Dass ein Landshuter-Allee-Tunnel mehr Effekte gebracht hätte, glaubt sie nicht. "Das hätte ein paar Nachbarn was gebracht, aber wir müssen doch die Mobilität in der ganzen Stadt neu denken." Außerdem: "Ein Bauwerk, das vielleicht nach zehn Jahren fertig ist, bringt doch kurzfristig gar nichts."

Das sehen nicht alle im Viertel so. Felix Meyer von der Bürgerinitiative Landshuter-Allee-Tunnel sagte am Freitag: "Die Fahrverbote sind doch überhaupt erst nötig geworden, weil Grün-Rot den Anwohnerschutz mit dem Tunnel abgelehnt hat." Am Petueltunnel gebe es kein Problem mehr – sondern eben nur in Giesing und Neuhausen, genau dort, wo die Stadt ihre Tunnel-Pläne eingestampft hat. "Außerdem ist unser Problem hier nicht nur die Luft, sondern auch der Lärm." Und den machen Benziner auch, soll das heißen. Meyers Urteil über die Fahrverbote: "eine verkorkste Maßnahme". In Giesing und Neuhausen ist es nicht anders als im Rest der Stadt: Die Diesel-Fahrverbote polarisieren.