Fahrplan für die zweite Stammstrecke in München: Was wird wann gebaut?

München - Sieben Kilometer Tunnel, drei neue Stationen und jede Menge Dreck und Schutt: Am 5. April soll der Spatenstich für die zweite S-Bahn-Stammstrecke sein. Bis 2026 wird im Münchner Untergrund dann gebuddelt und gegraben. Was in dieser Zeit genau passiert – die AZ gibt einen Überblick.
Tief, tiefer – und dann ganz tief unten die neue S-Bahnröhre: In bis zu 48 Metern unter der Erdoberfläche soll die zweite Stammstrecke unter der City durchführen. Grafik: Deutsche Bahn
Aktuell
Bereits seit Oktober vergangenes Jahres laufen am Hauptbahnhof die ersten Vorbereitungsarbeiten. Es muss Platz geschaffen werden für die spätere Baugrube. Deshalb werden eine Fernwärmeleitung und ein Entwässerungskanal verlegt.
März 2017
Am 6. März starten dann auch am Marienhof die Bauarbeiten. Alles, was den Baggern später im Weg sein könnte, muss raus. Abwasserkanäle, Fernwärmeleitungen und Telefonkabel – alles wird um die geplante Baugrube herumgeführt. "Spartenverlegung" nennt man das im Fachjargon. Die Arbeiten werden voraussichtlich etwa ein Jahr dauern.
April 2017
Zum offiziellen Baubeginn am 5. April (Spatenstich!) soll es am Marienhof ein zweitägiges Bürgerfest geben. Auf der Bühne erwartet werden unter anderem die Wise Guys und die Cubaboarischen. An der Diener-/Ecke Landschaftsstraße errichtet die Bahn zudem derzeit ein Infozentrum. In dem sollen sich die Bürger mit Hilfe von allerhand digitaler Spielereien schon einmal einen Eindruck von dem Megaprojekt verschaffen können.
Mitte 2018
Der Marienhof soll soweit präpariert sein, dass dort nun tatsächlich mit dem Bau einer neuen S-Bahnstation begonnen werden kann. Im Herbst 2018 soll das große Graben dann auch am Hauptbahnhof losgehen. Am Orleansplatz, der dritten Großbaustelle, ist etwas länger Zeit. Gegen diesen Streckenabschnitt sind schließlich auch noch Klagen anhänglich. Spätestens 2019 will die Bahn aber auch dort loslegen.
2019
Für 2019 sind dann die Tunnelbohrmaschinen bestellt. Vier überdimensionale Bohrköpfe sollen sich in bis zu 48 Metern Tiefe sieben Kilometer lang durch den Münchner Untergrund fräsen. Im Westen sollen zwei Bohrer an der Donnersbergerbrücke ansetzen, im Osten die zwei anderen kurz vorm Leuchtenbergring. Am Marienhof sollen die Röhren dann aufeinandertreffen.
2019 bis 2021
Das wird wohl die dreckigste Phase des Tunnelbaus. Für die drei unterirdischen Stationen und die neue Röhre müssen Unmengen an Erde und Bauschutt aus der Stadt geschafft werden. Die Bahn rechnet mit 1,9 Millionen Kubikmeter Erdaushub. Damit könnte man zwar keinen zweiten Olympiaberg aufschütten, aber einen ordentlichen Rodelhügel gäbe das allemal.
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Damit der ganze Dreck nicht mit Lastern abtransportiert werden muss, will die Bahn an beiden Enden des Tunnels ein Logistikgleis verlegen. Trotzdem wird der Schwerlast-Verkehr auf der Straße noch beträchtlich sein. Die Bahn rechnet damit, dass an den Baugruben in der Hauptphase alle fünf bis zehn Minuten ein Laster abfahren wird.
2020 bis Mitte 2022
In dieser Phase will die Bahn die acht geplanten Rettungsschächte in die Tiefe treiben. Dafür braucht es allerdings keinen Riesen-Bohrer – das funktioniert auch bergmännisch.
2023
Das Schlimmste ist überstanden. Geht alles glatt, ist der Rohbau der zweiten Stammstrecke jetzt abgeschlossen. Die Fertigbetonteile für die Röhre, die sogenannte Tübbinge, sind verlegt und formen einen gleichmäßigen Tunnel. Und auch die Bauarbeiten an den drei neuen Haltestellen sind im Groben beendet.
2023 bis 2026
Nun folgt noch der Innenausbau: Gleise, Lichter, Signale – alles, was eine Bahnstrecke ausmacht, wird jetzt montiert. Von heute auf morgen geht aber natürlich auch das nicht: Drei Jahre sind für die Fertigstellung veranschlagt.
2026 soll nach jetziger Schätzung dann die erste S-Bahn durch den neuen Tunnel rauschen. München könnte jubeln – durch den Bypass wäre die S-Bahn nicht mehr so anfällig für Störungen.
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Markus Kretschmer: Er ist der neue "Mister Stammstrecke"
Markus Kretschmer verantwortet das 3,84-Milliarden-Projekt. Foto: privat
Es passierte einen Tag nach seinem Geburtstag: Markus Kretschmer machte mit dem Info-Bauwagen der Bahn am Weißenburger Platz in Haidhausen Station. Er wollte den Anwohnern die Baupläne für die zweite Stammstrecke vorstellen. Doch plötzlich stürmten drei Vermummte herein, versprühten schwarze Farbe und verschwanden unerkannt.
Der Vorfall ist gerade einmal ein paar Tage her, nachhaltigen Eindruck hat er auf Kretschmer aber offenbar nicht gemacht. Am Montag hat sich der 50-Jährige als neuer Projektleiter für die zweite Stammstrecke der Öffentlichkeit vorgestellt. Den Abend in Haidhausen streifte er dabei aber lediglich mit einem Nebensatz.
Wahrscheinlich liegt es daran, dass Kretschmer in seinem Beruf schon so einiges erlebt hat. Der gebürtige Münchner hat vor knapp 20 Jahren den Bau des Petueltunnels am Mittleren Ring geleitet. Er war Chefplaner des gescheiterten Transrapid zum Flughafen. Und zuletzt hat er im Wüstenstaat Katar im Schnelldurchgang ein U-Bahnsystem für die Fußball-WM 2022 auf die Beine gestellt.
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Der neue "Mister Stammstrecke" ist also wahrlich kein unbeschriebenes Blatt. Man könnte sogar sagen: Er ist mit allen Ingenieurs-Wässerchen gewaschen. Dass es beim Bau der U-Bahn in Katar auch Todesfälle gab, wischte er zum Beispiel gestern recht nonchalant beiseite. Solche Unfälle gebe es bei Großprojekten leider überall, sagte er – auch in Europa. Dass er nun auch in seiner Heimatstadt wieder tätig werden darf, empfindet Kretschmer als "besondere Ehre" und "Motivation pur".
Seit knapp einem Jahr bereitet er sich auf den Bau der zweiten Stammstrecke vor. Drei unterirdische Stationen in einem so dicht bebauten Gebiet wie München aus dem Boden zu stampfen, sei eine Herausforderung, sagt Kretschmer. Er wolle aber darauf achten, dass durch die Baustellen nicht das Leben in der Stadt lahmgelegt werde.
Die zweite Röhre wird womöglich bis zu 3,84 Milliarden Euro kosten. Da ist es vermutlich nicht schlecht, dass Kretschmer nicht nur Bauingenieur, sondern auch Wirtschaftsingenieur ist.