Fäuste gegen Frau: Was Polizei den Beamten rät
Nach dem gewaltsamen Zwischenfall auf der Auer Polizeiinspektion appelliert die Polizei in einem internen Newsletter an die Beamten: Sie sollen weiterhin ein "gesundes Gefahrenbewusstsein" an den Tag legen.
München - Die öffentliche Kritik an der Münchner Polizei nach dem Vorfall vor zwei Wochen hat das Präsidium veranlasst, intern vor den Mitarbeitern Stellung zu nehmen.
Weil sie die Glaubwürdigkeit der Münchner Polizei in Gefahr sieht, hat die Behördenleitung einen Newsletter verfasst.
Darin drückt sie Verständnis dafür aus, dass die negative Berichterstattung in "Hinblick auf die Anordnung und Durchführung von Maßnahmen" die Beamten "möglicherweise verunsichert".
Manche Kollegen hätten schon Sorgen geäußert, "wenn sie Einsätze erledigen müssen, bei denen aufgrund des Anlasses, der Örtlichkeit und der Uhrzeit mit Aggression und Widerstand des polizeilichen Gegenübers gerechnet werden muss".
Deshalb appelliert die Behördenleitung an die Beamten, weiterhin ein „gesundes“ Gefahrenbewusstsein an den Tag zu legen. Und betont, sich "mit aller Kraft" dafür einzusetzen, "jedes rechtmäßige Handeln" sachlich zu vertreten.
Vor zwei Wochen hat ein Polizist eine Frau auf der Polizeiwache in der Au geschlagen und schwer im Gesicht verletzt. Es wird untersucht, ob es sich dabei um einen Fall von Notwehr oder von ungerechtfertigter Polizeigewalt gehandelt hat.
Doch nicht nur der beschuldigte Beamte selbst, auch der Münchner Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer steht in der Kritik: ihm wird vorgeworfen, er habe das Vorgehen des Beamten verteidigt.
Der Newsletter im Wortlaut
(Fettungen entsprechen den Hervorhebungen im Original)
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Veröffentlichungen in der Presse und in den Medien machen es erforderlich, dass wir uns mit diesem Newsletter an Sie persönlich wenden.
Der Sachverhalt stellt sich derzeit für uns so dar: Eine Frau verständigt den Polizeinotruf und teilt mit, dass sie von ihrem Ex- Freund geschlagen, verfolgt und bedroht wurde. Der eintreffenden Streifenbesatzung erzählt sie dann einen verwirrenden Sachverhalt. Da Offizialdelikte im Raum stehen, werden beide Personen mit deren Einverständnis - getrennt in verschiedenen Funkwagen - zur Abklärung des Sachverhalts zur Dienststelle gefahren. Auf der Fahrt zur Dienststelle rastet die Frau aus. Sie schreit, kratzt, tritt um sich und trifft dabei mehrmals einen Beamten an den Oberschenkeln. Erst nach Anlegen der Handfesseln kann die Fahrt zur Dienststelle fortgesetzt werden. Auf der Dienststelle beleidigt die Frau anwesende Beamte, windet sich und wird in die Haftzelle gebracht. Als die Beamten in der Zelle die Handfesseln abnehmen wollen, tritt die Frau wieder um sich. Beruhigendes Zureden durch einen Beamten bleibt wirkungslos. Stattdessen spuckt die gefesselte Frau dem Beamten ins Gesicht. Der Beamte dreht das Gesicht der Frau zur Seite. Daraufhin schnellt der Kopf und Oberkörper der Frau ruckartig nach oben. Nach eigenen Angaben will der Beamte diesen Kopfstoß abwehren und verteidigt sich mit einem Fauststoß. Die Frau, die später angibt Betäubungsmittel eingenommen zu haben, wird dabei schwer verletzt. Die Beamten ziehen den Rettungsdienst hinzu.
Der Beamte hat den Fauststoß sofort dokumentiert. Er hat ihn weder verheimlicht und schon gar nicht geleugnet. Strafanzeige gegen die Frau wurde erstattet. Auch die Frau erstattete einige Tage später Strafanzeige gegen den Polizeibeamten. Beide Sachverhaltsschilderungen sind weitgehend identisch – die Frau gab allerdings an, dass der Beamte sie zweimal mit der Faust geschlagen hätte.
In unserem Rechtstaat ist es notwendig und richtig, dass nach einer Strafanzeige - auch gegen einen Polizeibeamten – objektiv und sorgfältig ermittelt wird. Dies ist Aufgabe des Kriminalfachdezernats 11. Die Bewertung über ein gegebenenfalls strafbares Handeln ist in jedem Einzelfall Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Sie wird entscheiden müssen, ob das Handeln des Beamten durch Notwehr gedeckt war.
Zu den Grundprinzipien unserer rechtsstaatlichen Ordnung zählt, dass jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, bis zum gesetzlichen Beweis seiner Schuld als unschuldig gilt. In der Bundesrepublik Deutschland widmet sich deshalb Ziffer 13 des Pressekodex der Unschuldsvermutung: „Die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse.“
Die Schlagzeilen und Berichterstattung der letzten Tage zeigen allerdings teilweise ein anderes Bild. Einige Journalisten versuchen die Glaubwürdigkeit aller Münchner Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zu erschüttern. Es mehren sich die Indizien, dass damit vor allem politische Ziele verfolgt werden. Diese Berichterstattung soll darüber hinaus zu einem Ansehensverlust für das Polizeipräsidium München und seiner Mitarbeiter führen. Unsere gute Arbeit und die großen Erfolge um die Sicherheit in der Landeshauptstadt und im Landkreis München scheinen manche zu vergessen. Und damit nicht genug: Mittlerweile wird in Teilen der Presse und sogar von einer Landtagsabgeordneten an der Objektivität und Neutralität der Ermittlungen des Kriminalfachdezernats 11 gezweifelt - wie sonst wäre der Ruf nach einer „unabhängigen Ermittlungsstelle“ zu erklären.
Für uns ist es nachvollziehbar, dass die negative Berichterstattung bei Ihnen auch ihre „Spuren hinterlassen kann“. Sie werden im Hinblick auf die Anordnung und Durchführung von Maßnahmen möglicherweise verunsichert. Wir haben bereits Stimmen vernommen, dass sich Kolleginnen und Kollegen schon Sorgen machen, wenn sie Einsätze erledigen müssen, bei denen aufgrund des Anlasses, der Örtlichkeit und der Uhrzeit mit Aggression und Widerstand des polizeilichen Gegenübers gerechnet werden muss. Aber sind Sie sich bewusst: Wir als Behördenleitung wissen sehr gut, dass Gewalt gegen Polizeibeamte (leider) nach wie vor Realität ist, gerade auch durch alkoholisierte oder unter Drogeneinfluss stehende Personen. Wir haben das notwendige Vertrauen in Ihre ordnungsgemäße Arbeit!
Wir müssen richtig reagieren und auch künftig in jedem Einzelfall sehr sorgfältig und professionell einschreiten. Anderenfalls wären sachliche Defizite bei der Erledigung unserer Aufgaben die Folge, die letztlich zu einer Verschlechterung der Sicherheit führen würden. Lassen Sie sich nicht verunsichern! Wir erfüllen unseren gesetzlichen Auftrag weiterhin motiviert, engagiert und mit hoher Professionalität. Dabei schreiten wir stets korrekt und unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben ein. Dazu gehört aber auch, dass wir als Polizeibeamte in schwierigen Situationen legitimiert unter den gesetzlichen Voraussetzungen auch unmittelbaren Zwang anwenden dürfen, um konkrete Gefahren abzuwehren oder polizeiliche Maßnahmen durchzusetzen.
Auch uns als Behördenleitung ist durchaus bewusst, dass mit jedem Tag wieder eine ähnlich negative Berichterstattung in der Presse beginnen kann. Wir appellieren an Sie, weiterhin ein „gesundes“ Gefahrenbewusstsein an den Tag zu legen. Vor allem ist es wichtig, dass Sie Zwangsmaßnahmen stets sofort, umfassend und in geeigneter Weise dokumentieren. Nehmen Sie in dienstlichen Stellungnahmen konkrete Schilderungen vor, die auch ihre subjektiven Eindrücke zur Gefährlichkeit des Geschehen enthalten können. Darüber hinaus kann es in Einzelfällen zweckmäßig sein, unverzüglich Vorgesetzte zu informieren, ggf. auch sofort den ADL bzw. HVD einzubinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können versichert sein, dass wir uns als Behördenleitung - nicht nur aus Gründen der Fürsorge - mit aller Kraft dafür einsetzen, jedes rechtmäßige Handeln von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des Polizeipräsidium München sachlich zu vertreten.
Mit kollegialen Grüßen
Ihre Behördenleitung
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