Fachkräftemangel: Qualifiziert in der Warteschleife

Wegen des hiesigen Fachkräftemangels suchen immer mehr Mediziner ihr Personal im Ausland – doch einfach machen es ihnen die Behörden nicht.
Annika Schall |
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Ein CT-Scan muss fachmännisch begleitet werden: Auch eine Aufgabe von MRTAs.
imago Ein CT-Scan muss fachmännisch begleitet werden: Auch eine Aufgabe von MRTAs.

München - Viele der Patienten, die zu Dr. Dieter R. (Name geändert) in die Praxis kommen, haben eines nicht: Zeit. Denn zu dem Strahlentherapeuten kommen Menschen mit schweren Krebserkrankungen. "Wir laufen hier oft ein Wettrennen gegen den Tumor", so R. Doch immer häufiger kann der Arzt das Rennen nicht mehr ganz so schnell laufen, wie er es gerne würde.

Denn auch seine Praxis leidet unter dem Fachkräftemangel. Hier sind es aber nicht die kürzlich in die Schlagzeilen geratenen Krankenpfleger (AZ berichtete), die dem Strahlentherapeuten fehlen, sondern eine andere, bei der Diskussion oft übersehene Berufsgruppe: "Wir haben massive Probleme MTAs zu finden", so R. MTA, kurz für medizinisch-technischer-Assistent, ist ein Sammelbegriff, der mehrere spezialisierte Berufsgruppen umfasst. In der Strahlentherapie kommen Medizinisch-Technische Radiologieassistenten (MTRA) zum Einsatz – und gerade die werden in Deutschland immer mehr zur Mangelware.

Nur mit einer Mindestanzahl an MTRAs dürfen bestimmte Gerät bedient werden

Bei einer Umfrage des Deutschen Krankenhaus Instituts gab ein Drittel der befragten Krankenhäuser an, bei dieser Berufsgruppe Stellenbesetzungsprobleme zu haben. Für Kliniken und Praxen sind die MTRAs aber unerlässlich, denn der Strahlentherapiebereich ist streng reguliert. Ohne eine Mindestanzahl MTRAs dürfen bestimmte Geräte nicht benutzt werden.

Damit im Ernstfall Patienten nicht unbehandelt bleiben, suchen viele Einrichtungen ihre Fachkräfte inzwischen im Ausland. So auch Dieter R. Doch seine Erfahrungen mit dem Prozess bezeichnet er inzwischen als "frustrierend". Denn die Anerkennung der ausländischen Qualifikationen dauert und ohne dürfen die Fachkräfte nicht in ihrem Bereich arbeiten. "Wir haben derzeit eine MTRA aus Polen, die wartet seit über einem Jahr", so der Arzt. Kein Einzelfall in der Praxis: Eine Assistentin aus Holland war zuvor nach mehreren Monaten Wartezeiten in ein anderes Bundesland gegangen.

Die Fristen werden überschritten

Für die Anerkennung in diesem Fall zuständig ist die Regierung von Oberbayern. Auf Nachfrage, so R., sei ihm hier von einen enormen Antragsrückstau berichtet worden. Dass es derzeit zu Verzögerungen kommt, bestätigt die Behörde auf AZ-Anfrage. "In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der Anträge bei allen Gesundheitsfachberufen stark angestiegen. Dies hat auch bei Anträgen hinsichtlich des Berufs des MTRA zu einem Rückstau in der Bearbeitung geführt", so Sprecher Martin Nell.

Dabei gibt es durchaus gesetzliche Fristen zur Bearbeitung solcher Anträge. Nachdem die Unterlagen vollständig sind, beträgt die bei Ausbildungen aus Mitgliedsländer des Europäischen Wirtschaftsraums drei, bei Ausbildungen aus Drittstaaten vier Monate. Derzeit würden die Fristen aber aufgrund der hohen Antragszahl auch überschritten.

Das liege unter anderem daran, dass bei MTRAs das Prüfverfahren besonders aufwendig sei, so Sprecher Nell: "Sowohl in den Staaten der EU als auch in Drittstaaten entsprechen nur wenige Ausbildungen dem in Deutschland geregelten Berufsbild. Abweichungen von den Vorgaben gibt es hier fast immer. Um diese inhaltlich herausarbeiten zu können, ist oft die Unterstützung einer Berufsfachschule nötig."

Kranke müssen weggeschickt werden

Um der Antragsflut Herr zu werden, seien bereits neue Stellen eingerichtet worden, so die Regierung. Derzeit kümmert sich so je ein Sachbearbeiter um einen Gesundheitsfachberuf, einige davon in Teilzeit. Jedoch, so die Regierung, steige die Zahl der Anträge weiter an. Und unvollständig eingereichte Unterlagen verzögerten den Prozess zusätzlich.

Auch im Fall der MTRA aus Polen dauerte es, bis alle Unterlagen beisammen waren. Erst im Sommer 2017 war ihr Antrag vollständig. "Das Problem ist auch, wenn etwas fehlt, dauert es oft mehrer Monate, bis es auffällt", so R. Für die Ausländer sei die Antragsstellung oft eine Herrausforderung. "Wenn wir wollen, dass die Fachkräfte hierherkommen, müssten sie auch dabei besser unterstützt werden", findet der Arzt.

Doch derzeit vergeht so wertvolle Zeit für die Fachkräfte. Zeit, die Dieter R. und seine Patienten oft nicht haben. In Spitzenzeiten musste er wegen des Personalmangels auch schon Kranke wegschicken: "Unsere Behandlungsspielräume werden dadurch eingeengt", so der Arzt.

Die MTRA aus Polen beschäftigt der Strahlentherapeut derzeit mit Hilfstätigkeiten in seiner Praxis: "Sonst wäre sie womöglich auch schon weg."

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