Fachkräftemangel: Münchner Arzt muss Sprechzeiten kürzen
München - Emmerich Hunsdorfer arbeitet seit zehn Jahren als Hausarzt. Der Nierenspezialist übt eigentlich seinen Traumberuf aus. An der Nymphenburger Straße 20a betreibt er zusammen mit seiner Frau seit 2007 eine Gemeinschaftspraxis. Shila Ajdari ist Dermatologin und ergänzt das medizinische Angebot. Patienten gibt es genug. Mittlerweile arbeitet sogar noch eine zweite Ärztin in der Praxis, die Internistin Andrea Frank. Doch seit 2014 wird der Traumberuf immer mühsamer.
Hunsdorfer fehlen Arzthelfer. "Seit vier Jahren merken wir den Fachkräftemangel enorm", sagt er. Mittlerweile musste er sogar seine Öffnungszeiten um zwei Stunden kürzen: nur noch 8 bis 17 Uhr, statt 8 bis 19 Uhr. Zuletzt hat Hunsdorfer zwei Mal den Gesprächstermin mit der AZ abgesagt, weil seine einzige medizinische Fachangestellte (MFA) krankheitsbedingt ausfiel und er selbst am Empfang aushelfen musste, was ohnehin nicht selten vorkommt.
"Ich bin mir nicht zu schade für verwalterische Aufgaben in meiner Praxis, das gehört dazu", sagt Hunsdorfer, "aber natürlich würde ich die Zeit lieber der Gesundheit weiterer Patienten widmen." Doch das ist momentan nicht möglich. Die Praxis arbeitet in einer Art dauerhaftem Notbetrieb. Neben den Ärzten sind eine MFA, ein Lehrling und eine 450-Euro-Kraft für Aufgaben am Empfang eingestellt. "Ich brauche noch mindestens eine MFA und eine Teilzeitkraft", sagt Hunsdorfer.

"Die Nachfrage nach MFA ist extrem hoch - da kann ich nicht mithalten"
"Die Nachfrage bei MFA ist extrem hoch", sagt er. Die Situation habe sich seit anderthalb Jahren verschärft. "Ich hoffe jeden Tag, dass möglichst keiner von uns spontan ausfällt." Hunsdorfer öffnet ein Job-Portal im Internet. "Schauen Sie. Derzeit suchen 186 Arbeitgeber mit über 300 Stellenanzeigen nach MFA", sagt Hunsdorfer und scrollt die Ergebnislisten hoch und runter. Seine Praxis konkurriere auch mit Münchner Kliniken um die Arbeitskräfte.
"Doch da kann ich nicht mithalten", so Hunsdorfer. Blutentnahme, Verbandswechsel, OP-Assistenz: "In der Klinik zählen MFA als eine Art Arzt-Assistenten, sehr nah am Arztberuf selbst. Ich habe gehört, das ist für viele attraktiver, obwohl sie bei mir eigentlich identische Aufgaben hätten." Ausgebildete MFA können sich laut Hunsdorfer die Arbeitgeber beinahe beliebig aussuchen. Sie wissen, dass sie begehrt sind. Darunter leide auch die Zuverlässigkeit einiger Mitarbeiter.
Schon sechs verschiedene Angestellte hatte der Hausarzt seit 2014, die seine Praxis verlassen haben, weil sie attraktivere Arbeitgeber gefunden haben. "Wir versuchen wirklich alles. Kostenloses MVV-Ticket, die maximale Anzahl an Urlaubstagen, eine schöne Arbeitsumgebung mitten in der Stadt, übertarifliche Bezahlung", so Hunsdorfer. Schon jetzt bietet er potenziellen MFA mit wenigen Jahren Berufserfahrung die höchste vorgesehene Bezahlung ab dem 17. Berufsjahr: 3.100 Brutto.
Mietpreise und Lebenserhaltungskosten in München sind eine von vielen Ursachen für den Mangel
Doch auch das ist für einige Mitarbeiter nicht genug. Häufig sagen Bewerber nicht einmal ab. Hunsdorfer hat schon viel erlebt. Doch kürzlich wurde er noch einmal von der Dreistigkeit einer Mitarbeiterin überrascht. "Sie war seit drei Monaten dabei. Ich dachte noch: Das funktioniert doch alles ganz gut." Am Montagmorgen schickte sie ihrem Chef dann eine Text-Nachricht aufs Handy: "Aus beruflichen und familiären Gründen komme ich nicht mehr in die Arbeit."
Hunsdorfer machte sich große Sorgen und fragte nach, ob alles in Ordnung sei. Den Chat hat er noch nicht gelöscht. "Sie hat bis heute nicht geantwortet und war von heute auf morgen weg", so Hunsdorfer. "Ohne Vorwarnung." Die Ursachen für den MFA-Mangel in der Praxis Hunsdorfer sind vielfältig und kein Einzelfall. "Auch viele meiner Kollegen leiden darunter. Das ist ein großes Thema – auch in anderen Städten wie Ulm, Stuttgart oder Augsburg.
"Meine Frau war gerade auf einer Fortbildung und erzählte, dass der Fachkräftemangel ein großes Thema gewesen sei." Die teure Stadt München mit den hohen Mietpreisen und Lebenshaltungskosten ist definitiv eine Ursache für die Lage, wenn auch nicht die einzige. Hunsdorfer sieht Handlungsbedarf. "Wir Hausärzte gewährleisten die Grundversorgung. Wenn wir nichts tun, fliegt uns die Situation irgendwann um die Ohren."
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