Erstes Plädoyer im OEZ-Prozess: Die Nerven liegen blank

Erstes Plädoyer: Der Staatsanwalt fordert sieben Jahre und zwei Monate Gefängnis für den Verkäufer der Mordwaffe. Aber nicht wegen Beihilfe zum neunfachen Mord, wie es die Anwälte der Angehörigen fordern.
Nina Job |
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Der Prozess gegen Philipp K. geht zu Ende.
dpa Der Prozess gegen Philipp K. geht zu Ende.

Erstes Plädoyer: Der Staatsanwalt fordert sieben Jahre und zwei Monate Gefängnis für den Verkäufer der Mordwaffe. Aber nicht wegen Beihilfe zum neunfachen Mord, wie es die Anwälte der Angehörigen fordern.

München - Unfassbar, erschütternd, verachtungswürdig, kaltschnäuzig. Es waren deutliche Worte, die Staatsanwalt Florian Weinzierl am Mittwoch über Philipp K. (33) verlor, der die Mordwaffe an David S. († 18) verkauft hatte, mit der dieser am OEZ neun Menschen mit Migrationshintergrund tötete.

"Doch wir können dem Angeklagten nicht eine Tat ans Bein binden, die er nicht getan hat beziehungsweise die wir ihm nicht nachweisen können", so Florian Weinzierl. Der Staatsanwalt forderte in seinem Plädoyer eine Verurteilung zu sieben Jahren und zwei Monaten Gefängnis wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen, fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen und illegalem Waffenhandel – aber nicht wegen Beihilfe zum neunfachen Mord, wie es die Anwälte der Angehörigen seit Beginn des Prozesses fordern.

Das Plädoyer des Staatsanwalts hörte sich stellenweise an wie eine Rechtfertigung. "Wir müssen uns auf objektive Fakten stützen", so Weinzierl. "Es reicht nicht aus, wenn der Angeklagte weiß, dass diese Waffe zum Töten geeignet ist."

Rosenkrieg und Sorgerechtsstreit im Hintergrund

Philipp K. hätte wenigstens in Grundzügen wissen müssen, was David S. mit der Waffe vorhatte. Das war nach Überzeugung des Staatsanwalts nicht der Fall. Weinzierl stützt sich bei seiner Beurteilung der Tat unter anderem auf das Geständnis von Philipp K. sowie auf "eine Art Lebensbeichte" kurz nach dessen Festnahme im Sommer 2016. Da hatte K. berichtet, wie schockiert er war, als er von dem Massenmord in München erfuhr.

Auch stützt sich der Staatsanwalt auf die Aussage eines Mitgefangenen, der berichtet hatte, dass K. ihm erzählt hatte, wie erschrocken er über die Morde war. Handfeste Indizien, Chatprotokolle oder Zeugen, die unmittelbar bestätigen können, dass Philipp K. eingeweiht gewesen ist, haben die Ermittlungen und Prozesstage nicht erbracht. Weinzierl: "Selbst wenn ihn das Töten fasziniert hat, heißt das nicht, dass er von dem Plan gewusst hat."

Die Aussagen einer Familie, die den Angeklagten durch angebliche Äußerungen der ehemaligen Schwiegertochter und Ex-Frau belastet hatten, hält der Staatsanwalt für unglaubwürdig. Denn im Hintergrund tobt ein Rosenkrieg und Sorgerechtsstreit. Auch läuft gegen ein Familienmitglied ein Verfahren wegen eines illegalen Waffenkaufs. Der Staatsanwalt ist überzeugt, dass "allesamt gelogen haben".

Opferanwältin: "Gericht provoziert Ideen der Selbstjustiz"

Am gestrigen 19. Verhandlungstag erreichten die Wortgefechte zwischen Opferanwälten auf der einen Seite und Gericht und Staatsanwaltschaft auf der anderen noch einmal einen Höhepunkt. Die Nerven vieler Beteiligter liegen blank. Der Prozess hat deutlich länger gedauert als gedacht.

Der Staatsanwalt sprach von einem "emotionalen Dauerfeuer". Er wirft einzelnen Opferanwälten vor, den Prozess mit ihren Beweis- und Befangenheitsanträgen künstlich in die Länge getrieben zu haben. Auch beschuldigt er sie, Verschwörungstheorien zu verbreiten und "Lügen zu präsentieren".

Wegen der Belastung auch für den Angeklagten forderte er in seinem Plädoyer sogar vier Monate weniger Haft für K. als eigentlich geplant. Rechtsassessorin Claudia Neher (38) wiederum behauptete, in dem Verfahren seien staatliche Behörden ihrem Auftrag zur Aufklärung nicht nachgekommen. Und erhob den drastischen Vorwurf: "Dieses Verhalten provoziert unweigerlich als notwendige Folge Ideen der Selbstjustiz bei Bürgern und Angehörigen der Mordopfer."

Der sonst sehr ruhige Vorsitzende Richter Frank Zimmer erwiderte, so etwas habe er in seiner 34-jährigen Amtszeit noch nicht erlebt. Die Emotionen kochten. Nur einer zeigte wie gewohnt keine Gefühle: Der Angeklagte.

Lesen Sie hier: Tumulte und Tränen im Waffenverkäufer-Prozess

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