Story

Entsetzen auf der Maximilianstraße: "Autofreie Innenstadt, ausgerechnet hier"

"Wieso kauft man einen sündteuren Wagen, wenn man ihn hier nicht herzeigen darf?": Auf der Münchner Maximilianstraße sind sie entsetzt, dass das Rathaus die Parkplätze streichen will.
von  Irene Kleber
"Was soll denn hier hin statt den Parkplätzen, Würschtlbuden?", fragt sich Maßschneider Dieter Betz, "für Cafés sind die Ladenmieten doch viel zu teuer!" Was andere Ladenbetreiber sagen, sehen Sie in der Bildergalerie.
"Was soll denn hier hin statt den Parkplätzen, Würschtlbuden?", fragt sich Maßschneider Dieter Betz, "für Cafés sind die Ladenmieten doch viel zu teuer!" Was andere Ladenbetreiber sagen, sehen Sie in der Bildergalerie. © Bernd Wackerbauer

München - Die Exoten fehlen an diesem Montag. Gerade mal drei Porsche-Zweisitzer im Parkplatzsuchschritttempo kann man gegen halb eins zählen zwischen Bulgari, Louis Vuitton und dem Hotel Vier Jahreszeiten. Ein Range Rover aus Starnberg und ein paar BMW-SUVs mit Tölzer und Miesbacher Kennzeichen cruisen da noch, ansonsten schnöde Audis, Fords, VW Passats.

"Das Autospektakel gehört zu München"

Die Luxuskarossenshow auf der Maximilianstraße fährt erst wieder am Wochenende auf mit all den blank geputzten Ferraris, Bentleys, Lamborghinis, und wenn jemand wie Ashley Pace, der seit 20 Jahren das Rolex-Geschäft "Ashley's" führt, sich auch nur vorstellt, dass die an Münchens teuerster Einkaufsstraße nicht mehr parken dürfen, wenn nach dem Lockdown endlich die Läden wieder öffnen, kann er nur empört den Kopf schütteln. "Autofreie Innenstadt, ausgerechnet hier", sagt er, "das Autospektakel gehört doch zu München. Wieso, bitte, kauft man sich einen sündteuren Wagen, wenn man den dann nicht hier herzeigen darf!" So eine Verschwendung, das.

Maßschneider Dieter Betz ist entsetzt

Gerade aber ist der schillerndste Hingucker auf der Maximilianstraße zu Fuß unterwegs, mit wehendem Kaschmirmantel und schwarzem Labrador. Maßschneider Dieter Betz (56) kommt vom Gassigehen mit seiner Gina, und freilich hat sich die Kunde, dass das grün-rote Rathausbündnis an der Maximilianstraße alle Parkplätze abräumen will (AZ berichtete), längst auch zu ihm herumgesprochen. Sein Maßatelier liegt nur ein paar Meter weiter, in der Hildegardstraße.

"Das ist jetzt schon kein Prachtboulevard mehr hier", sagt Betz, der seit 30 Jahren für die Reichen und Schönen maßschneidert, "das ist ein Witz! Schaun S' einmal, wie hier die Radl und Roller wild auf dem Gehsteig herumparken, da ist überhaupt nix mehr repräsentativ." Jetzt wenn auch noch die Ferraris nicht mehr herfahren dürfen, na dann gute Nacht für die Kundschaft zwischen Adel und Aufsichtsrat. "Alles, was ein dickes Portemonnaie hat von Grünwald bis Augsburg, will hier parken", sagt er, "auf die sind wir alle angewiesen."

Nur noch Würschtlbuden auf der Maximilianstraße?

Und überhaupt, was habe die Stadt sich da eigentlich vorgestellt, was hier statt der Parkplätze passieren soll. "Straßencafés? Bei Ladenmieten von 400 Euro pro Quadratmeter? Da kannst eigentlich nur noch Würschtlbuden hinstellen", sagt er, "super, München, die Würschtlbudenstadt." Und die Mitarbeiterin einer Edel-Boutique meint zu den neuen Rathausplänen, dass erstens Unternehmerfrauen aus Starnberg nicht mit dem Fahrrad angefahren kommen, um sich Highheels für einen vierstelligen Betrag zu kaufen. Und Zweitens: "Glauben Sie, dass Männer ohne Autoshow ihre Frauen zum Schuhekaufen begleiten?"

Das Hotel Vier Jahreszeiten hat eine eigene Parkgarage

Im Hotel Vier Jahreszeiten gegenüber mag man sich noch nicht äußern über den drohenden Parkplatzraub auf der ganzen Länge zwischen Residenz- und Marstallstraße. Anders als die rund 70 Edelboutiquen, Juweliere, Schuh- und Taschen-Stores hat man das Glück, eine eigene Parkgarage mit 244 Plätzen zu haben, "wir überdenken das noch", heißt es hier. Beim "Brenner" von Gastro-Zampano Rudi Kull neben der Oper braucht's kein Nachdenken mehr. Vier, fünf Menschen stehen zum Pasta- und Salat-Abholen hier in einer Schlange, Juristen aus den Kanzleien drumherum und ein paar Geschäftsleute. Jetzt, im Lockdown, sind es vielleicht um die 50, die hier Mittagessen holen, berichtet Betriebsleiter Tobias Mushövel (45), aber danach rechne man wieder mit 2.000 Gästen am Tag. "Die Vermögenden schreckt das mit Sicherheit ab, wenn sie hier nicht mehr parken dürfen", sagt er, und: "gar nicht gut, diese neue Idee schon wieder."

Luxusgeschäfte werden neue Konzepte brauchen

Die Luxusgeschäfte werden neue Konzepte brauchen jenseits des Onlinegeschäfts, wenn sie sich die teuren Mieten langfristig leisten wollen. Ob Dieter Betz, der Maßschneider, da schon eine Idee in der Tasche hat? "Selbstverständlich", sagt der - und zieht die Mundwinkel frech hoch dabei: "Wir machen jetzt Jogginghosen nach Maß, aus Kaschmir." Für die Wirtschaftsbosse im Homeoffice, die Maße der Herren habe er ja alle. Zehn habe er schon verkauft, Stückpreis 1.500 Euro. Und wenn's pressiert, könne er täglich fünf weitere liefern. "Anruf genügt."

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.