Englischer Garten: Tunnel-Planung droht das Aus

Am Englischen Garten soll der Verkehr unterirdisch werden. Im Rathaus hat das Projekt ohnehin einen schweren Stand. Nun zeigt ein neues Gutachten, dass für das Vorhaben sogar noch mehr Bäume fallen müssten. 340 zusätzliche Fällungen werden gebraucht.
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Auf dem Bild sieht alles grün und wuchernd aus. Doch um die Straße unter die Erde zu verlegen, müssten zunächst einmal viele Bäume gefällt werden.
Auf dem Bild sieht alles grün und wuchernd aus. Doch um die Straße unter die Erde zu verlegen, müssten zunächst einmal viele Bäume gefällt werden. © Grub-Lejeune

München - Für das Architektenpaar Hermann Grub und Petra Lejeune hat München seit über fünf Jahrzehnten eine Wunde: den Isarring, die vier Autospuren, die den Englischen Garten zerschneiden.

Um diese Wunde zu heilen, fertigte das Paar 2010 auf eigene Faust einen Plan an: Der Verkehr sollte in einen 400 Meter langen Tunnel verlegt und der Park auf diese Weise wiedervereint werden. 2017 stimmte der Stadtrat einstimmig dafür. Trotzdem droht das Projekt zu scheitern.

Grün-rote Koalition verabschiedete sich von Tunnelplänen

Da seit der Kommunalwahl eine neue Mehrheit aus Grünen und SPD regiert, haben Tunnelbauten in München keine Priorität mehr. In ihrer Koalitionsvereinbarung verabschiedeten sich beide Parteien von allen Tunnelneubauten. Nur der am Englischen Garten wurde in dem Vertrag nicht explizit genannt. Doch weil die Stadt wegen Corona sparen muss, rückte das 125 Millionen Euro teure Projekt in den Hintergrund.

SPD und Grüne verständigten sich zwar darauf, dass das Baureferat die begonnen Planungen fertigstellen soll. Doch dann will der Stadtrat noch einmal entscheiden, ob er wirklich in das Planfeststellungsverfahren einsteigt.

Der Entwurf von oben, in der Nähe des Kleinhesseloher Sees könnten die Autos unterirdisch den Park durchqueren.
Der Entwurf von oben, in der Nähe des Kleinhesseloher Sees könnten die Autos unterirdisch den Park durchqueren. © Grub-Lejeune

Erst dann kann eine Baugenehmigung erteilt werden. Nun rückt diese Entscheidung näher - und so manchem Stadtrat dürfte es nicht leicht fallen, sie zu treffen.

Der AZ liegt eine bislang nicht-öffentliche Präsentation vor, die das Baureferat erstellt hat. Demnach sind praktisch alle Entwurfsplanungen und Gutachten zu Verkehr, Lärm und Naturschutz fertig. 2022 soll deshalb der Stadtratsbeschluss fallen.

Für neue Pläne müssen Bäume fallen

Allerdings hat sich gegenüber den Plänen von 2017 etwas verändert, das so manchem Naturschützer nicht gefallen dürfte: Es müssen wohl 890 Bäume gefällt werden, 340 mehr als in den ersten Planungen aus dem Jahr 2017.

Der größte Teil dieser Fällungen - nämlich fast 230 Bäume - sind notwendig, weil es offenbar zusätzliche Fahrspuren braucht, um die Baustelle abzuwickeln. 51 Bäume werden abgeholzt, weil unter anderem die Radwege durch den Park anders verlaufen sollen.

Für Hermann Grub und Petra Lejeune ist der Tunnel unter dem Englischen Garten ein Lebensprojekt.
Für Hermann Grub und Petra Lejeune ist der Tunnel unter dem Englischen Garten ein Lebensprojekt. © imago stock&people

Und noch einmal 50 Bäume müssen fallen, damit auch der Biedersteiner Tunnel instand gesetzt werden kann. Denn die große Herausforderung dieser Baustelle ist, wie sie abgewickelt werden kann, ohne den Verkehr am Isarring komplett zu sperren.

Hermann Grub: "Der Tunnel muss kommen"

Der Stadtrat muss sich nun also fragen: Verursacht der Tunnel, der eigentlich den Englischen Garten vereinen soll, möglicherweise zunächst eine noch größere Wunde?
Für Architekt Hermann Grub und seine Frau ist die Antwort auf diese Frage klar: "Es wäre eine Katastrophe, wenn der Tunnel nicht kommt."

Entstanden ist die Idee, weil die Stadt plante, den Isarring zu verbreitern. Denn seit der Richard-Strauß-Tunnel eröffnet wurde, stauen sich die Autos.

Studie: 83 Prozent der Münchner sind für einen Tunnel

Doch die Verbreiterung der Straße, diese "Autobahn durch den Park", wollte Grub unbedingt verhindern. Er sammelte Tausende Unterschriften, gab sogar eine Studie in Auftrag mit dem Ergebnis, dass 83 Prozent der Münchner einen Tunnel haben wollen. Und er setzte sich mit aufwendigen Kampagnen dafür ein, dass München ihn nicht alleine bezahlen muss: Der Freistaat will sich mit 35 Millionen an den Baukosten beteiligen. Auch der Bund steuert 2,67 Millionen für die Planung bei.

Hier müssen nach den neuen Planungen Bäume für den Tunnelbau weg.
Hier müssen nach den neuen Planungen Bäume für den Tunnelbau weg. © Google/AZ

Trotzdem reagieren die Grünen verhalten, wenn man sie derzeit auf den Tunnelplan anspricht. Ihre Chefin im Stadtrat, Anna Hanusch, will erst weitere Prüfungen abwarten. Sie bezeichnet den Tunnel als "kein vordringliches Projekt" der Koalition. Allerdings seien die Bäume schon immer ein "Knackpunkt" gewesen. "Fällt der Eingriff zu massiv aus, wäre das ein Grund, sich gegen den Tunnel auszusprechen", findet sie.

Eine-Million-Euro-Spende für neue Bäume

Für Hermann Grub ist das kein Argument. Er regt an, dass das Baureferat noch einmal überprüfen soll, ob die Zahlen wirklich stimmen. Auch seine Frau Petra Lejeune schätzt, dass bestimmt 100 bis 200 Bäume mit einer sorgfältigen Planung doch noch gerettet werden könnten.

Zum Beispiel schlägt das Paar vor, die Baustelle gegenüber der Klinik für Dermatologie der TU einzurichten. Außerdem verweist Grub auf eine Spende der Allianz von einer Million Euro, mit der neue Bäume gepflanzt werden sollen.

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CSU im Stadtrat ist weiter für den Tunnel

Er sei zuversichtlich, dass der einstimmige Stadtratsbeschluss von vor vier Jahren auch heute noch gültig ist, sagt Grub: "Dass eine Straße den größten, schönsten, besten Stadtpark zerschneidet - das wollen doch die Grünen nicht." Auch die SPD und die CSU hätten ihn immer unterstützt, meint er.

Manuel Pretzl, der Chef der CSU, bleibt bei dieser Meinung: "Wir wollen unbedingt, dass der Tunnel kommt." Der langfristige Nutzen rechtfertige die Fällungen - "schließlich werden auch wieder Bäume neugepflanzt".

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42 Kommentare
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  • Bürger Münchens am 16.11.2021 01:23 Uhr / Bewertung:

    Der Schlüsselsatz: "Entstanden ist die Idee (für den Tunnel), weil die Stadt plante, den Isarring zu verbreitern. Denn seit der Richard-Strauß-Tunnel eröffnet wurde, stauen sich die Autos."

    Also wie immer... ein neuer Tunnel führt zu neuem Stau. Nämlich Stau an der nächsten Engstellen nach dem Tunnel. Und dort braucht man dann wieder zusätzliche Fahrspuren...

    Wann werden die Tunnel Fans kapieren, dass mehr Straßen mehr Verkehr anziehen?

  • TheBMW am 16.11.2021 10:55 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Bürger Münchens

    Gilt das auch für Radwege?

  • doket am 16.11.2021 12:45 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von TheBMW

    Na hoffentlich. Wir wollen doch alle mehr Radverkehr, oder nicht?

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