„Eine unglaubliche Hilfsbereitschaft, die mich ungeheuer beruhigt“

Dieter Reiter ist stolz auf die Münchner – und sendet eine Mahnung an die Politiker Europas. Münchens Oberbürgermeister im AZ-Interview.
von  Ralf Möller
„Ich kenne meine Münchner“: Dieter Reiter mit Helfern und Flüchtlingen am Hauptbahnhof.
„Ich kenne meine Münchner“: Dieter Reiter mit Helfern und Flüchtlingen am Hauptbahnhof. © imago

AZ: Herr Reiter, sind jetzt die Münchner Kapazitäten für Flüchtlinge erschöpft?

DIETER REITER: Weitere Flüchtlinge können wir nicht unterbringen. Allenfalls, wenn wir Menschen, die bereits hier sind, in andere Bundesländer bringen. Aber grundsätzlich ist unsere Kapazität nicht mehr steigerbar.

Wie reagieren die Münchner?

Das ist sensationell. Wir haben nach wie vor im Stundentakt 50 Anrufe von Münchnern, die fragen, wo können wir helfen. Wenn wir – wie am vergangenen Sonntagabend – verkünden, dass wir noch Decken und Isomatten brauchen, dann können wir schon nach zehn Minuten melden: Wir haben genug. Es ist eine unglaubliche Hilfsbereitschaft, die mich ungeheuer beruhigt. Wir haben keinerlei Vorfälle von Rechtsextremismus gehabt.

Überrascht Sie das?

Eigentlich nicht. Ich kenne meine Münchener. Es war schon immer so: Wenn es darum geht zu helfen, dann helfen die auch.

Flüchtlinge am Hauptbahnhof: München darf kurz durchatmen

Ist das eine historische Situation für die bayerische Landeshauptstadt, die sich derzeit abspielt?

München hat am vergangenen Wochenende positive Geschichte geschrieben. Für die Stadt ist das eine herausragende Zeit. Aber das ist eigentlich sekundär. Entscheidend ist, dass wir uns um die Flüchtlinge auch weiter kümmern, weil das so schnell nicht aufhören wird. Entscheidend ist auch, dass wir Regelungen treffen, damit es den Leuten dort, wo sie herkommen, irgendwann mal wieder besser geht. Zum Zweiten braucht es eine organisierte Verteilung dieser Flüchtlinge auf ganz Deutschland, aber natürlich auch auf ganz Europa. Mit den deutschen Bundesländern werden wir das hinbekommen. Da bin ich nach einem Telefonat am Montagmorgen mit dem Vizekanzler sicher.

Was Europa angeht, sind Sie sich nicht sicher?

Wenn man sich ein Dreivierteljahr lang im Wochenrhythmus zu Griechenland-Gipfeln treffen kann, dann erwarte ich einfach, dass man sich in maximal fünf Arbeitstagen an der europäischen Spitze mit dem Thema Flüchtlinge befasst und nicht wieder ergebnislos auseinander geht. Das ist die dringende Forderung eines verantwortlichen Kommunalpolitikers.

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